Gemischtes Echo auf Scholz' Europarede

In seiner Rede vor dem EU-Parlament am 9. Mai hat Bundeskanzler Scholz den Europatag als Antwort auf den Zweiten Weltkrieg, auf "zerstörerischen Nationalismus und imperialistischen Größenwahn" gewürdigt. In der Zukunft müsse Europa geopolitisch weiter auf die USA als Partner bauen, China verhalte sich eher als Rivale. Zudem forderte Scholz mehr Ratsentscheidungen mit qualifizierter Mehrheit statt verpflichtender Einstimmigkeit.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Gegenentwurf zu Macron

Die Vision des französischen Präsidenten teilt Scholz offensichtlich nicht, analysiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Scholz widersprach ausdrücklich der Vorstellung, dass sich die Welt bi- oder tripolar aufteilen lasse. ... Letzteres ist Macrons Konzept für ein neues, diesmal globales Konzert der Mächte. ... Der Kanzler plädierte stattdessen für ein Europa, das seinen Platz nicht über oder unter anderen Ländern sucht, sondern Partnerschaften 'auf Augenhöhe' mit anderen Staaten anstrebt, vor allem in Asien, Südamerika und Afrika – und natürlich weiter die Vereinigten Staaten als 'wichtigsten Verbündeten' betrachtet. ... Ob es wirklich das bessere Rezept für die Zukunft Europas ist, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Die Stichworte lauten Trumpismus und Deglobalisierung.“

Badische Zeitung (DE) /

Chance vertan

Scholz ist in vielen Dingen zu unkonkret geblieben, moniert die Badische Zeitung:

„Wie etwa will man bei der gemeinsamen Verteidigung und Rüstung vorankommen, um in fairer Partnerschaft mehr Eigengewicht auf die Waage zu bringen? Wie endlich das Asylchaos ordnen, damit dieser Streit nicht länger Europas Zukunft lähmt? Wie in der Außenpolitik vom Einstimmigkeitsprinzip zu dem einer qualifizierten Mehrheit kommen? Der Kanzler sprach Schwächen an, Lösungen blieb er schuldig. Das reicht als deutscher Beitrag für Europas Perspektive nicht aus.“

wPolityce.pl (PL) /

Bitte keine Abkehr von der Einstimmigkeit

Jadwiga Wiśniewska, EU-Parlamentarierin der polnischen Regierungspartei PiS, graut in wPolityce vor der Vision des Kanzlers:

„Die EU von Scholz ist eine EU, die mit einer Stimme spricht. Was bedeutet das in der Praxis? Der Verzicht auf die Einstimmigkeit in zentralen Fragen der EU. Scholz nannte hier Außenpolitik, Sicherheit und Steuern. Wie eine deutsch geprägte Außenpolitik aussieht, haben der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und die Energiekrise der gesamten EU brutal gezeigt. ... Ironischerweise versuchte Scholz zu argumentieren, die Abkehr von der Einstimmigkeit würde die Interessen der Mitgliedsstaaten besser schützen.“