Woher rührt die Polizeigewalt?

Nach dem Tod von George Floyd ist auch die Debatte über rassistisch motivierte Polizeigewalt in Europa aufgekommen. Kommentatoren beschäftigen sich mit ihren Ursachen.

Alle Zitate öffnen/schließen
Der Freitag (DE) /

Rechte tummeln sich auf den Revieren

Dass die Polizei nur ein Spiegel der Gesellschaft sein soll, weist Freitag-Herausgeber Jakob Augstein zurück:

„Linke und Grüne werden nun einmal nur selten Polizisten. In den Reihen der Polizei wird man mehr oder weniger ausschließlich auf rechte Sozis, Konservative und immer öfter auch auf ganz Rechte treffen. Richtig ist nur: Je weiter sich rechtes und rassistisches Gedankengut in der Gesellschaft verbreitet, desto größer wird das Problem und der Handlungsbedarf für die Polizei.“

RTV Slovenija (SI) /

Brutale Cops als Abendunterhaltung

Dass Polizeigewalt längst in Form von Reality Shows im Fernsehen allgegenwärtig ist, daran erinnert RTV Slovenija:

„Diese Fernsehshows, die echte Polizisten - mit Kameras am Körper - sowie echte Kriminelle zeigen, werden mit dramatischer Stimme kommentiert. Sie sind mit einem Spannungsbogen ausgestattet und haben wahrscheinlich auch einen Produzenten und einen Regisseur. Sie haben rekordhohe Einschaltquoten und sie sind hauptsächlich zur Unterhaltung gedacht. Und dann haben wir ein Mordvideo, das fast identisch den Szenen in diesen Shows gleicht. … Das heißt, bevor der Mord an George Floyd zu einem Verbrechen wurde, war er zuerst - zumindest in einigen Fernsehprogrammen - eine ständig verfügbare Unterhaltung.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Beamte nicht besser als Rest der Gesellschaft

Die taz hat Videos und Bilder veröffentlicht, die Polizeigewalt am Rand einer Demo am vergangenen Samstag in Berlin dokumentieren. Diese zeigten, dass auch in Deutschland Polizeibeamte mit unangemessener Brutalität vorgehen:

„[U]nd immer wieder treffen solche Vorfälle, aber auch angeblich zufällige Personenkontrollen, bevorzugt Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Das ist erst einmal wenig überraschend. Wenn ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung rassistische Ressentiments hegt, warum sollten dann ausgerechnet Polizisten davor gefeit sein? ... Deshalb sind die Versuche mancher Politiker und Gewerkschafter, Polizisten als Berufsgruppe per se eine Unschuld zu unterstellen, nicht nur eine Verhöhnung der Opfer, sie verweigern sich schlicht der Realität. Ebenso falsch wäre es allerdings, zu unterstellen, dass die deutsche Polizei generell rassistisch verseucht sei.“

Politis (FR) /

Polizisten setzen nur um, was die Regierung vorgibt

In Frankreich war 2016 Adama Traoré ähnlich wie George Floyd an den Folgen einer gewaltvollen Verhaftung gestorben. Dass auch hier immer wieder rassistisch begründete Polizeikontrollen stattfinden, hat für Politis vor allem eine Ursache:

„Das Handeln der Polizei ist zu stark mit der Regierungspolitik verknüpft. Der Skandal um die Kontrollen aufgrund der Hautfarbe ist die nicht hinnehmbare, aber ganz reale Konsequenz der sozialen Diskriminierungen sowie einer desaströsen Stadtentwicklungspolitik. Es ist die Umsetzung vor Ort - ich wage zu sagen: die polizeiliche Umsetzung - einer Politik, die nicht auf den Revieren entschieden wird. … Die Polizei macht in etwa das, womit man sie beauftragt. Gewiss, man fordert sie nicht auf, rassistisch zu sein - übrigens ist wahrscheinlich die Mehrheit der Polizisten dies nicht -, aber man versetzt sie in die Lage, es zu sein.“