Drohnensichtungen über Dänemark: Wie reagieren?

Mehrfach wurden diese Woche Drohnen unbekannter Herkunft über dänischen Flughäfen und einem Luftwaffenstützpunkt gesichtet. Am Montag hatten Drohnensichtungen die Flughäfen von Kopenhagen und Oslo für einige Stunden lahmgelegt. Die Vorfälle folgten auf Luftraumverletzungen durch russische Drohnen und Flugzeuge in Polen, Rumänien und Estland. Die Medien diskutieren Hintergründe und Gegenmaßnahmen.

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Politiken (DK) /

Eklatante Versäumnisse in Sachen Sicherheit

Die Drohnensichtungen veranlassen Politiken zu harscher Kritik an der dänischen Staatsführung:

„Wenn der Staat Flughäfen nicht vor Drohnen schützen kann – oder sie nicht einmal identifizieren und ihren Ursprungsort zurückverfolgen kann –, ist das ein schwerwiegendes Versagen, sowohl militärisch-technisch als auch politisch. Die vielen ernsten Worte der Regierung über Krieg, Sicherheit und Aufrüstung hätten längst in Taten und eine klare Strategie umgesetzt werden müssen. Man kann nicht jahrelang Disziplin von der Bevölkerung verlangen und gleichzeitig machtlos dastehen, wenn die Sicherheit des Königreichs so grundlegend in Frage gestellt wird.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Angst macht hybride Attacken effektiver

Die technologische Entwicklung ermöglicht immer raffiniertere hybride Kampagnen, so Ilta-Sanomat:

„Über hybride Kriegsführung wurde bereits Jahre vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gesprochen. ... Die sich weiterentwickelnden Technologien bieten hierfür völlig neue Möglichkeiten. Während des Krieges in der Ukraine haben sich Drohnen rasant weiterentwickelt. … Über das Internet können lebenswichtige Dienste sogar am anderen Ende der Welt gestört werden. Wenig kontrollierte Social-Media-Dienste bieten eine effektive Möglichkeit zur Verbreitung von Propaganda. Wenn die Angst zunimmt, werden gewöhnliche Unfälle als vorsätzliche Sabotageakte betrachtet. Dies erhöht die Wirksamkeit der hybriden Kampagne ohne zusätzlichen Aufwand.“

Eesti Ekspress (EE) /

Sich nicht aufstacheln lassen

Auch wenn Russland provoziert, müssen die Nato-Staaten Ruhe bewahren, mahnt Journalist und Autor Andrei Hvostov in Eesti Ekspress:

„Was wir derzeit mit Sorge beobachten, war in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Routine. Wichtig war es, bestimmte Grenzen nicht zu überschreiten. Sticheleien waren erlaubt, aber es durfte nicht zu einem großen Krieg kommen. ... Die Streitkräfte diktatorischer Staaten können sich wie Irre verhalten, da die Gesellschaft dieser Länder ihnen einfach zustimmt. In demokratischen Staaten hingegen lehnt man jede Art von 'Kriegsspielen' entschieden ab. ... Estland ist da keine Ausnahme. Wir sind dazu bestimmt, ruhig zu bleiben.“

TV3 (LT) /

Rüstungsbeschaffung grundlegend ändern

Eine veränderte Kriegsführung bedarf auch neuer wirtschaftlicher Ansätze und Strategien, meint der Ökonom Vidmantas Janulevičius in TV3:

„Krieg wird zu einem vernetzten Krieg – wer Sensoren, elektronische Kriegsführung, künstliche Intelligenz und Produktion zu einem Ökosystem verbindet, erlangt die Oberhand. Diese Realität macht deutlich: Mit dem bloßen Kauf von Panzern oder Raketen ist unsere Sicherheit nicht mehr zu gewährleisten. Es braucht ein völlig neues System. Und darin spielt die Rüstungsindustrie eine Schlüsselrolle. ... Drohnenabwehrsysteme dürfen keine einmaligen Anschaffungen bleiben – sie müssen Teil einer langfristigen Verteidigungsstrategie von EU und Nato sein. Denn es geht nicht nur um militärische Fragen, sondern ebenso um wirtschaftliche und industrielle Herausforderungen.“

Jyllands-Posten (DK) /

Endlich klare Kante zeigen

Jyllands-Posten sieht Moskau als Initiator der Drohnenflüge und fordert den Westen auf, Gegenmaßnahmen zu ergreifen:

„Die Drohnen über dem Flughafen waren möglicherweise die Folge der vagen westlichen Reaktionen auf die Vorfälle in Polen, Rumänien und im Baltikum. Auf militärische Reaktionen sollten Interventionen gegen die russische Kriegswirtschaft folgen. Die Pläne liegen bereits in den Schubladen der europäischen Staatenlenker. Sie müssen geöffnet werden. Angst, Handlungslähmung und die 'Alles wird gut'-Mentalität dürfen nicht anhalten. Bürger, Politiker und Behörden müssen sich mit der Realität auseinandersetzen. Nicht mit dem, was wir uns erträumen.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Russland verfolgt zwei Ziele

Moskau hat ganz Europa im Visier, meint Ilta-Sanomat:

„Mag sein, dass der Vorfall über Kastrup [Kopenhagens Flughafen] nicht aufgeklärt wird. Die aggressiven Aktivitäten Russlands im Ostseeraum und anderswo sind jedoch eine Tatsache. … Die Einschüchterung hat zwei Ziele: Die Bürger der Nato-Staaten sollen Angst vor einem Krieg bekommen. ... Das zweite Ziel sind die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten. Sie müssen sich Gedanken machen über den Schutz ihrer eigenen Gebiete. ... Russland macht deutlich, dass es sich um einen Krieg in ganz Europa handelt.“

Göteborgs-Posten (SE) /

Bei Abwehr von Drohnen von der Ukraine lernen

Die Drohnenflüge der letzten Zeit zeigen nach Ansicht von Göteborgs-Posten, dass der Westen in die falschen Waffensysteme investiert:

„Die Ukraine hat ihr Humankapital und ihr technisches Know-how genutzt, um auf dem Schlachtfeld zu überraschen und sich Vorteile gegenüber Russlands Überlegenheit an Feuerkraft und Soldaten zu verschaffen. Die Frage ist: Hat Europa das geschafft? Bei unserer Aufrüstung geht es größtenteils um die Anschaffung teurer Waffensysteme, die in manchen Fällen Gefahr laufen, nach dem Praxistest obsolet zu werden. Was wir brauchen, sind ein paar Nerds, die einen Weg finden, russische Drohnen für weniger als 100.000 Kronen [ca. 9000 Euro] abzuschießen.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Eher Einladung als Warnung

Die Süddeutsche Zeitung hätte sich von der Nato deutlichere Worte gewünscht:

„Jedes Herumgeeiere der Nato animiert Moskau zu weiteren Provokationen. Und jede Provokation birgt das Risiko, dass es zu Missverständnissen oder Zusammenstößen kommt, die potenziell katastrophale Folgen haben können. Je klarer Russland daher mitgeteilt wird, was passiert, wenn es weiterhin Fluggeräte über die Ostgrenze des Bündnisses schickt, desto berechenbarer ist die Lage für Moskau. Setzt man voraus, dass auch der russische Machthaber Wladimir Putin im Moment keinen Krieg mit der Nato führen will, vermindert man so die Gefahr einer ungewollten Eskalation. ... Die Sorge, eine rote Linie auch durchsetzen zu müssen, die man selbst gezogen hat, ist in der Allianz offenbar zu groß. Wladimir Putin dürfte das eher als Einladung denn als Warnung verstehen.“