Fischereistreit nach dem Brexit

Nach dem Brexit streiten sich Frankreich und Großbritannien um Fischereilizenzen im Ärmelkanal. Französische Fischerboote drohten mit der Blockade der Kanalinsel Jersey. Beide Länder schickten Marineschiffe. Was nötig ist, um solche Konfrontationen zu verhindern, diskutiert die Presse.

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The Daily Telegraph (GB) /

Warum der Schuss vor den Bug nötig war

Den Einsatz der britischen Marine hält The Daily Telegraph für angemessen:

„Johnson entsandte die Kriegsschiffe aus doppeltem Grund. Erstens, um den Menschen auf Jersey zu versichern, dass Großbritannien nicht zulässt, dass sie von einer europäischen Großmacht eingeschüchtert, unter Druck gesetzt oder gemobbt werden. Das ist nichts weniger als die Pflicht der britischen Regierung, die verfassungsmäßig für die Verteidigung der Insel verantwortlich ist. Die zweite Absicht bestand darin, Frankreich ein klares Signal zu senden, dass es an der Zeit ist, seine widerspenstigen und aggressiven Fischkutter-Besatzungen unter Kontrolle zu bekommen, bevor die Dinge wirklich aus dem Ruder laufen.“

Népszava (HU) /

Politisch fabrizierter Sprengstoff

Eine gesamtwirtschaftlich eher nebensächliche Frage wird hier aus innenpolitischen Interessen in den Mittelpunkt gestellt, kritisiert Népszava:

„Es geht höchstens um 180.000 Arbeitsplätze von den fast 200 Millionen innerhalb der Europäischen Union. Und auch auf der britischen Seite sieht das nicht anders aus: Fischerei stellt 0,02 Prozent des BIP dar. Trotzdem haben die beiden Seiten eine prinzipielle (und innenpolitische) Frage aus der Regelung gemacht. ... In den Küstengebieten ist die Fischereiquote nämlich eine wichtige wirtschaftliche Angelegenheit und in den Hauptstädten kann man sie gut nutzen, um daraus einen nationalistischen Sprengstoff zu fabrizieren.“

La Stampa (IT) /

Dringend eine Verhandlungsbasis schaffen

Solche Streitfälle könnten massenhaft hochkochen, falls sich Brüssel nicht endlich um eine effektive Vermittlung mit London bemüht, prophezeit La Stampa:

„Das Brexit-Abkommen in letzter Minute hat viele große und kleine Probleme ungelöst gelassen. Werden sie nicht angesprochen, entwickeln sie sich zu Amokläufern. ... In der Post-Brexit Ära müssen EU und Vereinigtes Königreich den gesunden Menschenverstand bemühen und wieder lernen, miteinander zu reden. London ist nach wie vor eine große europäische Hauptstadt - das war es in seiner ganzen Geschichte. Brüssel kann nicht weiter die Fiktion aufrechterhalten, dass das Vereinigte Königreich nur irgendein 'Drittland' ist.“