Was taugt Italiens Übergewinnsteuer für Banken?

Die italienische Regierung will eine Steuer auf Übergewinne von Banken einführen. Mit dieser neu eingeführten 40-prozentigen Abgabe hofft die Regierung, "einige Milliarden" Euro einzunehmen, um die Bürger zu entlasten, erklärte der Vize-Premier und Lega-Chef Matteo Salvini. Europas Presse ordnet den Schritt ein.

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Corriere del Ticino (CH) /

Kleines Sommer-Zwischenspiel

Die Übergewinnsteuer wird von kurzer Dauer sein, glaubt Corriere del Ticino:

„Nur ein Teil des Gewinns soll zusätzlich besteuert werden, und auch nur dann, wenn er einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. ... Angesichts der anfänglich heftigen Reaktion der Finanzmärkte und der wichtigen Interessen, die auf dem Spiel stehen - sowie des Kommunikationswirrwarrs mit Korrekturen in letzter Minute - wird die Verordnung im Parlament wahrscheinlich nur von kurzer Dauer sein. Wie schon die Steuermaßnahme, die ein Jahr zuvor für die Gewinne von Ölgesellschaften verabschiedet wurde, von Mario Draghi, Giorgia Melonis Vorgänger, dem man gewiss keine populistischen Sympathien nachsagen kann. So wird auch diese 'Zusatzsteuer' mehr für Sommer-Kontroversen sorgen als zusätzliche Steuereinnahmen einbringen.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Auf die Details kommt es an

Eesti Päevaleht findet, dass die Steuer durchaus Sinn macht:

„Die technischen Details der Bankenabgabe müssen trotzdem gut durchdacht sein. Inwieweit die negativen Auswirkungen, vor denen Banker warnen, eintreten, hängt von den Details ab. Sie würde weniger schmerzen als andere Steuererhöhungen oder neue Steuern. ... Wenn die Banken höher besteuert werden sollen, dann schnell. Wir weisen außerdem darauf hin, dass jeder, der ein wenig Geld übrig hat, die Banken auch selbst ein wenig 'besteuern' kann. Anstatt das Geld auf einem Girokonto zu halten, kann er es auf einem Festgeldkonto anlegen, auch wenn es nur für einen Monat ist, denn selbst für eine einmonatige Anlage gibt es ein paar Prozent Zinsen pro Jahr.“

Handelsblatt (DE) /

Juristisch fragwürdig und wirtschaftlich riskant

Das Handelsblatt sieht schwere Fehler:

„Erstens ist die Sondersteuer für eine einzelne Branche aus rechtlicher Sicht fragwürdig. Wer entscheidet, was ein ungerechtfertigter 'Übergewinn' ist und was ganz normale Profite, die helfen, den Bankensektor wirtschaftlich gesund zu halten? ... Das zweite und gewichtigere Problem aber ist in der Tat die Finanzstabilität, die Meloni mit ihrem Plan ebenso leichtfertig wie unnötig aufs Spiel setzt. Die Sondersteuer ist handwerklich schlecht gemacht und wurde völlig überraschend ohne jede Vorbereitung verkündet. ... Allzu viele Fehleinschätzungen dieser Art wird sich das rechte Regierungsbündnis nicht leisten können, ohne ernsthaften und dauerhaften Schaden für Italien und die Euro-Zone insgesamt anzurichten.“

Visão (PT) /

Mutig, vernünftig, überraschend

Visão wundert sich, dass dieser Schachzug ausgerechnet von einer Rechtsregierung kommt:

„Kein Italiener hätte erwartet, dass diese Regierungschefin, Vorsitzende einer rechtsextremen Partei, sich mit einer einfachen, aber vernünftigen Argumentation an das Herz des Finanz- und Kapitalismussystems wendet: Es gebe eine soziale Unterstützungspflicht für Institutionen und Unternehmen aller Sektoren, die dank der Inflation und der wahnsinnigen Zinserhöhungen der Zentralbanken traumhafte Gewinne gemacht hätten und weiterhin machen würden. ... Ob links oder rechts: Es ist ein mutiger Schritt.“

La Repubblica (IT) /

Politisch motivierter Schachzug

Damit nimmt die Regierung der Opposition den Wind aus den Segeln, analysiert La Repubblica:

„Die volksfeindliche Rechte, die das Bürgergeld kürzte, verwandelt sich nur wenige Tage danach in eine soziale Rechte und ergreift eine eher unvorhergesehene Maßnahme, die die Bankenwelt trifft, der die großen Masse der Wähler nicht gerade wohlgesonnen ist. Damit zieht sie der extremen Linken den Boden unter den Füßen weg, aber auch den Cinque Stelle und einigen, vielleicht nicht gerade kleinen Sektoren des Partito Democratico. In der Tat hat man das Gefühl, dass Giorgia Meloni und vor allem Salvini im Rennen um die Zustimmung die kampferprobte Front des Linkspopulismus auf der Zielgeraden geschlagen haben.“

De Morgen (BE) /

Banken müssen Verantwortung übernehmen

De Morgen sieht einen Paradigmenwandel:

„Der Ruf, politische 'Kontrolle' zurückzuerobern, wird nun auch in die Wirtschaft übersetzt. Über Jahrzehnte war die wirtschaftliche Deregulierung die Norm und von Politikern erwartete man nur, dass sie zuschauten, wie der Markt seine Angelegenheiten selbst regelte. Es gab keine Alternative, oder? Die aufeinander folgenden Krisen zwingen Regierungen unterschiedlicher Couleur auszutesten, ob es die nicht vielleicht doch gibt. Zu Recht. Wenn Unternehmen wie Banken den Ehrgeiz haben, eine zentrale gesellschaftlich-ökonomische Rolle zu spielen, darf man sie auch auf ihre Verantwortung hinweisen.“

Les Echos (FR) /

Demagogische Fehlentscheidung

Ökonomisch ist der Schritt schlecht durchdacht, kritisiert das Wirtschaftsblatt Les Echos:

„Unglücklich ist, dass diese Entscheidung mehr mit Demagogie als mit wirtschaftlicher Effizienz zu tun hat. Das bedeutet, dass man vergisst, dass die von denselben nun kritisierten Banken fast zehn Jahre lang angebotenen Zinssätze den Unternehmen günstige Finanzierungen und den Privathaushalten günstige Verbraucherkredite ermöglichten. Vor allem bedeutet es, ihre zentrale Rolle für das Funktionieren einer Volkswirtschaft zu ignorieren. Und den Kunden jegliche Aussicht auf eine Anhebung der Vergütung ihrer Einlagen zu nehmen.“

La Stampa (IT) /

Vorgeschobenes Argument

La Stampa kritisiert die Begründung für die Bankenpolitik:

„Vizepremier Antonio Tajani erklärte, die Regierung müsse 'die Fehler der Europäischen Zentralbank korrigieren'. Tajani zufolge besteht der Fehler der EZB darin, die Zinssätze zu erhöhen, was für die Haushalte zur Verteuerung der Hypotheken führe. Die Anhebung der Zinssätze ist aber das Instrument, das alle Zentralbanken zur Bekämpfung der Inflation einsetzen. Inflation ist eine Steuer. Eine der schlimmsten, denn sie trifft die weniger Wohlhabenden am härtesten. ... Die alternative Strategie, nämlich nichts oder nur wenig zu tun, ist weitaus riskanter, weil sie zu einem dauerhaften Anstieg der Lebenshaltungskosten führen kann. ... Wer wie Tajani darauf beharrt, dass die EZB falsch liegt, verschweigt einen wichtigen Teil der Geschichte.“