Schlappe für Merkel und Macron: EU gegen Putin-Treffen

Angela Merkel und Emmanuel Macron wollten nach dem Biden-Putin-Gipfel den eigenen außenpolitischen Gestaltungsanspruch der EU unterstreichen und hatten deshalb kurz vor dem EU-Gipfel letzte Woche vorgeschlagen, ein Treffen mit Russland abzuhalten. Das scheiterte nun vor allem am Widerstand Polens und des Baltikums. Auch andere Mitgliedsländer fühlten sich überrumpelt.

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Handelsblatt (DE) /

Schlechtes Zeichen

Der Vorschlag zeigt, wie Außenpolitik in der EU nicht funktioniert, kritisiert das Handelsblatt:

„Auch die beiden mächtigsten Politiker in Europa können ihre Kollegen aus dem Osten nicht an einen Tisch mit Wladimir Putin zwingen. ... Dass man sich nun auch noch bei Russland auf offener Bühne miteinander streitet, ist ein schlechtes Zeichen. Merkel und Macron hätten das mit ein paar Anrufen vermeiden können. Stattdessen tat Merkel nach dem EU-Gipfel so, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis man die anderen Staats- und Regierungschefs von einem Treffen mit Putin überzeugt habe. Diese Haltung macht eine Einigung schwierig.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Osten möchte nicht übergangen werden

Den nordosteuropäischen EU-Ländern konnte die Idee nicht gefallen, erklärt die Neue Zürcher Zeitung:

„Zwischen den Falken im Osten, vor allem den Balten und Polen, sowie Ländern wie Italien, Griechenland, aber auch Österreich und Ungarn liegen Welten. Erstere sehen Russland als eine existenzielle Bedrohung, Letztere verbinden mit ihm in erster Linie wirtschaftliche Chancen. ... In Bezug auf Russland wird die EU auf lange Sicht also kaum handlungsfähig sein. Das ist bedauerlich. In manchen osteuropäischen Ländern verbindet sich damit aber noch ein anderes Gefühl: Die Niederlage von Frau Merkel wirkt beruhigend. Es ist zwar übertrieben, doch aus historischen Gründen irgendwie nachvollziehbar: Diese Länder fürchten eine Verständigung zwischen Berlin und Moskau, die über ihre Köpfe hinweg geschieht.“

Naftemporiki (GR) /

Übertriebene Angst vor dem "russischen Bären"

Die baltischen Länder sollten ihre Haltung überdenken, schreibt Naftemporiki:

„Schließlich haben die baltischen Länder, die im 'Kalten Krieg' gegen Russland an vorderster Front zu stehen scheinen, Verhaltensweisen in ihrer Liste, die mit den angenommenen europäischen Werten nicht übereinstimmen. In den baltischen Ländern werden die SS-Bataillone offiziell geehrt, während die russische Minderheit mit Problemen und Diskriminierung konfrontiert ist. ... So wie die stalinistische Unterdrückung das Achsenbündnis und den weit verbreiteten Antisemitismus in diesen Ländern während des Zweiten Weltkriegs nicht rechtfertigen kann, so kann die derzeitige Angst vor dem 'russischen Bären' nicht den Versuch rechtfertigen, eine europäische Annäherung mit Russland zu untergraben.“

Ria Nowosti (RU) /

Angelsachsen-Fraktion zersetzt die EU

Ria Nowosti sieht in dem fehlendem Konsens ein Zeichen für die Schwäche der EU:

„Berlin setzte auf seine Macht und seine Fähigkeit, eine Entscheidung durchzudrücken, zumal nach dem Ausscheiden Großbritanniens: Wenn Berlin und Paris an einem Strang ziehen, wer sollte da noch gegenhalten? Höchstens der sture Orbán. Doch wie sich zeigt, widersetzt sich die pro-amerikanische und pro-angelsächsische Fraktion in der EU dem Willen der franko-deutschen Allianz. Und nimmt der EU damit nicht nur den Mut, sondern auch die Selbstständigkeit, die Handlungsfreiheit und die strategischen Pläne. Sie macht also das, was man immer Russland vorwirft: die EU zu zersetzen.“