Ukraine: Korruptionsskandal im Selenskyj-Umfeld
Ukrainische Antikorruptions-Ermittler haben ein großes Korruptionsnetzwerk im Energiesektor aufgedeckt. Durchsuchungen gab es unter anderem beim – inzwischen suspendierten – Justizminister Herman Haluschtschenko, der zuvor Energieminister war, sowie in der Wohnung des einflussreichen Unternehmers Tymur Minditsch, einem langjährigen Vertrauten des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Nach Ermittlerangaben soll dem Staat ein Schaden von "rund 100 Millionen US-Dollar" entstanden sein.
Selbstmörderischer Verrat
Espreso ist erzürnt:
„Das Ganze wirkt wie etwas zwischen Selbstmord und Verrat – vor allem, wenn man bedenkt, dass die jüngsten russischen Angriffe genau auf jene Umspannwerke zielten, die die ukrainischen Atomkraftwerke mit Strom versorgen. Eines davon ist das Kernkraftwerk Chmelnyzkyj, das im Epizentrum des Korruptionsskandals steht. ... Wenn wir also fragen: Wo ist denn der versprochene Schutz [der Energieinfrastruktur]? Dann erinnert euch an die Sporttaschen voller Euro und Dollar, die offensichtlich für etwas Anderes gedacht waren – aber nicht dafür, dass die Menschen den Winter wenigstens mit minimalem Komfort überstehen oder dass unsere Truppen bei Pokrowsk ausreichend Drohnen haben.“
Präsident von allen Seiten bedrängt
Es ist keine einfache Zeit für Wolodymyr Selenskyj, befindet Corriere della Sera:
„Die Russen drängen an den Kampflinien, Korruptionsskandale schwächen die innere Front, und die Trump-Regierung scheint bereit zu sein, ihm Steine in den Weg zu legen, obwohl er eigentlich Waffen und Munition von den Verbündeten bräuchte. … Die innenpolitische Lage in der Ukraine wird zusätzlich durch einen Skandal belastet, in den mehrere Führungskräfte der nationalen Energieunternehmen verwickelt sind. Ein brisantes Thema, insbesondere jetzt, da die russischen Bombardierungen das Land ins Halbdunkel tauchen. ... Der Präsident, der in der Vergangenheit versucht hatte, die Arbeit der Ermittlungsbehörden zu boykottieren, begrüßt derzeit die Ermittlungen und fordert dazu auf, 'aufzuräumen'.“
Als Verschwörung nicht zielführend
Radio Kommersant FM erwartet nicht, dass der Skandal Selenskyj zu Fall bringen wird:
„Man kann in all dem eine große Verschwörung gegen Wolodymyr Selenskyj sehen. Etwa mit dem Ziel, auf ihn Druck auszuüben um ihn zu zwingen, seine Verhandlungsposition zu mildern, oder sogar, um den Rücktritt des Staatschefs zu erreichen. ... Es fällt auf, dass die ukrainischen Politiker sich nicht besonders darum reißen, sich hinter einer einzelnen Person zu versammeln, selbst angesichts der sehr schwierigen Lage. Dabei wird Selenskyj mit höchster Wahrscheinlichkeit seinen Posten nicht räumen und seine Haltung kaum ändern. Zwar hat er sich von Minditsch distanziert. Letzterer ist aber ausgereist, sodass er seinen alten Freund kaum anschwärzen wird.“