Muss Fliegen zum Schutz des Klimas teurer werden?

Frankreich führt ab kommendem Jahr eine Steuer auf Flüge ein. Die Abgabe soll zwischen 1,50 Euro und 18 Euro auf den Ticketpreis betragen, je nach Länge der Strecke. Auch die EU-Kommission prüft derzeit offenbar unterschiedliche Wege, den Flugsektor höher zu besteuern, darunter auch über eine Kerosinabgabe. Nicht alle Beobachter sind überzeugt, dass das der richtige Weg ist.

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tagesschau.de (DE) /

Kerosin endlich besteuern

Fliegen muss drastisch teurer werden, fordert tagesschau.de:

„Easyjet und die Lufthansa haben gerade ihre Prognosen veröffentlicht. Es geht fröhlich weiter bergauf. Ein Greta-Effekt - also umweltbewusster Reisen - Fehlanzeige! Der Mensch funktioniert eben nicht über Freiwilligkeit. Er will gezwungen werden. Oder sagen wir so: Er braucht in diesem Fall einen finanziellen Anreiz. Deshalb her mit der höheren Luftverkehrsabgabe! Oder am besten gleich mit einer Kerosinsteuer. Dass das Flugbenzin innerhalb der EU nicht besteuert wird, ist sowieso ein Unding. Den rechtlichen Rahmen dafür gäbe es nämlich. Die Luftverkehrsbranche muss endlich auch einen fairen Anteil am Klimaschutz leisten.“

Les Echos (FR) /

Es gibt noch schlimmere Klimasünder

Die Schuld am Klimawandel wird allein auf die Flugbranche abgewälzt, klagt hingegen der Luftfahrtberater Xavier Tytelman in Les Echos:

„Die Flugbranche bleibt leider sowohl die Kuh, die gemolken wird, als auch der Sündenbock. ... Denn wer weiß schon, dass die zivile Luftfahrt sich das Ziel gesetzt hat, ihre CO2-Emissionen trotz des Wachstums auf dem Niveau von 2020 zu deckeln und sie bis 2050 zu halbieren? Und dass ein Franzose durch seine Internetnutzung und Verwendung von neuen Technologien dreimal so viel CO2 wie durch seine Flugreisen verursacht? Der Strom, der für das Funktionieren der Server von Netflix, Youtube und Facebook benötigt wird, stößt übrigens bereits jetzt mehr CO2 aus als die gesamte zivile Luftfahrt der Welt und nimmt jährlich um neun Prozent zu… Wird bald also eine Ökosteuer auf die Internetnutzung eingeführt?“

L'Opinion (FR) /

Geringer Nutzen, große Belastung

L'Opinion kritisiert die Abgabe aus drei Gründen:

„Erstens wälzen die Airlines im stark umkämpften Luftfahrtsektor nicht die gesamten Mehrkosten auf die Ticketpreise um. Die Reisenden werden daher nur einen sehr schwachen Anreiz verspüren, ihr Verhalten zu ändern. Zweitens ist zu befürchten, dass, sollten die Ökosteuern am Ende die Rentabilität der Unternehmen beeinträchtigen, der Kampf gegen den Klimawandel in den kommenden Jahren zu Stellenkürzungen führt. Der Staat hatte versprochen, die Wettbewerbsfähigkeit französischer Firmen zu stärken, doch er schwächt Air France. Drittens muss in dem Land mit der weltweit höchsten Abgabenlast die - unausweichliche - Bürde, die eine ökologische Steuerreform mit sich bringt, mit einer allgemeinen Entlastung einhergehen. Die Regierung handelt ohne Methode und übereilt und befeuert damit den Steuer-Verdruss.“

Der Standard (AT) /

Tropfen auf die heiße Erde

Nationale Alleingänge bringen im Kampf gegen den Klimawandel nichts, findet Der Standard:

„Die Abgabe geht nicht weit genug, die unterschiedlichen Lösungen quer durch die EU sind nur mäßig effektiv. Denn vor tiefgreifenden Klimamaßnahmen auf nationaler Ebene scheuen die Mitgliedsstaaten zurück. Zu groß ist die Furcht vor Wettbewerbseinbußen. Auf EU-Ebene muss daher endlich die Steuerbefreiung von Kerosin beendet und eine CO2-Bepreisung eingeführt werden. Bis dahin bleibt Macrons Vorstoß nur ein Tropfen auf den bereits viel zu heißen Planeten.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Mit Klimaschutz hat das wenig zu tun

Diese Abgaben werden nicht die gewünschte umweltpolitische Wirkung haben, glaubt die Neue Zürcher Zeitung:

„18 € auf den Preis eines Businessclass-Tickets auf einem Langstreckenflug werden kaum jemanden dazu bewegen, die Reise nicht zu machen. Und dass € 1.50 darüber entscheiden werden, ob mehr Zeit für eine Reise von Paris nach Toulouse investiert wird, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich. Schon jetzt ist der TGV zudem auf vielen Strecken eine valable Alternative zum Flugzeug. Diese Ökosteuer wird vermutlich kaum dazu beitragen, die von Franzosen verursachten Treibhausgasemissionen zu senken. Viel eher scheint der französische Staat einen Weg gefunden zu haben, die Erneuerung von Infrastruktur zu finanzieren. Das ist legitim, hat aber wenig mit Klimaschutz zu tun.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Zug muss Alternative zum Flieger werden

Es ist zwar gut, dass der Erlös der Steuer der SNCF zugute kommen soll, aber auch das ist nicht mehr als ein schönes Signal, moniert die taz:

„Die Bahninfrastruktur in ganz Europa muss massiv ausgebaut werden. Dafür sind viele Milliarden nötig, in Deutschland ebenso wie in den meisten Nachbarländern. Heute existiert für Reisende kein europäisches Bahnsystem, das diesen Namen verdient und Fliegen in Europa überflüssig machen könnte. Schon der grenzüberschreitende Ticketkauf ist ein Abenteuer. Es ist heute beschwerlicher als im vergangenen Jahrhundert, mit dem Zug durch Europa zu reisen. Daran ist auch die Deutsche Bahn schuld, die etwa die Schlafwagen abgeschafft hat. Soll der Zug eine Alternative zum Flieger sein, dann muss in ganz Europa das Bahnfahren bequemer und viel billiger werden.“