30 Jahre Srebrenica: Was bedeutet der Gedenktag?
Weltweit haben Menschen am Freitag dem Massaker von Srebrenica vor 30 Jahren gedacht. Im Juli 1995, während des Bosnienkriegs, eroberten bosnisch-serbische Milizen eine von den Vereinten Nationen eingerichtete Schutzzone und töteten über 8.000 Bosniaken. International ist das Verbrechen inzwischen als Genozid anerkannt. Warum das Gedenken weiter akut ist, zeigt ein Blick in Europas Presse.
Völkermord wird weiter geleugnet
Jährlich wiederholte Forderungen aus Brüssel und anderen Hauptstädten werden in Belgrad ignoriert, kritisiert Jutarnji list:
„Auch dieses Jahr, zum 30-jährigen Gedenken, sind die Botschaften aus der EU und der gesamten internationalen Gemeinschaft dieselben wie vorher. Man ruft auf zum Respekt vor den Opfern, zu konkreten und ehrlichen Bemühungen der Politiker zur Versöhnung und dazu, dass der Genozid nicht geleugnet oder auf eine andere Weise relativiert wird. Solch eine Botschaft der EU kommt zu einer Zeit, in der die Staatsspitze Serbiens den Genozid in Srebrenica negiert, und in der diejenigen massiv angegriffen werden, die die Dinge beim Namen nennen.“
Demonstranten werden als Verräter bezeichnet
Politika kritisiert, dass die serbische Regierung das Thema instrumentalisiert, um die Opposition zu diskreditieren:
„Die Studenten würden sich vorbereiten, während der Proteste in Belgrad anzuerkennen, dass die Serben das erste völkermordende Volk der Welt seien, lautet die giftige Botschaft, die diejenigen als Verräter und Serben-Hasser etikettiert, die seit Monaten demonstrieren und die Wahrheit und vorgezogene Parlamentswahlen fordern. ... Srebrenica wurde wieder aktiviert in dem Versuch, die Studenten, Demonstranten, die Opposition und das rebellische Volk zu diskreditieren.“
Europa ist mit den Bosniaken gestorben
Die Bedingungen, unter denen das Gedenken stattfindet, beschreibt die Schriftstellerin Rosella Postorino in La Stampa:
„Heute, da wir uns in dem Paradoxon einer Union souveränistischer und nationalistischer Staaten befinden, da die Union auch 'illiberale' Demokratien umfasst und Migranten gewaltsam abgewiesen, eingesperrt, abgeschoben werden. ... Heute, wo es in der Ukraine 300.000 Tote gibt und einige Staaten der Union Putin-freundlich sind. Heute, wo Europa angesichts der mehr als 50.000 Toten in Gaza keine Position bezieht, wo in Brüssel von einem Wettrüsten die Rede ist, denke ich daran, wie [der italienische EU-Abgeordnete von den Grünen] Alexander Langer nach Cannes fuhr, wo die Staatschefs versammelt waren, um zu warnen, dass Europa in Bosnien sterben oder wiedergeboren werden würde. Wenige Tage später war der Völkermord in Srebrenica ein Urteil über unser aller Schicksal.“
Nichts dazugelernt
Europa wiederholt alte Fehler, kritisiert Ouest-France:
„Putins Strategie in der Ukraine ist weitgehend von der damaligen Strategie Slobodan Miloševićs inspiriert: Dieselbe Manipulation der Geschichte, derselbe Rückgriff auf Ultranationalismus, dieselbe Nutzung von 'Stellvertretern', dieselbe Allianz mit lokalen kriminellen Gruppen, dieselbe Anwendung roher Gewalt, dieselbe Überzeugung, aufgrund der Spaltung der internationalen Gemeinschaft ungestraft handeln zu können. ... Die Mutlosigkeit und Uneinigkeit der Europäer, die Ohnmacht der internationalen Gemeinschaft und das undurchsichtige Spiel der Amerikaner sind immer noch die Zutaten, auf die sich Putin verlässt. …. Die Lehren, die Europa aus dem Massaker von Srebrenica nicht gezogen hat, werden nun erschreckend teuer bezahlt!“
Zerfall von Bosnien und Herzegowina verhindern
Wie zerbrechlich der Frieden in der Region ist, beschreibt Irish Times:
„Die Republika Srpska (RS) wird von dem autokratischen serbischen Nationalisten und Putin-Bewunderer Milorad Dodik geführt, der im Februar wegen Missachtung des Hohen Repräsentanten [der Internationalen Gemeinschaft] zu sechs Jahren Politikverbot und einem Jahr Haft verurteilt wurde. Sein Ziel ist die Unabhängigkeit, auch wenn er das leugnet, und er plant jetzt ein Referendum über einen Entwurf für eine neue Verfassung der RS, deren Bestimmungen einer Abspaltung gleichkämen. Der Zerfall von Bosnien und Herzegowina wäre ein katastrophaler Schritt auf dem Weg zur Wiederaufnahme der Gewalt.“