Berlin erwägt offenbar Taurus-Ringtausch für Kyjiw

Im Oktober hatte die Bundesregierung die Anfrage Kyjiws nach Taurus-Marschflugkörpern vom Mai 2023 wegen deren hoher Reichweite abgelehnt. Nach Informationen des Handelsblatts erwägt Olaf Scholz nun aber ein seit Wochen vorliegendes Angebot Großbritanniens zu einem Ringtausch: Deutschland könnte Taurus-Raketen an Nato-Partner liefern, die dann im Gegenzug ähnliche Waffensysteme in die Ukraine exportieren. Eine gute Idee?

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

Jetzt Verantwortung wahrnehmen

Die Süddeutsche Zeitung ist nicht überzeugt von der Tausch-Idee:

„Man kann der Bundesregierung zwar längst nicht mehr vorwerfen, militärisch nicht viel für die Ukraine zu tun. Der Ringtausch aber ist ein Mittel, sich der Verantwortung zu entziehen, das war auch so, als es noch um Schützen- und Kampfpanzer ging. Die Ukraine bekam zwar Unterstützung, aber erst nicht das bestmögliche Material. Das kam letztlich dann meist doch noch - aber oft zu spät. Der Bundeskanzler sollte jetzt der Führungsrolle, die er für Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine reklamiert, gerecht werden. Das heißt: Taurus liefern!“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Lieber weniger Wumms als gar keiner

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung macht darauf aufmerksam, dass die britisch-französischen Modelle bei Reichweite und Zielgenauigkeit nicht ganz mit dem Taurus mithalten können:

„Aber weniger Wumms ist genau das, was Berlin will. Und die Raketen kämen dann auch nicht aus Deutschland. Die Depots der Bundeswehr wären nach dem Tausch dennoch wieder etwas leerer. Dieses 'Ringelreihen' kann man wie [die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses] Strack-Zimmermann für 'völlig bekloppt' halten. Die Ukrainer werden freilich sagen: Lieber kleinere Stiere als gar keine.“

Rzeczpospolita (PL) /

Hält sich Deutschland eine Hintertür offen?

Bei Rzeczpospolita weckt Deutschlands Zögerlichkeit bei der Taurus-Lieferung Argwohn:

„Berlin sagte nicht nein, zögerte seine Entscheidung aber hinaus. Dies entsprach der Standardtaktik, die die Regierung Olaf Scholz seit Beginn der russischen Invasion anwandte. Am Ende wurden aber doch Schützenpanzer, Panzerhaubitzen oder Leopard-Panzer an die Front geschickt. Bei Taurus ist das anders. ... Es bleibt die Frage, ob hinter der deutschen Zurückhaltung bei Taurus nicht die Befürchtung steht, dass dies die Wiederaufnahme von Beziehungen zu Moskau nach dem Krieg erschweren würde.“