Niederlande: Wilders' Wahlsieg treibt Europa um

Nach seinem Wahlsieg hat der Rechtspopulist Geert Wilders angekündigt, eine Regierung bilden und Premier werden zu wollen. Unklar ist, mit wem seine PVV koalieren könnte. Kommentatoren fragen sich, ob ein Bündnis etwa mit der rechtsliberalen langjährigen Regierungspartei VVD, der Bauer-Bürger-Bewegung BBB und der zentristischen NSC möglich wäre und was das für Europa bedeuten könnte.

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tagesschau.de (DE) /

Brüssel muss sich für mehr Querulanten fit machen

Für tagesschau.de nährt das Ergebnis auch eine dunkle Vorahnung davon, was nach den Europawahlen Anfang Juni 2024 los sein könnte:

„Die europaweiten Umfragen - etwa rund 20 Prozent für die AfD in Deutschland - geben die Prognose her: Rechtspopulistische, tendenziell euroskeptische Parteien könnten im Europaparlament die Überhand gewinnen. ... Umso wichtiger daher, dass sich die EU als Ganzes fit macht: Reformen, transparentere Entscheidungen, mehr Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeitsprinzip. Das hieße zumindest: fit, resilienter und besser vorbereitet auf Anti-Europäer in Reichweite der Machthebel Europas.“

Sydsvenskan (SE) /

Stürmische Zeiten für den Europäischen Rat

Sydsvenskan ist pessimistisch:

„Geert Wilders könnte Europas neuer Albtraum werden. ... Denn während er seine Rhetorik gegen die Einwanderung gedämpft hat, gibt es keine Hinweise darauf, dass er dasselbe mit der Kritik an der EU tun wird. Obwohl es keine Anzeichen dafür gibt, dass die niederländische Wählerschaft Großbritannien folgen und die Union verlassen möchte, könnte ein Premier wie Wilders zusammen mit anderen extrem rechten Anführern die Dynamik am Tisch des Europäischen Rates radikal verändern. ... Eine niederländische Regierung ist noch lange nicht gebildet. Aber die Wähler haben gesprochen, und das Ergebnis verheißt nichts Gutes für die bisher wichtige Rolle der Niederlande als stabilste liberale Demokratie Europas.“

Neatkarīgā (LV) /

Tiefgreifende Krise des politischen Systems

Für Neatkarīgā gerät die Welt langsam aus den Fugen:

„Der Sieg von Wilders in den Niederlanden gibt Anlass zur Sorge. Seine einwanderungsfeindliche und antiislamische Rhetorik, die auch vielen lettischen Rechten das Herz erwärmt, geht einher mit Abneigung gegen die EU, gegen Hilfe für die Ukraine und einer mehr oder weniger direkte Unterstützung für Putin. Auf jeden Fall entspricht Wilders' Sieg kaum den Interessen Lettlands. Er stärkt nur das Lager von Orbán, Fico und anderen. ... Aber es geht längst nicht mehr um Milei, Wilders, Orbán, Trump oder andere Politiker. Wir müssen über etwas darüber hinaus Gehendes reden: Über die Krise des politischen Systems oder sogar den Zusammenbruch der bestehenden Weltordnung.“

De Standaard (BE) /

Alarmglocken für Belgien

Für De Standaard wirft Wilders Sieg allgemeine Fragen zum Umgang mit extrem rechten Parteien auf:

„Ist es demokratisch anständig, den deutlichen Sieger am Rand stehen zu lassen? Oder wiegt sein Profil, das die pluralistischen Fundamente unserer Gesellschaft in Frage stellt und aus anti-institutionellem Extremismus eine Lebenshaltung gemacht hat, schwerer? ... Dies ist ein Wake-up-Call, der zum Nachdenken darüber anregen muss, warum man mit dem [extrem rechten] Vlaams Belang nicht zusammen arbeiten kann. ... Parteien werden Wähler in einem angemessenen Ton überzeugen müssen. Wer jede Arbeit der Regierenden niedermacht und Belgien als ein abgesoffenes Land darstellt, muss sich hinterher nicht wundern, wenn der Wähler seinen Mittelfinger zeigt.“

Krytyka Polityczna (PL) /

Gemischte Gefühle bei Polens radikaler Rechter

Vor allem das Verhältnis zu Russland unterscheidet Wilders von Polens Ultrarechten, bemerkt Krytyka Polityczna:

„Wilders' großes Comeback hat in der europäischen extremen Rechten Euphorie ausgelöst: Le Pen, Salvini, die Führer der spanischen Vox und der deutschen AfD überbieten sich in Glückwünschen. Die Politiker der polnischen Konfederacja sind etwas zurückhaltender, und das aus gutem Grund: Sie teilen zwar die einwanderungsfeindlichen Forderungen, die sich gegen Muslime richten, wie etwa das Verbot von Moscheen oder die Zensur des Korans, doch es gibt ein grundlegendes Problem: Wilders will auch weniger Polen. ... Gleichzeitig hegt der niederländische Nationalist große Sympathien für Putin und kritisiert regelmäßig die Hilfe für die Ukraine.“

republica.ro (RO) /

Düstere Aussichten für Schengen-Erweiterung

Republica.ro schreibt:

„Ein konservatives Parlament oder eine konservative Regierung könnte am Veto gegen Bulgarien festhalten und so unseren [Schengen-]Beitritt unmöglich machen. … Was uns den Atem anhalten lässt, ist, dass Aussichten auf eine solche Koalition nach den Wahlen bestehen. ... Drei Parteien teilen sehr konservative Vorstellungen: Sie alle wollen weniger Migranten, das Bleiberecht erschweren und die Erweiterung der EU verlangsamen. ... Rutte und die VVD waren stets gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zu Schengen. Wilders und seine PVV haben versucht, ein Referendum zum Austritt der Niederlande aus der EU anzuzetteln. Pieter Omtzigt vom NSC war und ist ebenfalls gegen die Erweiterung von Schengen.“

gazeta.ua (UA) /

Schlechte Nachricht für die Ukraine

Politologe Wiktor Andrussiw macht sich in einem von gazeta.ua übernommenen Telegram-Post Sorgen um die weitere Unterstützung seitens der Niederlande:

„Inzwischen erweitert der Agent Viktor Orbán seinen Club in der EU – die Niederlande, wo Geert Wilders die Wahl gewonnen hat, schließen sich ihm an. Er ist genauso Populist, Antieuropäer und Antiukrainer. Das Problem ist nicht, dass Populisten gewinnen, sondern dass sie eine antiukrainische Haltung haben. Und der Grund dafür ist, dass die Masse der Wähler beginnt, eine solche Haltung zu vertreten. Schlechte Nachrichten für uns, insbesondere in Anbetracht dessen, dass die Niederlande als erstes Land die Lieferung ihrer F-16 [an die Ukraine] zugesagt hatten.“

NRC (NL) /

Viel Frust, wenig Gemeinsamkeiten

NRC analysiert:

„Die Ära Rutte endet mit einer rechtspopulistischen Revolte, die das Fundament des Binnenhofs [Regierungsviertel] erschüttert. ... Wilders hat davon profitiert, dass Asyl und Migration für viele Wähler ein wichtiges Thema ist. ... Das Resultat zeugt auch von großem Frust über den Zustand, in dem der scheidende Premier Rutte die Niederlande zurücklässt. ... Inhaltlich wird eine rechte Koalition der PVV mit [rechtsliberaler] VVD und [der neuen Zentrums-Partei] NSC nicht einfach. Die Parteien könnten sich auf den Wunsch einigen, die Zuwanderung in die Niederlande stark zu begrenzen, und sie sind angesichts ihrer Wahlprogramme möglicherweise bereit, die Grenzen der europäischen Verpflichtungen herauszufordern. Bei vielen anderen Themen wäre eine Zusammenarbeit viel komplizierter.“

De Telegraaf (NL) /

Koalieren und Krisen angehen

Nach Wilders' Wahlsieg müssen andere Parteien über ihren Schatten springen und eine Zusammenarbeit mit ihm in Betracht ziehen, fordert De Telegraaf:

„Die Asylpolitik ist am Ende, der Wohnungsmarkt total blockiert und immer mehr Menschen haben unter anderem wegen der hohen Energiepreise Probleme, mit ihrem Geld auszukommen. Inzwischen steht das Unternehmensklima in unserem Land unter Druck und es gibt Klimaziele, sodass Entscheidungen getroffen werden müssen. ... Es geht nicht anders, und manch andere Partei muss jetzt ihr Wahlversprechen zu Koalitionspartnern brechen. Nur so ist in absehbarer Zeit eine Regierungsbildung möglich. Und die ist angesichts der zuvor genannten Krisen dringend nötig.“

Club Z (BG) /

Ein Albtraum für Bulgarien

Club Z befürchtet Schlimmes nach dem Wahlsieg von Wilders:

„Er ist nicht nur gegen unseren Schengen-Beitritt, in der Vergangenheit hat er wiederholt den Ausschluss Bulgariens und Rumäniens aus der EU gefordert. Im Jahr 2012 veröffentlichte er eine Webseite, auf der die Niederländer ihre 'Probleme' mit Bürgern einiger europäischer Länder teilen konnten. Auf der Homepage stand folgende Nachricht: 'Machen sie Ihnen Probleme? Oder haben Sie Ihren Job wegen eines Polen, eines Bulgaren, eines Rumänen oder eines anderen Mitteleuropäers verloren? Wir würden uns freuen, von Ihnen zu hören.' ... Wie es aussieht, werden sich unsere Diplomaten bald mit dem wilden Rassismus von Wilders und seinen Kämpfern für eine 'problemfreie' Niederlande herumplagen müssen.“

Polityka (PL) /

Europas Rechte feiert

Polityka sieht eine breitere Entwicklung in Europa:

„Die Niederlande sind Teil eines weiteren Trends und werden zum nächsten Land, in dem - wie zuvor unter anderem in Italien oder Schweden - Parteien des rechten Spektrums innerhalb des sogenannten Mainstreams von der radikalen oder systemfeindlichen Rechten überholt werden. Wilders' Erfolg ist Rückenwind für die europäischen Nationalisten. 'Wind of Change' erkannte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Auch Frankreichs Marine Le Pen beeilte sich, zu gratulieren und Hoffnung auf einen Wandel auf dem Kontinent zu bekunden. Die deutsche AfD zeigte sich hoch erfreut und übertrieb ziemlich mit der Feststellung, dass 'überall in Europa die Bürger einen politischen Wandel wollen'.“