Russland: Präsident Putin tritt fünfte Amtszeit an

Mit einer Zeremonie im Kreml ist Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag für eine fünfte Amtszeit vereidigt worden. Damit kann der 71-Jährige weitere sechs Jahre regieren. Russland werde gestärkt aus dieser schwierigen Zeit hervorgehen, sagte Putin. Viele EU-Vertreter blieben der Veranstaltung fern. Kommentatoren ziehen eine mehr als kritische Bilanz.

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Elvira Wicharewa (RU) /

Er hat das ganze Land in der Tasche

Auf Facebook sieht die Oppositionspolitikerin Elvira Wicharewa Russland infolge der Verfassungsänderung von 2020 einer Diktatur unterworfen:

„Putin muss nicht mehr sein Gesicht wahren, muss nicht mehr all diese liberalen Gäste bei Siegesparaden und auf der Führungsetage des Kremls dulden, er kann in Ruhe politische Gegner aus dem Weg räumen und die eigene Bevölkerung drangsalieren – kurzum, er kann alles tun. Zudem gingen die eklatanten Verfassungsänderungen mit der größten Wahlfälschung in der russischen Geschichte einher. ... 2020 wurde das gesamte Rechtssystem des Landes samt Verfassung einem Mann unterworfen, der uns heute – während sich das Land halblebendig in Krämpfen windet – von der Bewahrung des Volkes erzählt.“

Avvenire (IT) /

Selbstkrönung ohne Trophäe

Putin wiederholt sich, höhnt Avvenire:

„Ein bisschen Peter der Große, ein bisschen Napoleon. Wladimir Putin lässt sich für seine fünfte Amtszeit als Präsident der Russischen Föderation, seine dritte in Folge, in einer Zeremonie vereidigen, die den Anschein einer Selbstkrönung erweckt. Ein Zar mit scheinbar ungebrochener Macht im eigenen Land. Doch hatte er sich einen pompöseren feierlichen Akt erhofft. Moskaus Armee hat in der Ukraine Boden gutgemacht, doch hat sie keine größeren Orte eingenommen. Somit droht die gestrige Rede zur Vorlage der morgigen zu werden, wenn der Zar anlässlich der Parade auf dem Roten Platz zur Feier des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg den Russen keine wesentlichen Neuigkeiten zu verkünden hat.“

The Daily Telegraph (GB) /

Das Gegenteil einstiger Versprechen erreicht

Die Bilanz von Putins Regentschaft ist in jeder Hinsicht verheerend, bilanziert The Daily Telegraph:

„Es ist mehr als 24 Jahre her, dass Putin im Alter von nur 47 Jahren erstmals Präsident wurde. Damals versprach er, die Demokratie zu fördern. Er skizzierte ein Russland der Zukunft als 'freies, wohlhabendes, starkes und zivilisiertes Land – ein Land, auf das seine Bürger stolz sind und das international respektiert wird'. Heute ist Russland nichts davon. Jeder Anspruch auf Freiheit ist längst verschwunden. Die Wirtschaft liegt darnieder. Die mörderischen Angriffe der russischen Armee auf Zivilisten in der Ukraine machen jeden Anspruch auf zivilisiertes Verhalten zunichte. Und von seinen nächsten europäischen Nachbarn wird Russland isoliert.“

Les Echos (FR) /

Patriotismus, Zynismus, Pragmatismus

Les Echos analysiert Putins Vorgehen:

„Der 71-jährige Präsident, der eher ein Taktiker als ein Stratege ist, hat seit seinem Amtsantritt 1999 keine wirkliche Ideologie entwickelt. ... Doch in einem ständigen Spagat zwischen imperialer und sowjetischer Vergangenheit, zwischen Kapitalismus und Sozialismus, versteht er es, sich anzupassen und zu manipulieren, um die Macht Russlands in Szene zu setzen. Ein patriotischer und zynischer Pragmatismus, um besser Verwirrung stiften und die Apathie aufrechterhalten zu können. Seine überwältigende und karikaturenhafte fünfte Wahl verfolgte ein zweifaches Ziel: den Präsidenten an der Macht zu halten, aber vor allem seine vermeintlich enge Bindung zu dem Land zu inszenieren.“

Dnevnik (SI) /

Er setzt auf Trump

Dnevnik analysiert:

„In seiner Antrittsrede machte der Präsident dem Westen klar, dass die künftigen Beziehungen zu Russland von den westlichen Staaten abhängen und nicht davon, wie Russland seinen illegalen Eroberungsmarsch auf fremdem Boden beendet. Der Trotz zu Beginn der fünften Amtszeit sollte nicht überraschen. ... Putins größter Verbündeter, der das Versprechen eines langfristigen Engagements gegenüber der Ukraine über Nacht auf den Kopf stellen und die USA in eine neue Phase des Isolationismus führen könnte, ist Donald Trump. Der Ukraine stehen bis November wohl entscheidende Monate bevor.“