20-Punkte-Plan: Lässt sich so der Gaza-Krieg beenden?
Israels Premier Netanjahu hat einem von US-Präsident Trump vorgelegten 20-Punkte-Vorstoß zur Beendigung des Gaza-Krieges zugestimmt. Der Plan stehe in Einklang mit den Bedingungen Israels für die Zeit nach dem Krieg, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Washington. Demnach sollen eine Waffenruhe hergestellt, alle israelischen Geiseln freigelassen und eine Übergangsregierung ohne Hamas-Beteiligung etabliert werden.
Schwer umzusetzen
Der Vorstoß stößt auf Schwierigkeiten und könnte dennoch ein vielversprechender Beginn sein, schreibt Visão:
„Er umfasst zwei oder drei schwer umsetzbare Details: In Gaza muss eine Regierungsbehörde aus palästinensischen Technokraten mit internationaler Unterstützung eingerichtet werden, und die israelischen Streitkräfte müssen sich schrittweise zurückziehen. ... Um die Hamas in die Enge zu treiben, soll dieser Plan in Gebieten realisiert werden, die bereits frei von ihrer Präsenz sind, um sicherzustellen, dass die palästinensische Bevölkerung den Unterschied spürt. ... Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich um einen schwer umzusetzenden Plan handelt, der jedoch Anzeichen dafür zeigt, dass es zu gegebener Zeit Frieden und Wohlstand im Gazastreifen geben könnte.“
Voller Hoffnung auf ein Wunder
Das Projekt ist zu vage, um zu funktionieren, urteilt Le Soir:
„Einer der offensichtlichen Schwachpunkte ist, dass der Plan zwar einzelne Schritte vorsieht, wie etwa den schrittweisen Abzug der israelischen Streitkräfte, er aber keinen Zeitplan hat. Vor Ort auftretende Zwischenfälle könnten für Israel schnell als Vorwand dienen, um alles zu stoppen. … Die Hamas hingegen muss auf eine seltsame Anordnung reagieren: Selbstmord oder der tödliche Zorn Israels. … Und sie muss alle Geiseln innerhalb von drei Tagen freilassen, die sie bisher als letzte Trumpfkarten betrachtete, und hoffen, dass Israel sein Wort hält und nicht zögert oder gar das Abkommen sabotiert. … Dieser viel zu vage formulierte Plan birgt bereits die Voraussetzungen für sein Scheitern. Es sei denn, man hofft auf ein echtes Wunder.“
Die Israelis haben genug vom Krieg
Netanjahu hatte keine andere Wahl, meint La Repubblica:
„Mehrere Faktoren haben Netanjahu zu diesem Kompromiss bewogen. Der erste ist die Erschöpfung eines Landes, das nach zwei Jahren voller Proteste und Spannungen keinen Krieg mehr ertragen kann. Und das betrifft nicht nur die Familien der Geiseln, sondern auch die Familien der Hunderttausenden Reservisten, die unter Waffen stehen. Und dazu eine Wirtschaft, die, so stark sie auch sein mag, einen hohen Preis für die Krise zahlt: Rückgang der Auslandsinvestitionen, ausbleibendes Wachstum und Chaos auf dem Arbeitsmarkt – die israelische Zentralbank schätzt die Kosten der Kriege 2023-2025 auf 55,6 Milliarden Dollar [rund 47 Milliarden Euro].“
Cleverer Ansatz mit bewährter Vorlage
The Daily Telegraph sieht Parallelen zum Ende des Nordirlandkonfliktes:
„Der Plan verdankt viel dem Karfreitagsabkommen, das Nordirland Frieden gebracht hat und die größte Errungenschaft in der britischen Politik der letzten 30 Jahre war. 'Dynamik' steht im Mittelpunkt beider Pläne. Anstatt rigide 'Ganz-oder-gar-nicht'-Vorschläge zu machen, bieten sie Belohnungen, die sich über Jahre hinweg steigern. Durch diesen Mechanismus wird Vertrauen – und hoffentlich auch Frieden – gefördert, nicht durch Worte, sondern durch Taten im Laufe der Zeit. Sogar die Sprache ist ähnlich. Die IRA wurde nicht aufgefordert, ihre Waffen abzugeben, sondern sie 'unbrauchbar zu machen', das Gleiche gilt für den Gaza-Plan. Ein weiteres gemeinsames Merkmal mit dem Nordirland-Plan ist die Idee einer Amnestie für Terroristen.“
Ein ehrgeiziges Vorhaben
Der Nahostexperte Igor Semywolos analysiert auf Facebook:
„Die Einbindung einer arabisch-internationalen Koalition in die Bereiche Sicherheit, Verwaltung und Wiederaufbau ist ein ehrgeiziges Vorhaben, stößt jedoch auf Schwierigkeiten. Arabische Staatschefs verlangen Garantien, insbesondere in Bezug auf das Westjordanland und den Status Jerusalems, was den Interessen Israels entgegensteht. ... Der Erfolg des Plans hängt vom Einfluss der USA auf Israel ab, der angesichts der harten Haltung Netanjahus begrenzt sein könnte. Dennoch scheint der Handlungsspielraum der heutigen israelischen Regierung deutlich zu schrumpfen.“
Katastrophe für Netanjahu
Für Israels Premier könnte der Plan das Ende seiner Karriere bedeuten, glaubt La Stampa:
„Der Einzige, der Benjamin Netanjahu dazu bewegen kann, den von Trump vorgeschlagenen 21-Punkte-Plan zu unterzeichnen, ist Trump selbst. Nur eine harte und unmittelbare Drohung könnte den israelischen Ministerpräsidenten zu einem Abkommen zwingen, das für ihn das Ende bedeutet. ... Das Ende des Krieges vielleicht, aber mit Sicherheit das Ende seiner politischen Karriere. ... Für Bibi Netanjahu stellen diese 21 Punkte auf dem Tisch eine potenzielle Katastrophe dar. Der israelische Premierminister weiß, dass seine Minister ihn sofort im Stich lassen würden, wenn er diesen Verhandlungen, die unter anderem vorsehen, dass die Palästinenser in Gaza bleiben, auch nur den geringsten Raum geben würde.“
Details sind noch offen
Der Standard sieht auf grundlegende Fragen vorerst keine Antworten:
„Die 21 Punkte, mit denen Trump im Nahen Osten das Ruder herumreißen will, sind indes im Detail noch unbekannt, vor allem, wie gelingen soll, was trotz monatelanger US-moderierter Verhandlungen zwischen Hamas und Israel, in die auch Ägypten und Jordanien eingeschaltet waren, bisher gescheitert ist: dass die israelischen Geiseln, die sich noch in den Händen der Hamas befinden, freikommen, und ein Waffenstillstand in Kraft tritt. Israel führt derzeit eine erneute Bodenoffensive in Gaza-Stadt durch, ein Albtraum für die Bevölkerung, für die es keine sicheren Orte mehr gibt und die von Hunger und Krankheiten existenziell bedroht ist.“