Nato: Was bedeuten höhere Verteidigungsausgaben?

Nächste Woche kommen die Mitgliedsstaaten der Nato zu einem zweitägigen Gipfel in Den Haag zusammen. Beherrschendes Thema wird die Frage sein, wie gut das Bündnis in Sicherheitsfragen aufgestellt ist und wie die von US-Präsident Donald Trump geforderten fünf Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben erreicht werden können. Kommentatoren debattieren, wie sinnvoll die Erhöhung angesichts angespannter Haushaltslagen ist.

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Le Figaro (FR) /

Nicht auf abstrakte Ziele versteifen

Das Treffen in Den Haag sollte sich auf konkrete Erfordernisse konzentrieren, rät Jean-Louis Thiériot, früherer Staatssekretär für Verteidigung, in Le Figaro:

„Anstatt sich auf das abstrakte Ziel von fünf Prozent des BIP zu versteifen, sollte man sich Gedanken über den grundlegenden Bedarf machen. Vorrangig geht es dabei um Enabler, jene strategischen Kapazitäten, die derzeit von US-Mitteln abhängen: Beobachtungssatelliten, insbesondere Radare, Boden-Luft-Verteidigung, Kommando- und Kontrollzentralen, Fähigkeiten zu Tiefschlägen und strategische Transporte. Zudem ist es unerlässlich, eine starke und souveräne europäische Industriebasis zu entwickeln, die imstande ist, das Erstarken Europas zu unterstützen.“

De Volkskrant (NL) /

Flexibilität muss gewahrt bleiben

Das Fünf-Prozent-Ziel wird enorme Opfer fordern, mahnt De Volkskrant:

„Mehr Verteidigung geht auf Kosten der sozialen Sicherheit, des Gesundheitswesens, der Bildung und der Kultur, selbst wenn gleichzeitig die Steuereinnahmen erhöht werden können. ... Sobald die Aufholjagd abgeschlossen ist oder sich die Bedrohungslage ändert, müssen die europäische Verteidigung und Verteidigungshaushalte flexibel genug sein, um den Kurs anzupassen. Denn so wie die Niederlande und Europa jahrelang viel zu wenig für die Verteidigung ausgegeben haben, in der naiven Annahme, dass die damalige Lage andauern werde, so kann ein Land (irgendwann) auch wieder zu viel für Verteidigung ausgeben.“

De Morgen (BE) /

Erstmal eine gründliche Analyse

Europa sollte zunächst die russische Gefahr genau untersuchen, fordert De Morgen:

„Wie sehr sollten wir uns vor einem Russland fürchten, das nicht einmal mehr seine Verbündeten schützen kann und einen befreundeten Schurken nach dem anderen verliert? ... Naivität ist fehl am Platz. Putins imperialistische Kriegslust ist real. ... Aber eine gründliche Analyse der russischen Gefahr ist insofern gerechtfertigt, als die Nato ihren Mitgliedstaaten irrsinnige Ausgaben auferlegen will. Eine ehrliche Bewertung würde die Unterstützung für notwendige Investitionen in die europäische Verteidigung wieder erhöhen. ... Und sie würde uns vielleicht auch vor übermäßig verrückten Kosten bewahren.“

Le Soir (BE) /

Vertrauensmissbrauch gegenüber Steuerzahlern

In der belgischen Staatskasse ist kein Geld für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorhanden, kritisiert Le Soir:

„Wie kann man es wagen, sich zu derartigen Summen zu verpflichten, ohne zu wissen, ob und wie man sie finanzieren kann? ... Wie kann man es wagen, mit löchrigen Budget-Körben zu einem Nato-Gipfel zu reisen? Wie kann man es wagen, selbst 'gemischte' Ausgaben – halb-zivil, halb-militärisch – in Höhe von 3,5 bis 5 Prozent des BIP pro Jahr anzupeilen, wenn für die bereits versprochenen 2 Prozent 'kein Cent vorhanden' ist? … Geld auszugeben, das man nicht hat, ist ja schon schlimm genug, aber das Geld der Bürger auszugeben, ohne diese von vornherein umfassend zu informieren, stellt einen Vertrauensmissbrauch dar.“

Pravda (SK) /

Reine Provokation

Pravda begrüßt, dass Präsident Peter Pellegrini Premier Robert Fico sofort widersprach, nachdem Letzterer überraschend eine Neutralitätsdebatte in der Slowakei angestoßen hatte:

„Ficos Erwähnung der Neutralität verwirrte alle – so etwas hatte es zuvor noch nie gegeben. Präsident Pellegrini lehnte die Idee der Neutralität kategorisch ab, da sie die Slowakei seiner Meinung nach deutlich mehr kosten würde als eine Nato-Mitgliedschaft. ... Laut dem Präsidenten provoziert der Premierminister nur. ... Während wir über die Erhöhung der Ausgaben für unsere Sicherheit sprechen sollten, führen wir eine unverbindliche Debatte über eine Art imaginäre Neutralität, die für uns völlig ausgeschlossen ist. Fico bedient hiermit die Wähler, die die Nato-Mitgliedschaft ablehnen.“