Welche Folgen hat Chinas gebremstes Wachstum?

Mehrere Daten deuten auf eine Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums hin: Laut Nationalem Statistikamt (NBS) stieg die Industrieproduktion im Juli 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, also deutlich langsamer als im Juni (4,4 Prozent). Die Einzelhandelsumsätze stiegen um 2,5 Prozent (Juni 3,1 Prozent). Die Investitionen im Immobiliensektor gingen um 8,5 Prozent zurück. Europas Presse evaluiert.

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Observador (PT) /

Fast ein Fünftel des globalen BIP betroffen

Die Risiken für die Weltwirtschaft sind gewaltig, befürchtet die Ökonomin Inês Domingos in Observador:

„Die Strategie des 'De-Risking' gegenüber China, wie die EU-Kommissionspräsidentin es nannte, wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um eine gewisse Ansteckung anderer Regionen zu vermeiden. Tatsächlich hat das chinesische BIP im Jahr 2022 18 Prozent des weltweiten BIP ausgemacht. In einem Kontext, in dem die meisten Zentralbanken der fortgeschrittenen Länder eine restriktive Geldpolitik verfolgen, ist die Verlangsamung in China ein zusätzlicher Risikofaktor für die Weltwirtschaft.“

El País (ES) /

Wir haben einen Ersatzreifen

Die Weltwirtschaft stellt sich auf solche Prozesse ein, beruhigt Ökonomin Alicia García Herrero in El País:

„Die chinesische Wirtschaft ist viel stärker vom Rest der Welt isoliert, als man denken könnte. ... Seit fast zehn Jahren ersetzt China Importe durch eigene Produktion. ... Die Importe gehen zurück, darauf haben sich viele Exporteure, vor allem die von Industriegütern wie Deutschland, Korea oder Japan, bereits eingestellt. ... Die schlechte Nachricht ist, dass China nicht mehr der Haupttreiber des globalen Wachstums sein wird. Die gute Nachricht ist, dass sich der Rest der Welt an Chinas strukturelle Verlangsamung gewöhnt hat und dass wir einen Ersatzreifen haben, und zwar die asiatischen Schwellenländer, allen voran Indien, aber auch die Asean-Länder.“

Corriere della Sera (IT) /

Das Problem der Jugendarbeitslosigkeit

Gewisse Daten sind so schlecht, dass sie zum Staatsgeheimnis gemacht werden, beobachtet Corriere della Sera:

„Das von der Regierung in Peking für 2023 gesetzte Wachstumsziel von fünf Prozent ist in Gefahr. Ein Unterschreiten der Fünf-Prozent-Schwelle bedeutet für den asiatischen Riesen, dass man nicht mehr in der Lage ist, allen Berufsanfängern einen Arbeitsplatz und ein Gehalt zu garantieren. ... Die Daten zur Jugendarbeitslosigkeit, die in den letzten zwölf Monaten stark angestiegen ist, sind inzwischen so 'heikel', dass Präsident Xi Jinping gezwungen war, sie geheim zu halten.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Peking könnte Heil im Nationalismus suchen

Dass Joe Biden China kürzlich als 'tickende Zeitbombe' bezeichnet hat, ist aus Sicht des Tagesspiegel nicht falsch:

„Ihr lasst uns regieren, wir sorgen für euren Wohlstand – das ist der Deal, den Chinas Kommunistische Partei (KP) mit der Bevölkerung geschlossen hat. Doch was, wenn die Rechnung nicht mehr aufgeht? ... Partei- und Staatschef Xi Jinping und seine Führungsclique haben bereits einen Plan B – und der heißt Nationalismus. ... [E]rst nach einem Anschluss [Taiwans] kann sich, so behauptet die KP, ihre Vision von China als dominierender Weltmacht erfüllen. ... Bis 2049 will Xi das modernste und schlagkräftigste Militär der Welt kommandieren. Gegen die wachsende Unzufriedenheit im Volk ist eine aggressive Außenpolitik noch immer das Mittel von Diktaturen gewesen.“