Waldbrände: Von wegen machtlose Politik

Seit Wochen toben in Südeuropa verheerende Waldbrände. Sie sind vielerorts noch nicht unter Kontrolle, während die nächste Hitzewelle schon bevorsteht. Und auch in Sibirien wüten die heftigsten Waldbrände seit Jahren: Fast vier Millionen Hektar Wald stehen in Flammen. Kommentatoren stellen klar, dass neben der Klimaerwärmung auch andere Faktoren diese Katastrophen wahrscheinlich machen - und dass die einzelnen Staaten hier sehr viel tun könnten.

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Le Monde (FR) /

Die wahren Experten wurden vertrieben

Dass in den letzten Jahren rund um den Globus die Feuer derart stark gelodert haben, ist auch auf einen Ethnozid zurückzuführen, erklärt Philosophin Joëlle Zask in Le Monde:

„Der Busch ist Opfer immenser Brände, die keine menschliche Technologie beherrschen mag, so ausgefeilt sie auch sein mag. Das liegt auch daran, dass die Völker, die sich seit 50.000 Jahren um den Wald kümmern, wenn sie nicht gar dezimiert wurden, so zumindest die Möglichkeit verloren haben, die Artenvielfalt zu schützen und die Landschaft zu pflegen. … Angesichts der absoluten Ohnmacht der westlichen Rationalität ruft man heute indigene Ranger, amerikanische Ureinwohner, korsische Förster, kalifornische Tierzüchter und sibirische Völker zur Hilfe. ... Hoffen wir, dass ihre 'Feuerkultur' und ihre Naturwissenschaften der Erstürmung durch die 'Zivilisation' besser standgehalten haben als die brennende Natur.“

Der Standard (AT) /

Strafgerichtshof gegen Umweltverbrechen

Eine ganze Reihe von Handlungsoptionen zählt Der Standard auf:

„Der Mittelmeerraum werde zum 'Hotspot des Klimawandels', warnte der Weltklimarat. Kann man das aufhalten, umkehren? Man kann ... Man muss die Landschaft umgestalten. Die Türkei hat aufgeforstet, aber mit den im Mittelmeerraum dominanten Kiefern, und die brennen halt sehr leicht. Überdies müsste die Landflucht rückgängig gemacht werden. ... Vielleicht braucht es einen internationalen Strafgerichtshof für Umweltverbrechen? Wo dann die politischen Regenwaldverbrenner aus Brasilien oder Indonesien landen. Auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ... war einmal nur eine Idee.“

Il Manifesto (IT) /

Vergessene Erde

Il Manifesto skizziert, wie sich in Italien Entvölkerung und Verödung auswirken:

„Im Landesinneren, in den Apenninen und Vorapenninen, gehen fruchtbare Böden verloren, Wohngebiete werden verlassen, Wälder verfallen. Neben dem Klimawandel ist die Abwesenheit des Menschen der Hauptgrund für große und verheerende Brände wie jene, die die Wälder Sardiniens und Siziliens vernichtet haben und in Kalabrien und anderswo noch immer wüten. Was fehlt, ist die einstige Land- und Forstwirtschaft, die Pflege der Wälder und der angrenzenden Gebiete. Die Brände zerstören nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, das pflanzliche Erbe und die Schätze der biologischen Vielfalt, sondern verwandeln auch die Hochwälder, die Italiens Wasserspeicher sind, in verkohlte Böden und damit prädestinierte Angriffsfläche für Erdrutsche.“

eldiario.es (ES) /

Explosiver Cocktail im ländlichen Raum

In eldiario.es erklärt Lourdes Hernández, Verantwortliche bei WWF Spanien für das Waldprogramm und Autorin des Berichts The Planet on Fire:

„Hinter diesen Superbränden, die apokalyptische Bilder hinterlassen, stehen [außer der Klimaerwärmung] auch andere Faktoren, die die mediterrane Landschaft zu einem explosiven Cocktail machen: strukturelle Ursachen wie die Landflucht, das Aufgeben von Nutzungen, schlechte Waldbewirtschaftung, Bauten im Wald ohne Schutzmaßnahmen und eine katastrophale Politik in Sachen Forst und ländliche Entwicklung, die weder die Bevölkerung bindet noch Arbeitsplätze schafft. ... Spanien könnte das nächste Land sein, das jeden Moment in Flammen aufgeht ... Worauf warten wir noch?“

Iswestija (RU) /

Es gibt keinen Zauberstab - aber genug zu tun

Der Ökologe Andrej Schtschegolow fordert in Iswestija eine ausgereifte Präventionsstrategie:

„Jahr für Jahr brennt in Russland mehr Wald. ... Es besteht kein Zweifel, dass diese Dynamik vorrangig mit dem Klimawandel zu tun hat. Die feuergefährliche Saison wird länger, die Häufigkeit und die Intensität von Dürren, Hitzeperioden und starken Winden nehmen zu. In der Folge steigt die grundsätzliche Brandgefahr, werden die Brände stärker und breiten sie sich schneller aus. Wenn diese gesteigerten Risiken durch eine Verhaltensänderung der Menschen und eine bedeutsame Erhöhung der Brandschutzausgaben kompensiert würden, könnten wir den negativen Trend aufhalten. ... Es gibt keinen Zauberstab, der das Waldbrandproblem lösen könnte - nur gründliche und systematische Arbeit.“