EU: Ungarn in Bedrängnis?
Bisher 20 EU-Mitgliedstaaten fordern in einer gemeinsamen Erklärung, die EU müsse alle Sanktionsoptionen gegenüber Ungarn ausschöpfen, wenn Budapest die im März und April beschlossenen Einschränkungen von LGBT-Rechten nicht zurücknehme. Parallel brachte der deutsche Kanzler Merz Sanktionen gegen Ungarn sowie die Slowakei auch als Druckmittel gegen deren von der EU-Mehrheit abweichende Ukraine- und Russland-Politik ins Spiel.
Die Geduld ist am Ende
Noch schützt das Recht Ungarn vor dem Zorn der EU-Mehrheit, analysiert 444:
„Es besteht keine große Chance, im derzeitigen Rechtsrahmen wesentliche Fortschritte zu erzielen, da zu konkreten Sanktionen gegen Ungarn, einschließlich des Stimmrechtsentzugs, der zuweilen nukleare Option genannt wird, die Zustimmung aller Mitgliedstaaten nötig wäre. ... In Anbetracht dessen ist es bemerkenswert, dass mehrere Mitgliedstaaten in einer zunehmend ungeduldigen Weise fordern, dass jetzt endlich etwas getan werden muss. ... Der Auftritt Deutschlands ist besonders interessant. Die neue deutsche Regierung wurde erst vor drei Wochen gebildet, hat aber bereits mehrmals deutlich signalisiert, dass sie bereit sei, eine härtere Haltung gegenüber Ungarn einzunehmen.“
Hart durchgreifen – auch aus Selbstschutz
Die EU muss mit Blick auf ihre eigene Zukunft klare Kante zeigen, fordert La Libre Belgique:
„Wie wird ein Land, das enge Beziehungen zu US-Präsident Trump, zu Moskau und Peking unterhält, künftig handeln? Die Frage betrifft die Sicherheit der EU. Ungarn überschreitet Grenzen. Seine Rechtsstaatsverletzungen sind schwerwiegend und fortdauernd und Budapest höhlt das europäische Projekt von innen aus. Es braucht eine entsprechende Reaktion, indem man Ungarn noch stärker finanziell bestraft und ihm vielleicht auch seine Stimme auf der europäischen Bühne entzieht. Wenn die EU unfähig ist, einen Mitgliedsstaat zu sanktionieren, der in eine Demokratur abgleitet, zöge das hohe Kosten und schlimme Folgen nach sich.“
Der Kanzler schießt übers Ziel hinaus
Pravda hält Friedrich Merz' Kritik an der Slowakei für inhaltlich berechtigt, aber wenig diplomatisch:
„Merz hat recht: Es darf nicht sein, dass zwei kleine Länder wichtige EU-Entscheidungen blockieren können. ... Die EU wird so nicht vorankommen, im Gegenteil, sie wird zu zerfallen beginnen. Dieses Thema muss in der Union ernsthaft diskutiert werden. ... Wir sollten die Wahrnehmung der Slowakei durch unsere Partner nicht unterschätzen. Doch Merz selbst sollte sich darüber im Klaren sein, dass er bereits an der Spitze der Regierung steht und nicht mehr Chef des deutschen Ablegers eines berüchtigten US-Hedgefonds ist. Nachdem er bei seinem ersten Versuch, das Vertrauen des Bundestages zu bekommen, eine ordentliche politische Ohrfeige erhalten hatte, würde ihm Demut nicht schaden.“
Ukraine-Vorbehalte im Sinne Europas
Ungarns Opposition gegen einen EU-Beitritt der Ukraine ist für die regierungsnahe Magyar Nemzet wohlbegründet:
„Wenn es gelingt, Ungarn das Stimmrecht zu entziehen, wären alle Hindernisse für die sofortige EU-Aufnahme eines Landes, das sich im Krieg befindet, überwunden. ... Es geht auch darum, dass Brüssel das Risiko eingehen würde, innerhalb weniger Jahre Bankrott erklären zu müssen. ... Laut der internationalen Ratingagentur Fitch ist die Ukraine zahlungsunfähig [das korrekte Rating lautet 'partieller Zahlungsausfall'], die Inflation steigt und die wirtschaftliche und staatliche Stabilität des Landes sinkt. Ihr Bericht unterstreicht, dass die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine außerordentlich hoch sein werden, und betont das gravierende Ausmaß der Korruption.“