SOZ: Schmiedet China einen Gegenpol zum Westen?
Beim Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Tianjin hat Gastgeber Xi Jinping zu mehr Einigkeit aufgerufen und ein umfassendes Kreditprogramm angekündigt. Zu den Teilnehmern gehören unter anderen Russlands Präsident Wladimir Putin, der anschließend zu einer Militärparade nach Peking weiterreist, und der indische Premier Narendra Modi, mit dem sich Xi am Sonntag auch zu bilateralen Gesprächen traf. Europas Presse analysiert.
Der globale Süden lässt die Muskeln spielen
Peking präsentiert sich als zweiter globaler Machtpol, konstatiert Corriere della Sera:
.„Die Anwesenheit von Modi, Putin und unter anderem des türkischen Präsidenten Erdoğan und des iranischen Präsidenten Peseschkian bot Xi die Möglichkeit, seine Idee einer Alternative zur westlichen Weltordnung wieder aufzugreifen. ... Beim Galadinner gestern Abend setzte der chinesische Präsident auf die Konvergenz der Interessen der Länder des 'globalen Südens' und argumentierte, dass die SOZ reif sei, 'große Verantwortung' zu übernehmen und 'Fortschritt und Stabilität für die menschliche Zivilisation' in 'einer neuen Art von internationalen Beziehungen' zu bringen“
Pekings alternative Weltordnung
Xi Jinping entwirft eine Gegenwelt zum Westen, analysiert Publizist Witalij Portnykow in 24tv.ua:
„Der chinesische Staatschef demonstriert dem US-Präsidenten Donald Trump eine wahrhaft alternative Welt. Eine Welt, in der Sanktionen und Drohungen aus Washington keine Beachtung finden. Eine Welt, in der China – durch den Kauf von russischem oder iranischem Öl – zeigt, dass diese Länder westliche Sanktionen ignorieren können. Eine Welt, in der Waffen an ein Land geliefert werden, das seit Jahren Zivilisten in einem Nachbarstaat tötet. Dass heute faktisch zwei politische und wirtschaftliche Welten existieren, ist uns schon lange bewusst. Wir haben verstanden, dass westliche Sanktionen genau deshalb nicht so wirken können, wie es einst in Washington oder Brüssel erwartet wurde.“
Bislang nur ein fragiles Mosaik
Noch sind die Konturen des Bündnisses schwer greifbar, schreibt das Handelsblatt:
„Es ist kein Militärbündnis, das man mit Sanktionen oder Abschreckung kontern könnte, sondern ein flexibles Geflecht von wirtschaftlichen Anreizen, politischen Loyalitäten und sicherheitspolitischen Deals. Doch genau darin liegen auch die Schwachstellen. Die Gegensätze zwischen Indien und China, das Misstrauen der zentralasiatischen Republiken gegenüber dem Kreml, der Streit zwischen Pakistan und Indien: All das kann der Westen nutzen, um die Bruchlinien im Bündnis offenzuhalten. Noch ist die SOZ kein monolithischer Block, sondern ein fragiles Mosaik.“
Keine Liebesbeziehung
Die Annäherung zwischen Indien und China ist von Pragmatismus geprägt, betont Helsingin Sanomat:
„Die Entspannung begann im Oktober 2024. Damals verständigten sich Xi und Modi auf Erleichterungen bei der Visaerteilung und im Handel. … Es ist keine Liebesbeziehung, sondern eine pragmatische Zwangsehe, in der man schamlos fremdgeht und es keine Garantie für Beständigkeit gibt. China ist nämlich ein strategischer Verbündeter des islamischen Staates Pakistans und Pakistan wiederum ist Indiens Erbfeind. Als die Atommächte Indien und Pakistan im Mai eine Woche lang einen kriegsähnlichen Konflikt austrugen, stand China zumindest im Hintergrund auf Pakistans Seite.“
Im kleinen Kreis der Stalinisten
Zur Militärparade am Mittwoch, bei der China dem Sieg über Japan vor 80 Jahren gedenkt und an der neben Putin auch der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un teilnehmen soll, schreibt Visão:
„Xi ist der Wolf im Schafspelz. Er lächelt, winkt, aber er ist der neue Kaiser. Putin ist weiterhin der wankelmütige Kosake – clever, berechnend, aber mit immer leereren Taschen. Kim ist der gefährliche Angeber, der von Peking unterstützt wird. Drei Männer, drei Stalinisten. Oder besser gesagt, die Version von Stalin im jeweiligen Director's-Cut-Modus. ... Xi wird nicht aufmarschieren, um irgendjemanden zu ehren. Er wird seine Muskeln spielen lassen. Um Angst zu verbreiten. Bei den Gästen, in Washington, bei der Nato.“
Ein geeinter Gegenpol
Jutarnji list fasst zusammen:
„Mit den angereisten Gästen und durch diplomatische Finessen und PR-Taktik will das chinesische Regime drei Botschaften senden: Erstens, dass die Herausforderer der jahrzehntelang vom Westen dominierten Weltordnung stabile Einigkeit vereint, da ihr Verhältnis auf Vertrauen und Dialog aufbaut – im Gegensatz zur aggressiven und einseitigen Dominanz des Westens gegenüber den 'kleineren' und 'schwächeren'. Zweitens symbolisieren die Teilnahmen von Putin und Kim Jong-un [an der Militärparade am Mittwoch in Peking] die tiefe politische und militärische Kohäsion von China, Russland und Nordkorea; eines Verteidigungsblockes, der sich mit gemeinsamen Kräften gegen die Dominanz der Nato stellt. Und drittens möchte Xi (das starke) China als führenden Stabilisator in einer fragmentierten und turbulenten Welt präsentieren.“