Nach US-Kritik: Wie kann Europa stärker werden?
Donald Trump hat die kürzlich in der US-Sicherheitsstrategie formulierte Kritik an Europa bekräftigt. In einem Interview mit Politico sagte er, Europas Spitzenpolitiker seien zu "schwach" und zu "politisch korrekt", sie würden weder die Migration kontrollieren noch den Ukraine-Krieg beenden. Europas Kommentatoren machen Vorschläge, wie sich die Staatengemeinschaft künftig aufstellen muss.
Gemeinsame Verteidigung jetzt aufbauen
La Repubblica veröffentlicht ein Manifest, das zahlreiche politische Persönlichkeiten unterzeichnet haben:
„Wie schon 1950 müssen wir uns auf eine entscheidende Frage konzentrieren: die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, gestützt auf eine gestärkte politische Union. Nur ein stärker föderales Europa kann diese Herausforderungen bewältigen und die Achtung unserer Werte und Grundrechte gewährleisten, es sei denn, wir sind bereit, Trump als globale politische Autorität in einer ambivalenten Partnerschaft mit Putin und Xi Jinping zu akzeptieren. Angesichts der Sicherheitsbedrohung für die EU und Trumps offener Feindseligkeit, die sich in der Nationalen Sicherheitsstrategie offenbart, rufen wir die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat dazu auf, eine gemeinsame europäische Verteidigung gemäß Artikel 42 des Vertrags über die Europäische Union zu schaffen.“
Geeinter Norden als Bollwerk
Einen Zusammenschluss der nordeuropäischen Länder fordert Aftonbladet:
„Ein geeinter Norden wäre ein wirtschaftliches, geografisches und militärisches Schwergewicht - selbst im Vergleich zu einem Land wie Russland. Einzeln betrachtet sind unsere Länder klein, aber zusammen verfügen wir über einen bedeutsamen Arbeitsmarkt sowie Forschung und Unternehmen von Weltklasse. Gemeinsam könnten wir eine starke nordische Basis innerhalb der Nato und in Zukunft vielleicht sogar in der EU aufbauen. Das würde uns weniger anfällig machen, sowohl gegenüber verrückten amerikanischen Präsidenten als auch gegenüber russischem Imperialismus. Ein erster Schritt wäre, dass die schwedische Regierung Dänemark deutlicher unterstützt.“
Aufstieg der Rechtsextremen verhindern
Adevărul warnt vor einer Zerstörung der EU von innen heraus:
„Die Strategie von Trump stützt sich explizit auf europäische rechtsextreme Parteien und Bewegungen, die die EU untergraben, die Unterstützung für die Ukraine schwächen und russische Narrative wiederholen. Wenn diese Kräfte die Außenpolitik einiger Schlüsselstaaten bestimmen, lässt sich der Kontinent unmöglich verteidigen, egal wie viele Panzer und Raketen man kauft. Die Antwort auf Trump muss also nicht nur in Richtung Washington gehen, sondern auch in Paris, Berlin, Rom, Warschau und Bukarest erfolgen: Klare Regeln für die Transparenz der Parteienfinanzierung, Bekämpfung von Desinformation, eine seriösere Presse und vor allem Politiker, die den Menschen die unangenehme Wahrheit sagen: Sicherheit hat ihren Preis. Aber wenn sie fehlt, wird der Preis unendlich viel höher.“
Industrielle Revolution ermöglichen
Wie man wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen könnte, erklärt Nobelpreisträger Philippe Aghion in El País:
„Europa ist stark abhängig und kann Wachstum nicht selbst generieren. Ein Paradebeispiel dafür, warum schöpferische Zerstörung – die Verdrängung weniger produktiver Unternehmen durch neue, innovative Marktteilnehmer – so wichtig ist. ... KI könnte schöpferische Zerstörung, die langfristiges Wachstum ermöglicht, stark vorantreiben. ... Dazu sind ergänzende politische Maßnahmen nötig, die Arbeitnehmern bei der beruflichen Neuorientierung helfen. ... Ich bin für das dänische 'Flexicurity'-Modell, in dem der Staat die Löhne von Arbeitnehmern übernimmt, während sie sich weiterbilden und in den Arbeitsmarkt neu integrieren. Eine KI-getriebene industrielle Revolution erfordert nichts Geringeres.“
Behäbiger Supertanker
Europa tut sich sehr schwer mit Reformen, kritisiert Mladá fronta dnes:
„Die Europäer setzen kühne Ziele oder einen neuen Slogan und stilisieren den dann zum Götzen. Kritik wird als Sabotage diffamiert. Jeder weiß es, aber dieser träge Supertanker lässt sich nicht wenden. Mario Draghi könnte ein Lied davon singen, wie Europa ihn beauftragte, einen Bericht über den Verlust der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zu verfassen, und dann nur lethargisch zu den unangenehmen Schlussfolgerungen nickte und zur Tagesordnung überging. ... Donald Trump hat nun mit scharfer Zunge dasselbe [wie Draghi] gesagt. Wie immer provoziert er, doch das ändert nichts an der Tatsache. Die Fakten hinter der trügerischen Fassade der Selbstzufriedenheit sprechen für sich.“
Kritik verstehen lernen
Als Europäer sollten wir uns fragen, wie die Meinung der USA über Europa zustande kommt, meint Večernji list:
„Die Yankees halten die Europäer zuerst einmal für unfähige Moralisten, die nicht bereit sind zu sagen, welche Kompromisse sie möchten, etwa im Falle der Ukraine, sondern lediglich diejenigen, die sie nicht möchten. Auch glauben die Amerikaner, dass Europa gut auf Kosten von Amerika lebt, welches ihre geopolitischen und militärischen Probleme löst, während die Europäer ihr Geld für Sozialleistungen, Krankenversicherung, Ausbildung und Arbeitslosengeld ausgeben. Warum sollten die Europäer einen Krieg auf ihrem Kontinent stoppen oder das Militär stärken, wenn sie stattdessen noch weniger arbeiten und besser leben können, glauben die Amerikaner. ... Das schmerzt die Amerikaner. Selbst wenn wir nicht einer Meinung mit ihnen sind, sollten wir sie verstehen.“