Neil Young vs. Spotify: Eine moderne Fabel?

Die Entscheidung des Rockstars und mehrfachen Grammy-Gewinners Neil Young, Spotify aus Protest zu verlassen, beschäftigt Europas Presse. Young hatte die Streaming-Plattform öffentlich aufgefordert, sich zwischen ihm und dem Podcaster Joe Rogan zu entscheiden, weil dieser tödliche Falschinformationen über Corona verbreite. Inzwischen hat Spotify Rogans Sendung mit einem Warnhinweis versehen.

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eldiario.es (ES) /

Fakten und Lügen dürfen nicht gleichberechtigt sein

Schriftstellerin Irene Lozano lobt Neil Young in eldiario.es:

„Plattformen, Suchmaschinen und soziale Netzwerke entpuppen sich als das, was sie sind: Herausgeber von Inhalten und damit verantwortlich für das, was sie veröffentlichen, genau wie die Medien. ... Falschmeldungen und Desinformation untergraben die öffentliche Debatte und die Grundlagen der Demokratie, weil Menschen in verantwortungsvollen Positionen davon überzeugt sind, dass Wahrheit und Lüge im Gleichgewicht sein müssen. ... Zum Glück gibt es auch Leute wie Neil Young. ... Während wir alle auf Sichtbarkeit aus sind, hat er die Aufmerksamkeit der Menschen durch sein Verschwinden gewonnen. ... Und er hat diese Aufmerksamkeit in den Dienst des Gemeinwohls, der öffentlichen Debatte und der Gesundheit gestellt.“

Heise Online (DE) /

Soll er halt gehen

Spotify hatte keine andere Wahl, als Neil Young ziehen zu lassen, meint das IT-Nachrichtenportal Heise:

„Alles andere hätte bedeutet, einer Erpressung nachzugeben. Unabhängig davon, dass Young und Mitchell [Joni Mitchell hatte sich Neil Young angeschlossen] aus ehrenwerten Motiven gehandelt haben: Eine Plattform kann keine Mitglieder schassen, weil andere Mitglieder sich über sie beschweren. Stellen wir uns nur mal den umgekehrten Fall vor: Rechte würden den Rauswurf von Young fordern, weil sie sich über ihn ärgern. In diesem Fall kann es auch nur eine Konsequenz geben: Dann sollen sie halt gehen.“

Kauppalehti (FI) /

Geschäft auf Messers Schneide

Die Angelegenheit ist für Spotify ein großes wirtschaftliches Risiko, meint Kauppalehti:

„Für Spotify sind Podcasts, in denen sich leicht Werbung platzieren lässt, eine wachsende Einnahmequelle. ... So hat das Unternehmen mit dem Moderator Joe Rogan einen 100-Millionen-Dollar-Vertrag abgeschlossen. ... Auf Joe Rogan zu verzichten, würde einen großen Einbruch bei den Werbeeinnahmen bedeuten. Das könnte [aber] auch passieren, wenn Rogan bei Spotify bleibt, weitere Künstler ihre Werke von der Plattform nehmen und die Kunden abwandern. … Was immer Spotify macht, das Geschäft steht auf Messers Schneide.“

De Volkskrant (NL) /

Es gibt keinen magischen Filter für Desinformation

De Volkskrant begrüßt, dass Spotify den Warnhinweis eingefügt hat:

„Erneut wurde deutlich, dass es nur noch wenige Online-Plattformen gibt, die sich hinter dem naiven Gedanken verstecken können, dass sie nur eine Durchreiche sind. Sogar Spotify ist mehr als eine einfache Jukebox. ... Damit ist eine Verantwortung verbunden, die (noch) nicht gesetzlich festgeschrieben ist. ... Es werden Gesetze vorbereitet, aber ein magischer Filter für Desinformation ist undenkbar: Schlicht, weil die Grenze zwischen Information und Desinformation nicht immer deutlich ist. ... Daher ist es gut, dass alle Betroffenen nun selbst einen Anfang mit dieser Verantwortung gemacht haben.“

Upsala Nya Tidning (SE) /

Mangel an Regularien öffnet Willkür Tür und Tor

Upsala Nya Tidning wünscht sich einheitliche Regeln für Veröffentlichungsplattformen wie Spotify oder Twitter:

„Das Grundprinzip sollte sein, dass Unternehmen selbst entscheiden, mit wem oder welche Geschäfte sie machen wollen. Aber Unternehmen sind etwas anderes als staatliche oder juristische Institutionen. Wo es keine klaren Regeln gibt, öffnen sich Türen für Willkür, Shitstorms - und Druck, etwa von Staaten. Joe Rogan und Trump können sich unabhängig von den Entscheidungen einzelner Unternehmen durchsetzen. Aber was ist mit Bürgern, die willkürlich suspendiert werden, weil ein Haufen Leute Accounts melden, oder dem Podcast, den eine wirtschaftlich starke Diktatur stoppen will?“