Ja zu Milliardenhilfen - nein zu Corona-Bonds

In ihrem Videogipfel am Donnerstag haben die Staats- und Regierungschefs der EU Corona-Kredithilfen von bis zu 540 Milliarden Euro gebilligt. Diese sollen ab Juni an Unternehmen, verschuldete Staaten und in ein Kurzarbeiterprogramm fließen. Gemeinsame Corona-Bonds wurden hingegen verworfen. Ist dieses Ergebnis ein Zeichen des Zusammenhalts oder zementiert es die innereuropäischen Gräben?

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Frankfurter Rundschau (DE) /

Ein riskanter Weg in die Zukunft

Gelöst ist mit dieser Entscheidung noch gar nichts, meint die Frankfurter Rundschau:

„[Es] ist eine gewisse Finanzakrobatik nötig, um einerseits viele Milliarden Euro zu mobilisieren, ohne andererseits sofort allzu viel Geld auf den Tisch zu legen. Zu guter Letzt muss das noch mit dem langjährigen EU-Haushalt und mit dem Klimaschutzprojekt 'Green Deal' in Einklang gebracht werden. Und wenn klar wird, wie viel das alles kostet, dann müssen Verteilungskämpfe vermieden werden. Sind die Staats- und Regierungschefs der EU bei all dem zu zögerlich und zu geizig, nicht solidarisch genug und schlampig, dann drohen die falschen politischen Kräfte davon zu profitieren. Die Wirtschaftskrise Ende der Nullerjahre hat den Rechtspopulisten Aufwind verschafft. Es steht viel auf dem Spiel.“

La Stampa (IT) /

Diese Entscheidung stärkt Europa

Der Süden Europas hat einen Sieg davongetragen, freut sich Politologe Alberto Mingardi in La Stampa:

„Unter der Regie von Angela Merkel nimmt die Europäische Union den Souveränisten ein Alibi. Im neuen Haushalt 2021-2027 wird sich die Kommission mit einem Instrument für Geldtransfers ausstatten wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Der Wiederaufbaufonds wird zur Hälfte Strukturmittel vom Typ Juncker-Plan verwalten, zur Hälfte wird er sie an Länder in Schwierigkeiten weiterleiten. Ironischerweise stärken die Angriffe auf die Stiefmutter Europa am Ende Brüssel. Frankreich, Italien und Spanien scheinen aus diesem Spiel als Sieger hervorzugehen. Doch sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben. Die Aktivierung des Fonds wird Zeit brauchen.“

Delo (SI) /

EU ist eine Schale ohne Inhalt

Von dieser Gemeinschaft können die Mitgliedstaaten nicht viel Hilfe erwarten, kritisiert Delo:

„Die Staaten müssen sich im Kampf gegen Covid-19 allein zurechtfinden. Die EU hat sich als Schale ohne Inhalt gezeigt. Das wird sich ändern müssen, oder die Union, zumindest so wie sie jetzt ist, wird es nicht mehr geben. Die Länder haben sich wegen der Gefahr durch das Coronavirus nach innen gewandt. Die reicheren konnten ihren Bürgern in diesen Zeiten etwas mehr Freiheit gönnen, die ärmeren haben als Ersatz für Behandlungsmöglichkeiten schärfere Isolationsmaßnahmen eingeführt. ... In der EU wird derzeit viel darüber gesprochen, mehr gemeinsames Geld für die Gesundheitsversorgung auszugeben. Doch es ist wohl besser, wenn sich jeder auf sich selbst verlässt.“

La Vanguardia (ES) /

Wachsende Kluft kann Union sprengen

Die Risikoprämie für spanische Staatsanleihen ist in den vergangenen Wochen wieder deutlich gestiegen. Um diese Gefahr zu stoppen, braucht die EU mutigere Beschlüsse, meint La Vanguardia:

„Hält die Tendenz der steigenden Kosten für den Verkauf von Staatsanleihen an, vergrößert sich der Abstand zu den nordeuropäischen Ländern und die EU bleibt definitiv in Arm und Reich geteilt, da die wirtschaftliche Konvergenz stockt. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zu einer erneuten Krise des Euro und des Gemeinschaftsprojekts. ... Ein über sieben Jahre gestreckter Wiederaufbauplan, der zuvor der Zustimmung der nationalen Parlamente unterzogen wird, verzögert die Hilfen, verwässert seine Effekte und kann den nötigen schnellen Konjunkturimpuls nicht leisten. Die Zukunft der EU und die aller Mitgliedstaaten stehen auf dem Spiel.“

De Tijd (BE) /

Merkel zeigt Verantwortung

De Tijd lobt die Führungsstärke der deutschen Bundeskanzlerin:

„Das Eis ist dünn geworden in Europa. Die Formulierung einer gemeinsamen Antwort auf die Corona-Krise gestaltet sich mühsam. Der europäische Gipfel zu den Maßnahmen ist nur mit Mühe zu einem Ergebnis gekommen. ... Im Bundestag sagte Merkel, dass Deutschland 'selbstverständlich' mehr zum EU-Haushalt beitragen wird. Für Merkel ist europäische Solidarität wichtig, weil sie weiß, dass eine zerbrechliche Union zu einer nächsten Krise führen kann. Wenn nicht alle Mitgliedstaaten die Corona-Krise überwinden, dann sind die Folgen in der ganzen Union zu spüren.“