Corona-Bericht: Kuscht Europa vor China?

China ist es offenbar gelungen, einen EU-Bericht zu entschärfen, der Versäumnisse Pekings in der Corona-Krise deutlich benannte. Laut dem Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) verbreiten staatliche Quellen in Russland und China gezielt falsche Informationen zur Pandemie. Kommentatoren fragen sich, was hinter Pekings Desinformationspolitik steckt und wie Europa darauf reagieren sollte.

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BNS (LT) /

Selbstbewusst auf dem Weg zum Hegemon

Viele haben noch nicht begriffen, wie zielstrebig Peking daran arbeitet, zur globalen Supermacht aufzusteigen, bemängelt der britische Sicherheitsexperte Edward Lucas in BNS:

„China nutzt das Vakuum aus, das die USA hinterlassen haben, und bewegt sich immer schneller in Richtung des von Xi Jinping formulierten Ziels, bis 2049 der mächtigste Staat der Welt zu werden. Es hat sich nicht nur geweigert, die Verantwortung für die Pandemie zu übernehmen, es macht sich auch noch die Verdienste für die Bemühungen bei ihrer Bekämpfung zu eigen. ... Wir haben keine Strategie für den Umgang mit China. China hat aber eine Strategie für den Umgang mit uns. Es bleibt wenig Zeit. Schaut euch an, wie Chinas Mächtige mit den eigenen Leuten umgehen. Dann versucht euch vorzustellen, wie sie mit uns umgehen würden.“

The Daily Telegraph (GB) /

Eine Bedrohung für den Rest der Welt

Chinas Vorgehen in der Corona-Krise ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass man Peking nicht trauen kann, warnt The Daily Telegraph:

„China weigert sich, eine internationale Untersuchung zuzulassen, die die Ursprünge des Virus klären soll. Die politische Führung des Landes hat die Diplomaten und staatlich kontrollierten Medienunternehmen angewiesen, eine gnadenlose Desinformationskampagne zu starten. ... China wird sich nicht an vertragliche Verpflichtungen halten. Es wird die Wahrheit vertuschen. ... Es wird internationale Organisationen unter seine Kontrolle bringen und für eigene Zwecke nutzen. Es wird globales Recht und Normen missbrauchen, bis es bekommt, was es will. China kann man nicht vertrauen, es ist eine Gefahr für die Welt. Machen wir uns nicht länger etwas vor.“

Le Temps (CH) /

Ein Volk in Geiselhaft

Die Kritiker sollten sich hüten, alle Chinesen über einen Kamm zu scheren, mahnt Le Temps:

„Das Risiko einer ideologischen Konfrontation zeichnet sich ab. Dafür könnte die Gesamtheit der Chinesen büßen, denn die Kritiker Pekings halten es für immer weniger nützlich, zwischen dem Handeln der Behörden und dem der Bürger zu unterscheiden. … Die Falle der internationalen Anprangerung würde sich somit über einem ganzen Volk schließen. Für diese Falle ist in Wirklichkeit jedoch vorrangig die Kommunistische Partei mit ihrem Anspruch, sämtliche Unterscheidung zwischen Staat, Nation und Einzelpersonen auszulöschen, verantwortlich: Sie hat ihre Bürger allesamt in Geiselhaft genommen.“

La Vanguardia (ES) /

Fernöstlicher Januskopf

Peking ringt derzeit um sein internationales Ansehen, beobachtet La Vanguardia:

„Das vom Regime unter Xi Jinping angebotene Image hat ein doppeltes Gesicht. Nach innen hat der offizielle Diskurs des Kampfes und des Siegs über das Virus in der chinesischen Gesellschaft den Nationalismus gesteigert. Doch nach außen fällt es China wesentlich schwerer das Gesicht zu wahren, weil die offiziellen Zahlen hinterfragt und die amtlichen Informationen angezweifelt werden, was das Image und den Einfluss des asiatischen Riesen infrage stellt. Chinas Rolle in der Welt nach Covid-19 ist zurzeit eine der großen Unbekannten.“

Corriere della Sera (IT) /

Rom will sich mit Peking gut stellen

In Italien wird Peking viel zu unkritisch behandelt, klagt Corriere della Sera:

„Fakt ist, dass Europa beschlossen hat, die Aufmerksamkeit auf den asiatischen Fall zu lenken und dazu die Online-Plattform EuVsDisinfo zu nutzen, die Fake News aufspürt. Zum ersten Mal nach vielen Jahren hat sich die Front der westlichen Länder wieder geschlossen und sie fordern China zur Aufklärung auf. ... Italien hingegen scheint stillschweigend die politische Linie von [Cinque-Stelle-Politiker] Alessandro Di Battista übernommen zu haben, für den kein Zweifel besteht, dass die westliche Welt untergehen wird ('China wird den Dritten Weltkrieg gewinnen, ohne einen Schuss abgefeuert zu haben.') und dass es daher für Italien besser ist, sich von nun an mit dem Land Xi Jinpings anzufreunden.“