Putin lässt Getreide-Deal platzen

Russland hat das im Juli ausgehandelte Abkommen über den Export von ukrainischem Getreide ausgesetzt. Moskau begründete den Stopp mit angeblich ukrainischen Drohnenangriffen auf die Schwarzmeerflotte. Trotzdem sollen etliche Frachter durch den Schutzkorridor in Richtung Istanbul aufbrechen, ohne dass gesichert ist, ob Russland sie passieren lässt. Wie reagieren?

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Radio Kommersant FM (RU) /

Russland sollte sich nicht abkehren

Radio Kommersant FM sieht Russland in der Pflicht, den Deal weiterlaufen zu lassen:

„Die Lebensmittelfrachter fahren weiterhin über das Schwarze Meer, was bedeutet, dass der Deal zu einem gewissen Grad funktioniert. Sollte jedoch auf der Route etwas passieren oder in Odessa etwas explodieren, könnte es zu Komplikationen mit dem Partner Recep Tayyip Erdoğan kommen: Dieser hat seine feste Entschlossenheit bekundet, trotz des Schwankens der Russischen Föderation die Frachter abzufertigen. Wobei Russland, wenn es an der Vereinbarung nicht beteiligt ist, auch nicht garantieren kann, dass nichts dergleichen plötzlich passiert. Weshalb es dann keine Vorwürfe gegen Russland geben sollte. Doch das ist die Theorie, in der Praxis läuft es mitunter anders. Es könnte durchaus Vorwürfe gegen Moskau geben.“

republica.ro (RO) /

Es gibt auch Alternativen

Zur Not kann der Getreideexport auch über andere Routen erfolgen, meint Agrarberater Cezar Gheorghe auf republica.ro:

„Falls Russland erneut eine Blockade vor Odessa errichtet, hätte die Ukraine Optionen, diese Sackgasse zu umschiffen: die über Rumänien, Polen und Ungarn geschaffenen Transportrouten. Es gibt auch Routen für Binnenschiffe über die Donau. Zugleich sind Schienen- und Landwege vorhanden. Mit ein bisschen mehr Offenheit und Einsatz auch über weitere neue Grenzübergänge wird die Ukraine ihre Waren weiter exportieren können. Schwer zwar, doch sie kann es. Die EU und die angelsächsischen Verbündeten werden der Ukraine jede nötige Hilfe anbieten. Sie werden der russischen Erpressung unter keinen Umständen nachgeben.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Moskau ein Angebot machen

Man wird wohl mit Putin reden müssen, konstatiert die taz:

„Gespräche mit Moskau [gelten] inzwischen als Verrat. Doch das ist zynisch, denn die Leidtragenden für einen kompletten Abbruch der Gespräche wären die Ärmsten der Armen der Welt, Menschen, die mit dem Krieg in der Ukraine nichts zu tun haben. Wer in den USA und Europa will, dass die Getreidelieferungen weitergehen, darf deshalb nicht nur 'Erpressung' rufen, sondern muss Putin ein Angebot machen, so schmerzlich das auch sein mag.“

Aargauer Zeitung (CH) /

Mit dem Mann lässt sich kein Deal aushandeln

Der Kreml schadet sich mit dem Rückzug aus dem Getreidedeal vor allem selbst, meint die Aargauer Zeitung:

„Die Ukraine dürfte seine Reaktion vorhergesehen haben: Mit dieser isoliert sich der Kreml-Chef international noch mehr. Und das in einem Moment, wo anfängliche Verbündete wie China und Indien sich nach und nach von Russland distanzieren. Selenskis Stab hat erkannt, dass eine der wenigen Optionen, die Putin noch verblieben sind, der Widerruf des in den Augen der Kreml-Propagandisten eh widersinnigen Getreidedeals ist. Und den Kriegstreiber zu genau dieser Reaktion provoziert. … Wenn er das Getreideabkommen bei der erstbesten Gelegenheit als Druckmittel missbraucht, zeigt das überdeutlich: Mit diesem Mann lässt sich kein Deal aushandeln.“