US-Sanktionen: Warum die Ausnahme für Ungarn?

Ungarn ist vorerst von den US-Sanktionen gegen Russlands Energiesektor ausgenommen. Dies teilte ein Vertreter des Weißen Hauses am Freitag mit, nachdem sich US-Präsident Trump und Ungarns Premier Orbán in Washington getroffen hatten. Kommentatoren diskutieren die Gründe für die Ausnahmegenehmigung und mögliche Auswirkungen auf die Parlamentswahl in Ungarn im kommenden Jahr.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Wahlkampfhilfe aus dem Weißen Haus

Den Grund für die Ausnahmen erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung so:

„Donald Trumps Entgegenkommen ist Wahlkampfhilfe für seinen besten Verbündeten unter Europas Politikern. Sachlich begründet ist die Ausnahme von den Sanktionen für Ungarn nicht mehr. Orbán hat es versäumt, die Abhängigkeit seines Landes von russischem Öl und Gas zu verringern; die Zeit dafür hatte ihm die EU mit Sonderregeln für Ungarn in ihren eigenen Sanktionspaketen gegeben. Dass Orbán bei Trump Gehör fand, illustriert ein weiteres Mal, wie die amerikanische Politik unter diesem Präsidenten funktioniert. Es geht nicht um Sachfragen, sondern nur darum, wer das Ohr des Herren im Weißen Haus hat.“

Rzeczpospolita (PL) /

Budapest wärmt alte Ausreden auf

Auch Rzeczpospolita findet keine überzeugenden Gründe dafür, dass Ungarn von Sanktionen verschont bleibt:

„Viktor Orbán begründete die Ausnahmen für Ungarn mit der kritischen wirtschaftlichen Abhängigkeit des Landes von russischen Energieträgern. Diese Argumentation verwendet die ungarische Regierung seit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine. Während der Rest der Europäischen Union neue Lieferanten und neue Lieferwege gefunden hat, hielt die ungarische Regierung an Russland fest und subventionierte damit immer stärker die Kriegskasse des Kremls.“

Népszava (HU) /

Trump schwächt eigene Glaubwürdigkeit

Den US-Präsidenten hat dieses Zugeständnis einiges gekostet, erklärt Népszava:

„Es ist noch unklar, ob die US-Genehmigung für ein Jahr gilt, wie eine Quelle aus dem Weißen Haus gegenüber der BBC bestätigt hat, oder für immer und ewig, wie Viktor Orbán und [Ungarns Außenminister] Péter Szijjártó behaupteten. ... Welche Variante auch immer die Wahrheit ist, Trump versucht damit, Orbán bei seiner Wiederwahl Hilfe zu leisten. Doch damit gefährdet er seine eigene Glaubwürdigkeit und schwächt den Druck auf Russland und auf die größten Käufer russischer Energieträger: China, Indien und die Türkei.“

Törökgáborelemez (HU) /

Ein Erfolg – aber nicht wahlentscheidend

Das Treffen ändert wenig am politischen Kräfteverhältnis im Land, analysiert der Politologe Gábor Török auf Facebook:

„Die innenpolitischen Auswirkungen von Viktor Orbáns Reise nach Washington sind nicht leicht einzuschätzen. Fünf Monate vor der Wahl, in einem bis zum Äußersten polarisierten Wahlkampf, in dem die Mehrheit der Wähler am liebsten schon heute ihr Kreuz setzen würde, ist es ein eitler Traum oder eine unbegründete Angst, zu erwarten, dass irgendwelche Ereignisse radikale Veränderungen mit sich bringen werden. Gleichzeitig ist es jedoch ziemlich offensichtlich, dass dies ein Moment war, mit dem die Fidesz sich gerne brüsten wird: ein eindeutiger politischer Erfolg.“

Fakti.bg (BG) /

Orbán kann eben verhandeln

Offene Bewunderung für Ungarns Ministerpräsidenten zeigt fakti.bg:

„Offensichtlich haben in der internationalen Energiepolitik nicht alle Akteure gleichen Zugang zu Ausnahmen. Es gibt zwei Möglichkeiten, mit den Großmächten zu verhandeln: Als Führer, der ein Land hat, oder als Vasall, der Vorgesetzte hat. Viktor Orbán hat sich für die erste Möglichkeit entschieden, Bojko Borissow für die zweite. Orbán denkt und handelt wie ein Staatsmann, Borissow denkt wie ein Diener und handelt wie ein Kolonialverwalter. Warum ist Bulgarien nicht wie Ungarn? Weil wir Menschen wie Borissow wählen und nicht Persönlichkeiten wie Orbán.“