UN-Menschenrechtsrat wirft Israel Genozid im Gazastreifen vor
Eine Kommission des UN-Menschenrechtsrats sieht in ihrem Bericht vier der fünf in der UN-Völkermordkonvention genannten Kriterien erfüllt: Tötung, schwere körperliche oder seelische Schädigung, vorsätzliche Schaffung von lebensbedrohlichen Bedingungen und Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten. In der europäischen Presse gehen die Reaktionen auseinander.
Sehr sachlich und gerade deshalb sehr dringlich
Avvenire lobt den Bericht:
„Fünfundsiebzig Seiten voller Zeugenaussagen, Daten und Analysen, die zwar derzeit keine rechtsverbindliche Kraft haben, aber dennoch einen festen Standpunkt vertreten: Was in Gaza geschieht, kann nicht mehr als 'unvermeidliche Folge' des Krieges abgetan werden, sondern kommt dramatisch der Definition von Völkermord gemäß der Konvention von 1948 nahe. Die Stärke des Dossiers liegt gerade in seiner Nüchternheit. Keine Proklamationen, sondern eine genaue Auflistung von Handlungen, die den [Genozid-]Kriterien des Völkerrechts entsprechen: weit verbreitete Morde, Zufügung physischer und psychischer Leiden, vorsätzliche Zerstörung von Lebensbedingungen, Verhinderung des Zugangs zu Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung, Zerstörung von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen.“
Nichts als infame Propaganda
Der Bericht untergräbt die Glaubwürdigkeit der Uno, urteilt The Daily Telegraph:
„Es ist ein lächerlicher Bericht, in dem behauptet wird, der jüdische Staat begehe 'Völkermord' – ein ziemlich erfolgloser Völkermord, wenn man bedenkt, dass mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza noch am Leben sind, obwohl die israelische Militärmaschine über die Mittel verfügt, sie alle an einem Nachmittag auszulöschen. Aber gesunder Menschenverstand spielt keine Rolle, da die Uno keinen Grund hat zu fürchten, dass die Menschen diese Behauptungen nicht glauben werden. Seit den Massakern vom 7. Oktober 2023, die die Uno damals bezeichnenderweise nicht verurteilt hat, nutzt sie ihren internationalen Ruf als Deckmantel, während sie sich als Propagandaorgan neu erfindet.“
Kritik von außen unerwünscht
Eine Wagenburg-Mentalität bei Israels Premier beobachtet Kolumnist Pierre Haski in France Inter:
„Der Geist von Sparta stellt ebenso wie das Versprechen 'nach Gaza zurückzukehren, wo alles begonnen hat', wie Netanjahu gesagt hat, eine Antwort auf Kritiken von außen da: Nein zur Anerkennung Palästinas durch Frankreich und weitere Staaten, die Israel lange Zeit nahestanden; Nein zur erstmaligen Möglichkeit europäischer Sanktionen, die heute in Brüssel diskutiert werden; Nein zum UN-Expertenkomitee, das gerade geschlussfolgert hat, dass in Gaza ein Völkermord im Gang ist, und zu den arabischen Staaten, einschließlich der Unterzeichnerländer der Abraham-Abkommen [Kooperationsverträge mit Israel], die sich nach dem Angriff auf Katar zu einem Gipfel in Doha versammelt haben.“
Es droht ein weltweites Erdbeben
In Gaza steht der Rest einer internationalen Ordnung auf dem Spiel, schreibt die Politologin Marina Pereira Guimarães in Público:
„Was sich abzeichnet, ist nicht nur ein weiterer Krieg im Nahen Osten. Es ist der sichtbare Zusammenbruch eines Systems, das jahrzehntelang die Illusion eines dauerhaften Friedensprozesses vermittelt hat. Wenn die internationale Gemeinschaft keine Mittel findet, über Erklärungen und Gipfeltreffen hinaus zu handeln, stehen nicht nur das Schicksal der Palästinenser und die Sicherheit Israels auf dem Spiel, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Idee, dass es eine globale Ordnung gibt, die in der Lage ist, die Gewalt bewaffneter Staaten einzudämmen. Gaza ist das Epizentrum, aber das Erdbeben ist weltumspannend.“