Parlamentswahl in Moldau: EU-Kurs bestätigt
In der Republik Moldau hat die pro-europäische Regierungspartei PAS um Präsidentin Maia Sandu die Parlamentswahl mit 50,2 Prozent gewonnen. Der russlandfreundliche Patriotische Block des früheren Staatschefs Igor Dodon kam auf 24,2 Prozent. Trotz leichter Verluste kann die PAS damit ohne Koalitionspartner den Weg des Landes in Richtung eines EU-Beitritts fortsetzen. Europas Medien beleuchten das Ergebnis.
Moskaus Orbit den Rücken gekehrt
Ein wichtiger Moment für ganz Osteuropa, urteilt der EU-Abgeordnete Liudas Mažylis in Delfi:
„Die PAS-Partei hat nicht nur gewonnen, sondern sich mit 55 Sitzen auch eine stabile Mehrheit im moldauischen Parlament gesichert – nötig wären lediglich 51. Damit verfügt die Regierungspartei über ein klares Mandat, ohne Koalitionskompromisse zu regieren. Der europäische Kurs kann ohne Unterbrechung fortgesetzt werden und Sandus Ziel, bis 2030 der EU beizutreten, bleibt eine realistische Perspektive. Wie zu erwarten war, entschieden sich die Menschen trotz beispiellosen Drucks für Stabilität und Demokratie – und nicht für eine Rückkehr in Moskaus Einflussbereich. ... Dieser Sieg sendet zugleich eine Botschaft an ganz Osteuropa: Es ist möglich, sich aus Moskaus Orbit zu lösen – und zwar endgültig.“
Sieg und Warnung zugleich
Moskau wird sich mit der Niederlage nicht so leicht abfinden, analysiert Dserkalo Tyschnja:
„Die Ergebnisse der Abstimmung sind ein Sieg und eine Warnung zugleich. Ein Sieg, weil es Moldau gelungen ist, dem enormen Druck von außen standzuhalten und den Kurs der europäischen Integration fortzuführen. Eine Warnung, weil der Kreml sich mit der Niederlage nicht abfinden und alles daran setzen wird, Moldau auf jede erdenkliche Weise zu destabilisieren. Protestaktionen, Informationskampagnen, Bestechung von Politikern – mit diesen Mitteln wird Moskau versuchen, langfristig Chaos im Land zu stiften, um den europäischen Kurs des Landes zu untergraben.“
Selenskyj sollte sich ein Beispiel nehmen
Die Kronen Zeitung rät dem ukrainischen Präsidenten, sich auch ein neues Mandat zu holen:
„Die freie Wahl in Moldau lässt erahnen, wie die Wahlen auf der Krim und in den ukrainischen Grenzprovinzen Donetsk und Luhansk zum Anschluss an Russland abliefen. Wer einmal in die Falle des Neostalinismus tappt, kommt aus dieser nicht mehr raus. Apropos Ukraine: Präsident Selenskyj, dessen Amtszeit kriegsbedingt schon lange abgelaufen ist, wäre anzuraten, sich ein neues Mandat vom Volk zu holen. Das stärkt die Abwehrkräfte, stärkt die Verhandlungsposition und würde der Kremlpropaganda den Wind aus den Segeln nehmen. ... Freie Wahlen sind eine gute Waffe gegen Russland.“
Nun muss massive Hilfe aus Brüssel kommen
The Irish Times erwartet, dass jetzt auch in den EU-Erweiterungsprozess Bewegung kommen wird:
„Sandus Partei kann nun darauf hoffen, die Umsetzung ihres Programms mit zusätzlichen EU-Hilfen für Infrastrukturprojekte und einem verbesserten Marktzugang zu beschleunigen. Aufgrund des Wahlergebnisses dürfte die Unterstützung aus Brüssel deutlich leichter zu erhalten sein. Dieses Resultat ist von großer Bedeutung, da die EU entscheiden muss, wie sie ihre eigenen Sicherheitsinteressen weiterentwickelt, um der aggressiveren politischen und militärischen Haltung Russlands in den Nachbarstaaten entgegenzuwirken. Die symbolische Tragweite dieses Ergebnisses übersteigt die Größe Moldaus und wird die Debatte für eine raschere Erweiterung der EU neu beleben.“
Kein Blankoscheck für Sandu
Laut dem moldauischen Medium agora haben viele Wähler aus Angst für die Regierungspartei gestimmt:
„Die PAS würde einen Fehler begehen, wenn sie dieses Ergebnis als Blankoscheck für ihre Regierungsarbeit sehen würde. Ein beträchtlicher Teil der Stimmen spiegelt weniger eine klare Zustimmung zur Agenda der Partei wider, als eher eine Ablehnung der kompromittierten, korrupten oder populistischen Alternativen. Viele Wähler haben sich aus Angst für jene Variante entschieden, die sie 'am sichersten' hielten, um den Frieden und die von Maia Sandu vorangetriebene proeuropäische Ausrichtung zu wahren. Diese Realität zwingt die PAS zu einer verantwortungsvollen und pragmatischen Regierungsführung, in der Reformen und konkrete Ergebnisse schnell sichtbar werden müssen, weil sonst das angesammelte Wahlkapital zu erodieren droht.“
Russischsprachige Mitbürger besser einbinden
Das Tageblatt mahnt:
„Mit Durchschnittsrenten von etwas über 200 Euro haben viele ältere Moldauer Probleme, über die Runden zu kommen – und bleiben für populistische Heilsbotschaften empfänglich. Über ein Drittel der Wähler haben für offen oder verdeckt prorussische Kräfte gestimmt: Solange es den proeuropäischen Kräften nicht gelingt, auch den von ihnen oft vernachlässigten oder gar misstrauisch beäugten russischsprachigen Teil der Bevölkerung zu erreichen und besser einzubinden, werden die Desinformationen des Kremls weiter verfangen.“
Moskaus Image mutiert ins Negative
Politologin Ekaterina Schulmann beschreibt auf Facebook den Wandel der Einstellung zu Russland in Ländern wie Georgien und Moldau:
„Die Russische Föderation hat sich in den vergangenen drei Jahren einen Ruf erarbeitet, mit dem es immer schwieriger wird, selbst jene offenherzigen Wähler anzulocken, die früher die Freundschaft zu Russland mit billigem Gas und hohen Renten in Verbindung bringen konnten. Vielleicht mochte die Losung 'Stimmt für die prorussische Partei, dann wird Russland uns nicht überfallen' noch [2024] bei den letzten Wahlen in Georgien überzeugend klingen. Nun mutiert sie aber zu 'Stimmt für die prorussische Partei, und Russland wird uns früher überfallen als ihr euch darauf vorbereiten könnt, und niemand wird euch schützen'.“
Wertvolles politisches Knowhow teilen
Journalistin Carmen Dumitrescu schreibt auf republica.ro, dass Rumänien vom Nachbarland Moldau lernen sollte, wie man sich einem hybriden russischen Desinformationskrieg widersetzt:
„Rumänien könnte seine Experten in der Republik Moldau ausbilden lassen, damit auch wir lernen, wie man gegen einen Informationskrieg vorgeht und ihn vor allem gewinnt. Denn wir haben die russischen Methoden schon vergessen, weil wir uns an die Demokratie und das Gute gewöhnt haben. Die Republik Moldau konnte all das nicht vergessen. Dadurch wusste das Land aber auch, wie es sich mobilisieren muss. Es hat heldenhaft gekämpft und es geschafft, die Wähler zu überzeugen, dass der demokratische und europäische Weg der richtige ist.“