Warum Klimaschutz so schwierig ist

197 Staaten verhandeln derzeit auf der Weltklimakonferenz im polnischen Katowice darüber, wie sie den Klimawandel stoppen können. Doch die Zeit wird immer knapper. Laut Schätzungen des Global Carbon Project wird 2018 weltweit 2,7 Prozent mehr CO2 ausgestoßen als 2017 - das ist der größte Anstieg seit sieben Jahren. Welche Hürden müssen im Kampf gegen den Klimawandel überwunden werden?

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Diário de Notícias (PT) /

Ein Kontinent der Heuchelei

Scharfe Kritik an der europäischen Klimapolitik kommt von fünf Europaabgeordneten in einem gemeinsamen Gastbeitrag in Diário de Notícias:

„Der Preis für die größte Heuchelei geht an Emmanuel Macron: Während er zum 'Champion de la Terre' gekürt wurde, haben Frankreichs Treibhausgasemissionen neue Höchststände erreicht. ... Ein grünes Wachstum in der EU ist und bleibt eine Schimäre. Denn die umweltpolitischen Ambitionen stehen im Widerspruch zu den EU-Verträgen. Während der Haushaltsvertrag verhindert, dass Staaten einen Finanzierungsplan für den ökologischen Übergang entwickeln, erlaubt die europäische Architektur es Lobbyisten, ihre Präferenzen gegen die Umwelt durchzusetzen, wie die Fälle Glyphosat oder Monsanto Papers [interne Korrespondenz zu Glyphosat] gezeigt haben. Und Freihandelsabkommen wie Ceta verhindern zudem eine nachhaltige lokale Produktion.“

Krytyka Polityczna (PL) /

Sprache über Klima ist zu abstrakt

Um den Klimaschutz in den Köpfen der Menschen zu verankern, müsse die Gesellschaft endlich beginnen, anders über Klimaerhitzung zu sprechen. Das fordert der britische Journalist Sunny Hundal in einem Beitrag in Krytyka Polityczna, der auch bei opendemocracy erschienen ist:

„Das Problem ist nicht die Wahl zwischen guten und schlechten Nachrichten oder zwischen Hoffnung und Angst. Wir erzählen Geschichten, die zu abstrakt sind und zu wenig mit dem Alltag der Menschen zu tun haben. ... Lasst uns doch versuchen, in Gesprächen mit Freunden und Familienmitgliedern an diese Punkte zu denken. Es wird unsere Einstellung ändern und die Menschen dazu ermutigen, viel schneller zu handeln. Aber jedes Gespräch muss mit etwas beginnen, das uns nahe steht und wichtig ist.“

Financial Times (GB) /

Kampf gegen Klimawandel wird zum Kulturkrieg

Umweltschutzmaßnahmen treffen die schwächsten Bevölkerungsschichten am härtesten, warnt Financial Times:

„Eine schlecht verwaltete Deindustrialisierung hat die Lebensweise ganzer Bevölkerungsgruppen im Westen stark in Mitleidenschaft gezogen, so wie einst auch der Niedergang des Bergbaus. Die nun nötigen Reformen im Kampf gegen den Klimawandel bedrohen die gleichen Gesellschaftsschichten erneut in sehr ähnlicher Weise, während gleichzeitig den Anliegen der urbanen Mittelklasse entsprochen wird. Wenn darüber hinaus die Forderungen der Wissenschaft eine unfaire Teilung der Lasten rechtfertigen, erliegt man schnell der Versuchung, das Expertentum zu verteufeln. So fügt sich der Interessenskonflikt beim Thema Klimawandel in einen bereits tobenden Kulturkrieg ein, der gemäßigte urbane Eliten von systemkritischen Populisten trennt. Er lässt diesen sogar weiter eskalieren.“

Mladina (SI) /

Der Zeitpunkt für Veränderungen ist jetzt

Die Klimafrage ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, mahnt Mladina an:

„Auf globaler Ebene erreichen die CO2-Emissionen immer wieder neue Rekordwerte, doch gegen Klimamaßnahmen wächst der Widerstand. Dahinter steckt auch die Erkenntnis, dass es ohne Entsagungen nicht gehen wird. ... Deshalb stehen auf der Klimakonferenz in Katowice mehr als nur technische Fragen auf dem Spiel. Die Bedingungen für das Erreichen eines Abkommens stehen nicht gerade gut. ... Doch ein gerechter Übergang ist nur möglich, wenn die Interessen der kommenden Generationen und der Menschen, die bereits heute die Klimaveränderungen spüren, berücksichtigt werden. Der richtige Zeitpunkt für Veränderungen ist jetzt.“

Avvenire (IT) /

Handeln ist billiger als Nichtstun

Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien ist der einzige sinnvolle Kampf gegen den Klimawandel - und letztendlich auch der billigere, erläutert Avvenire:

„Der Bedarf an Investitionen bis 2050 muss auf 500 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt werden. Das ist natürlich eine gewichtige Zahl, doch sie muss mit der Verlustsumme verglichen werden, die durch Tatenlosigkeit zustande kommen würde. Verschiedenen Studien zufolge könnte der Klimawandel jährlich Schäden in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts verursachen. Das macht nach heutigen Erkenntnissen 3.500 Milliarden Dollar pro Jahr - also siebenmal mehr als der für die Energiewende benötigte Betrag.“

The Irish Times (IE) /

Wir vernachlässigen unseren evolutionären Vorteil

Obwohl die verheerenden Folgen des Klimawandels absehbar sind, steckt die Menschheit kollektiv den Kopf in den Sand, klagt Kolumnist Fintan O'Toole in The Irish Times:

„Die Fähigkeit, Dinge vorauszusehen, hat es unserer Spezies ermöglicht, zu überleben und aufzublühen. Im Gegensatz zu anderen Arten sind wir imstande, kognitive Landkarten, die zeigen, was in der Zukunft passieren könnte, zu erstellen und mit anderen zu teilen. Außerdem haben wir im Gegensatz zu anderen Arten die Fähigkeit, sehr lange zurückliegende Ereignisse aufzuzeichnen und damit wahrscheinliche künftige Folgen zu prognostizieren. Und doch handeln wir gemeinschaftlich so, als hätten wir diese einmalige Fähigkeit nie entwickelt. Das Leben in einer virtuellen Welt hat uns paradoxerweise noch engstirniger gemacht. Wir wollen nicht glauben, was wir nicht selbst erlebt haben.“

Kurier (AT) /

Die Grünen allein können die Welt nicht retten

Über ein seiner Meinung nach großes Missverständnis schreibt der Kurier:

„Dass [Umweltschutz und Klimawandel] nach wie vor grüne Themen oder primär Themen der Grünen seien. Wenn wir darauf warten, dass die Grünen für uns schnell mal die Welt retten, na dann gute Nacht! Klimawandel MUSS ein zentrales Thema für alle Parteien sein. Leider kann man halt nicht so ohne Weiteres Klimarouten schließen, Klimazäune bauen, Klima-Mindestsicherungen kürzen, Klimazüge bestreiken – und auch in den Pensionstopf zahlt das Klima wenig ein. Das Klima ist ein Migrant, der sich nicht an Grenzen hält. Und es pfeift auf Strafzölle. Soll heißen: Mit dem Klima ist zwar eine Welt, aber kein Staat zu machen.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Auch Nationalismus lässt die Temperaturen steigen

Das Weltklima ist unverändert eine Geisel der Politik, klagt Hospodářské noviny:

„Der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf weniger als zwei Grad ist nicht wirklich ehrgeizig. Die globale Temperatur wird sich stark erhöhen, wenn nicht radikal eingegriffen wird. Doch die Bemühungen der Wissenschaftler stoßen an die globale politische Realität: den Aufschwung von Populismus und Nationalismus in Europa, Amerika und Asien. Doch es geht nicht nur um das Problem, dass die USA oder andere die Pariser Vereinbarung verlassen. Sondern auch darum, dass viele der anderen Staaten nur solche Regeln setzen, die nicht wirklich eine Kontrolle der Emissionen ermöglichen.“

De Morgen (BE) /

Jugend nimmt ihr Schicksal in die Hand

In Brüssel haben am Sonntag rund 65.000 Menschen für den Klimaschutz demonstriert. Für De Morgen insbesondere deshalb ein Hoffnungsschimmer, weil viele Kinder und Jugendliche dabei waren:

„Der 2. Dezember 2018 ist der Tag, an dem das Klima endgültig nicht länger die Domäne einer Handvoll Wissenschaftler, einiger Bürger und einiger Promis war. Es ist jetzt eindeutig die Domäne der Generation nach uns. ... Neben dem Erreichen der Ziele von Paris geht es genau darum: Dass wir unsere Kindern verstehen lassen, was die Generationen vor ihnen mit dem Planeten angerichtet haben. So dass sie später klüger damit umgehen können, als wir es getan haben. Ein neues Schulfach: Klima.“

Expressen (SE) /

Klimaschutz kann lukrativ sein

Zu klimafreundlichen Investitionen ruft Expressen Politiker, Bürger und Unternehmen auf:

„Ein Beispiel ist der von fossilen Brennstoffen freie Stahl, der von [den schwedischen Unternehmen] SSAB, LKAB und Vattenfall entwickelt wird. Er kann eine schmutzige Branche rein machen. Falls diese Technik funktioniert und sich verbreitet, trägt der neue Stahl mehr zur Reduzierung von Chinas Emissionen bei, als sämtliche Gipfeltreffen zusammengerechnet. Es gibt zwei Strategien, um die nötige Kursänderung zu erreichen: Abwarten in der Hoffnung, dass es auf Dauer billiger wird, oder jetzt handeln. Wer sich entscheidet, die Speerspitze zu bilden, wird seine Technologie an andere exportieren können. Der Klimawandel ist nicht nur ein (nicht zu vermeidender) Kostenpunkt - sondern auch eine Investition.“