Erneute Drohnenvorfälle: Welche Antwort hat Europa?

Nach dem Abschuss russischer Drohnen am vergangenen Mittwoch in Polen haben weitere Vorfälle an der Nato-Außengrenze die Spannungen zwischen Moskau und dem westlichen Militärbündnis verschärft. Die polnische Armee schoss eine Drohne ab, die Regierungsgebäude überflogen hatte. Zwei belarusische Staatsbürger sollen im Zusammenhang mit dem Vorfall festgenommen worden sein. Auch in Rumänien drang eine Drohne in den Luftraum ein.

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Kauppalehti (FI) /

Grenzstaaten brauchen auch EU-Gelder

Eine effektive Drohnenmauer lässt sich nur gemeinsam finanzieren, meint Kauppalehti:

„Die Herausforderung besteht darin, dass es nicht ausreicht, nur die mehr als 1.300 Kilometer lange Ostgrenze zu schützen, sondern dass Drohnen auch über die Ostsee nach Finnland oder von Finnland aus, beispielsweise von Lastwagen aus, geflogen werden könnten. Je umfassender der Schutz sein soll, desto höher sind die Kosten. ... Letzte Woche wurden in Polen Drohnen im Wert von Tausenden von Euro mit Millionen teuren Raketen abgeschossen. … Die gute Nachricht für Finnland ist, dass die Drohnenabwehr und die Sicherung der Grenze zu Russland nun ganz oben auf der Tagesordnung der EU und Nato stehen. Für den Schutz der Grenzstaaten werden auch gemeinsame Finanzmittel aus Europa benötigt.“

Denník Postoj (SK) /

Mehr Glück als Verstand

Die Slowakei ist bislang nicht von russischen Drohnenvorfällen betroffen, konstatiert Denník Postoj:

„Die Slowakei kann dem Schicksal danken, dass sie durch die Karpaten und einige hundert Kilometer ukrainisches Territorium von Russland getrennt ist. Mit der Entwicklung von Drohnen mit immer größerer Reichweite wird jedoch selbst dieser Vorteil an Bedeutung verlieren. In einem echten Krieg wird die Geografie allein die Slowakei nicht schützen. Es bedarf moderner und zahlreicher Luftabwehrsysteme, nicht einiger alter kubanischer Raketen oder einiger S-300, die die Slowakei ohne die Russen nicht modernisieren konnte.“

Boróka Parászka (HU) /

Ungarn zeigt auffälligen Mangel an Solidarität

Der Unterschied zwischen Rumänien und Ungarn ist vielsagend, meint die Publizistin Boróka Parászka auf Facebook:

„Das ungarische Außenministerium hat den russischen Botschafter nicht einbestellt, obwohl eine Siedlung in der Nähe der ungarischen Grenze von einem russischen Raketenangriff getroffen wurde. ... In Rumänien wurde der russische Botschafter innerhalb von drei Tagen zweimal einbestellt. Einmal wegen des Drohnenangriffs auf Polen, einmal wegen einer Drohne, die am Wochenende ins Gebiet Rumäniens eingedrungen war. Versteht jeder, was der Unterschied bedeutet? ... Die ungarische Regierung ist Putin gegenüber so loyal, dass sie sogar den [ethnischen] Ungarn in Transkarpatien den Rücken kehrt. Die rumänische Regierung, die sich Moskau scharf entgegenstellt, solidarisiert sich mit den Polen.“

NV (UA) /

Abfangmissionen über der Ukraine ist denkbar

Blogger Iwan Jakowyna überlegt in einem von NV übernommenen Facebook-Post, wie weitere Reaktionen der Nato aussehen könnten:

„Nach Polen werden recht viele Nato-Kampfjets verlegt. Ich denke nicht, dass das ohne Grund geschieht: Bald werden sie tatsächlich damit beginnen, russische Drohnen und Raketen über der Ukraine abzuschießen. Zunächst aus der Ferne, ohne in den ukrainischen Luftraum einzudringen, doch später werden sie hin und wieder auch dorthin fliegen. Für die Nato-Armeen ergeben sich daraus drei Vorteile: Sie können sich selbst (und die Ukraine) schützen, ihre Piloten trainieren und Putin ungestraft eins auswischen. … Ich denke, eine entsprechende Entscheidung wurde inoffiziell bereits getroffen.“

Hotnews (RO) /

Zynische Empathielosigkeit

Hotnews kritisiert die Untätigkeit Rumäniens:

„Die Erleichterung des Verteidigungsministers, der uns mitgeteilt hat, dass die Drohne nicht abgeschossen wurde, weil sie angeblich dafür bestimmt war, anderswo Verwüstung anzurichten, wirft einige Fragen auf. Sollen wir als Rumänen erleichtert sein, weil das mit Sprengstoff beladene Fluggerät weiterflog, um Ukrainer zu töten? ... Was aber, wenn es sich um ethnische Rumänen handelt, die im Budschak [in der Ukraine] leben – wäre uns die Drohne dann auch egal? Ansonsten sind wir in politischen Erklärungen immer sehr emotional, wenn es um die Rumänen in der Ukraine geht.“

La Libre Belgique (BE) /

Mehr Experimente wagen

Nun braucht Europa Anpassungsfähigkeit und Mut zu neuen Ideen, drängt La Libre Belgique:

„Die Ukrainer experimentieren. Akustische Sensornetzwerke, leichte Batterien, Abfangdrohnen, die eine 'Schutzmauer' bilden: Erfinderische Lösungen sind vorhanden, manchmal zum Preis einer einzigen Patriot-Rakete. Europa hat keine Ausreden: Es ist Zeit, endlich zu lernen, zu investieren, zu erfinden, zu erneuern, zu teilen. ... Wenn wir unsere militärische Software nicht an die von den Russen geschürte Angst anpassen, werden ihre Drohnen weiter an unseren Gewissheiten nagen, bis diese Angst über unseren Willen siegt, unsere Grenzen zu verteidigen. ... Die Zeit vorsichtiger Kommuniqués ist vorbei. Für Europa ist es nun Zeit zu handeln, schnell, erfinderisch, entschlossen.“

Neatkarīgā (LV) /

Provokationen machen wachsam

Neatkarīgā analysiert:

„Man kann davon ausgehen, dass Putin mit seinen Provokationen die Kampfkraft der Nato nur stärkt. ... Jede dieser Provokationen offenbart unsere eigenen Schwächen und gibt uns die Möglichkeit, diese rechtzeitig auszumerzen und im Ernstfall besser vorbereitet zu sein. ... Eines der Grundprinzipien der Kriegskunst ist das Unvermittelte des Angriffs. Je unerwarteter der Angriff und je unvorbereiteter der Gegner, desto größer die Erfolgschancen. Russische Provokationen zwingen Europa, egal wie feige und schläfrig es auch sein mag, sich auf den Krieg vorzubereiten. Das gibt Hoffnung, dass Putin nach Abwägung des Für und Wider die richtige Entscheidung treffen und von einer direkten Konfrontation mit der Nato Abstand nehmen wird.“