Stromausfall in Spanien und Portugal: Was jetzt?

Ein großflächiger Stromausfall hat ab Montagmittag mehr als 60 Millionen Menschen in Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs massiv beeinträchtigt. Internet und Mobilfunk fielen aus, Verkehrssysteme kamen zum Erliegen, Haushalte und Geschäfte blieben ohne Licht. Während die Versorgung wiederhergestellt ist, bleiben die Ursachen unklar. Eine Cyberattacke schloss der Netzbetreiber aus. Kommentatoren ziehen eigene Schlüsse.

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Sydsvenskan (SE) /

Vorbildlich in der Krise

Von den Bewältigungsstrategien der Spanier können wir lernen, betont Sydsvenskan:

„In gerade einmal fünf Sekunden brach Spaniens gesamtes Stromnetz zusammen. Für Millionen Menschen bedeutete dies stundenlanges Warten, Einschränkungen und wachsende Angst. Gleichzeitig war die Sicherheitslage extrem angespannt. ... Doch die Spanier behielten die Ruhe. Mithilfe von Notstromaggregaten, Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit konnten Krankenhäuser in Málaga, Rettungsdienste in Madrid und Gastronomen in Barcelona ihren Betrieb aufrechterhalten. Dies ist die wahre treibende Kraft hinter der Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft, wenn die Krise eintritt und der Strom ausfällt.“

El País (ES) /

Helfen statt twittern

Ein Nebeneffekt gibt El País zu denken:

„Der Stromausfall ermutigte Franco-Nostalgiker in den sozialen Medien. 'Unter Franco gab's sowas nicht', schrieb der Anwalt der Erben des Diktators. ... Die recht einfallslose Nachricht bekam mehr als 1.000 Likes. ... Unterdessen hat der Teil des Landes, der weder twittern noch telefonieren oder whatsappen konnte, die abgrundtiefe Distanz zwischen der echten Welt und der Wutblase der sozialen Netzwerke verdeutlicht. Menschen in Leuchtwesten stoppten Autos und halfen Fußgängern über die Straße. ... Andere liehen Unbekannten ihr Radio. ... Das Spanien der Arbeiter, das die extreme Rechte für sich beansprucht, hat keine Zeit zu twittern. ... Von ihrer Lohnarbeit befreit, halfen viele, wo sie konnten.“

Večernji list (HR) /

Investitionen sind überfällig

Der Vorfall zeigt, wie empfindlich Europas Energie-Infrastruktur ist, meint Večernji list:

„Die abrupte Verdunkelung des größten Teiles der Iberischen Halbinsel erinnert an ein Problem, das viele auf dem Alten Kontinent vergessen haben: die Fragilität der europäischen Energie-Infrastruktur. Es reicht nämlich nicht, die Löcher zu stopfen, nachdem kein russisches Öl und Gas mehr fließt. Es bleibt das Problem der Stromversorgung, die auf einem komplexen System beruht, das – wie wir diese Woche gesehen haben – Löcher hat, die ein Risiko darstellen. ... Ein wissenschaftlicher Modellversuch zeigte schon 2022, dass ohne größere technologische Investitionen die Stabilität des spanischen Netzes bei starker Wind- und Sonnenenergienutzung bedroht ist.“

El País (ES) /

Noch eine Krise in unsicheren Zeiten

El País ist besorgt über die erlebte extreme Verwundbarkeit:

„In den Operationssälen war von einer Minute auf die andere der Strom weg; Tausende saßen in Aufzügen, U-Bahn-Tunneln und Zügen mitten auf dem Land fest. ... Szenen, die in einem entwickelten europäischen Land undenkbar wären. ... Die Verwirrung und der Aufruhr waren so groß wie seit den ersten Tagen der Pandemie nicht mehr. Die Stromkrise ist die neueste in einer Reihe von akuten Krisen in diesem Jahrhundert. Diesmal ging ein großer Teil der Bevölkerung des Landes mit einem Gefühl extremer Verwundbarkeit schlafen. ... Diese Stromkrise fügt der radikalen Unsicherheit der letzten Zeit eine beunruhigende Dosis Unbehagen hinzu.“

eldiario.es (ES) /

Normalität wurde endlich mal Schlagzeile

Eldiario.es-Autorin Irene Lozano hat das Beste draus gemacht:

„Ich verbrachte einen fabelhaften Nachmittag aus einer anderen Zeit, hörte Radio und las im Ohrensessel. Ich hatte Zeit zum Nachdenken und machte mir Notizen in meinem Notizbuch. Ich begann, diesen Artikel zu schreiben, und er entstand ohne Unterbrechungen oder Ablenkungen. Am Abend ging ich mit meiner Hündin spazieren. ... Sie rannte im Park herum, aß zu Abend, ging schlafen. Für sie war es ein Tag wie jeder andere, nur dass sie fünf Stockwerke hochlaufen musste. ... Aber genau in diesem Moment gingen in den Häusern die Lichter an. Die Journalisten verkündeten die Nachricht, die sie sonst nie verkünden: Alles funktioniert. Das war außergewöhnlich: Die alltäglichste Sache hatte endlich ihre Schlagzeile.“

Diário de Notícias (PT) /

Den Schutz der Menschen ernster nehmen

Eine unnötige Bürokratisierung des Staatsapparats hat die Antwort der Behörden auf diese Krise verzögert, schreibt Diário de Notícias:

„Seit mehr als zehn Jahren ist ein Kommunikationsplan für Krisensituationen geplant, für den der Sicherheitsdienst SSI zuständig ist. Es ist jedoch nichts über ihn bekannt. In diesem Land wuchern die Einrichtungen und Organisationen, die Zuständigkeiten werden verdoppelt und jeder Einzelne fühlt sich unverantwortlich. … Wir hatten Glück, dass wir bisher von großen Naturkatastrophen oder provozierten Katastrophen, wie zum Beispiel einem Terroranschlag, verschont geblieben sind. ... Wenn wir den Schutz aller Menschen ernster nehmen, können wir noch größere Tragödien verhindern.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Stromnetze sind eine Achillesferse

Eesti Päevaleht zieht aus dem Blackout mehrere Schlussfolgerungen:

„Erstens: Cyberangriffe sind zweifellos eine reale Bedrohung. Wenn sich nämlich herausstellen sollte, dass 50 Millionen Menschen durch einen Computer ins Chaos gestürzt werden können, wäre dies ein Sicherheitsrisiko ersten Ranges, aus dem alle anderen Länder lernen sollten. Zweitens: Die Stromnetze müssen modernisiert werden. Zugegeben, das ist enorm teuer. Aber während beispielsweise Spanien auf Nato-Ebene vorgeworfen wird, bei den Verteidigungsausgaben die rote Laterne Europas zu sein, sehen wir hier, wie wichtig es ist, dass auch andere lebenswichtige Dienste funktionieren. Und drittens ist es nach wie vor eine Frage der Integration. Um der Stabilität willen sollten wir mehr externe Verbindungen zu unseren Nachbarn bauen.“

The Daily Telegraph (GB) /

Das haben wir von der Klimaneutralität

Um Ähnliches in Großbritannien zu verhindern, sollte die Labour-Regierung von ihrem Ziel abrücken, bis 2030 fossile Brennstoffe zu eliminieren, appelliert The Daily Telegraph:

„Wurden die Auswirkungen einer Umstellung auf erneuerbare Energien auf das Stromnetz ausreichend berücksichtigt? Die Stilllegung alter Atomkraftwerke in den nächsten drei Jahren, Verzögerungen beim Neubau und der steigende Strombedarf werden Großbritannien um das Jahr 2028 in eine prekäre Lage versetzen. Die Chancen, dass Wind-, Solar- und andere erneuerbare Energien diese Lücke schließen, sind gering. Die Menschen verlassen sich darauf, dass ihre Regierungen die Stromversorgung gewährleisten. ... Politiker, die dabei versagen, können sich auf einiges gefasst machen.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Transparente Kommunikation war Fehlanzeige

El Periódico de Catalunya vermisst Fakten und Erklärungen:

„Wir sollten jetzt nicht der Versuchung erliegen, die Energiewende in Frage zu stellen. Wir haben zu wenig Fakten und sollten uns nicht von Vorurteilen oder ideologischer Voreingenommenheit beeinflussen lassen. Das gilt generell für die Verbreitung von Fake News oder nicht überprüfbaren Informationen, vor denen der Premierminister gestern gewarnt hat. Tatsache ist, dass man mit schneller und transparenter Kommunikation die Risiken von falschen Informationen vermeiden kann. Die offiziellen Erklärungen nach vielen Stunden beschränkten sich darauf, dass nichts auszuschließen ist. Das schürt nur Spekulationen über die Ursache und warum sie noch nicht benannt wurde. Sollte es wirklich niemand wissen, ist das nicht weniger beunruhigend.“