Was tun gegen Wohnungsnot in Europa?

Steigende Mieten und fehlender Wohnraum waren in Europa vor allem in den Städten schon vor der Pandemie ein Problem. Nun haben Krieg, Inflation, hohe Energie- und Baukosten das Problem weiter verschärft. In Europas Kommentarspalten analysiert man die Lage und debattiert, was jetzt nötig ist.

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Irish Independent (IE) /

Nicht voreilig auf Lorbeeren ausruhen

Die jahrelange Krise auf dem irischen Wohnungsmarkt scheint etwas nachzulassen, analysiert Irish Independent:

„Der Fortschrittsbericht der Regierung für das vierte Quartal 2022 mit dem Titel 'Wohnen für alle' zeigt, dass die Wohnraumziele für das letzte Jahr erreicht und übertroffen wurden. Fortschritte den Bereichen Erschwinglichkeit, Verfügbarkeit und bei der Reform des Planungssystems wurden ebenfalls erreicht. ... Dieser Erfolg hat einen hohen Preis - nämlich 4,5 Milliarden Euro staatlicher Wohnungsbauinvestitionen. Diese Höhe mag auf Dauer nicht tragbar sein, spiegelt aber die Werte einer fürsorgenden Gesellschaft wider. ... Das Thema muss weiter im Fokus stehen, denn Irland hat eine wachsende Bevölkerung mit immer mehr Haushalten. “

Le Quotidien (LU) /

Herzlose Spekulanten

Neuerdings müssen auch Luxemburger zum Arbeiten pendeln, weil Wohneigentum in ihrem Heimatland unerschwinglich geworden ist, klagt Le Quotidien:

„Bislang mussten die Luxemburger in der Geschichte des Landes nur in sehr seltenen Fällen in der Hoffnung auf ein besseres Leben auswandern. Derzeit geht es allein darum, einen Ort zu haben, den man als sein Zuhause bezeichnen kann. ... In der Großregion [Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Wallonien] wimmelt es von Expats. Die Welt steht Kopf. Den Spekulanten ist das egal. Die meisten von ihnen leben nicht hier. Sie sehen ihre Kinder, Freunde, Nachbarn nicht wegziehen. Sie verabreden sich in den Emiraten, in Florida oder anderswo, um über Business und neuste Käufe zu sprechen. Der soziale Zusammenhalt und das Leben der anderen haben dort oben in ihren Glastürmen kaum Wert.“

Expresso (PT) /

Gerechte Steuern und sozialer Wohnungsbau

Die Verkaufspreise für Wohnhäuser und Wohnungen sind in Portugal im vergangenen Jahr um fast 19 Prozent gestiegen - vor allem auch wegen der hohen Nachfrage ausländischer Investoren. Publizist Daniel Oliveira klagt in Expresso:

„Trotz aller Versprechungen werden weiterhin 'goldene Visa' verteilt, die nun mit der Ungerechtigkeit einhergehen, dass digitale Nomaden oder Personen, die sich nicht regelmäßig im Land aufhalten, die Hälfte der Steuern zahlen. ... Es gibt keinen Grund, ausländische Staatsangehörige daran zu hindern, in Portugal Häuser zu kaufen oder zu mieten. ... Ich spreche mich nur dafür aus, dass sie die gleichen Steuern zahlen wie die Portugiesen. ... Die Lösung ist die, die es in weiten Teilen Europas gibt: öffentliche Investitionen in den Wohnungsbau.“

Polityka (PL) /

Inflation befeuert Investitionen in Immobilien

Auch Polityka fordert mehr öffentlichen Wohnungsbau:

„Der fast vollständig privatisierte polnische Wohnungsmarkt ist gütig zu den Reichen, aber rücksichtslos gegenüber allen anderen. Auch wenn die Politiker vor den Wahlen zeigen wollen, dass der Staat wieder mitspielt, sollten wir uns nicht vom Schein täuschen lassen. Nach mehr als sieben Jahren PiS-Regierung geht es sowohl Bauträgern als auch Immobilienentwicklern sehr gut. Und die anhaltende Krise wird sie wahrscheinlich nur weiter stärken. Denn die Verzweifelten wollen einfach irgendwo wohnen und können es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Und die Wohlhabenden investieren ihre Überschüsse aus Angst vor der Inflation weiterhin in Immobilien, selbst in Kleinstwohnungen oder bis auf den letzten Zentimeter bebaute Wohnsiedlungen.“

Dagens Nyheter (SE) /

Sozialdumping beenden

Der akute Mangel an Mietwohnungen in Schweden wirkt sich negativ auf die Integrationsmöglichkeiten für Migranten aus, bemerkt Dagens Nyheter:

„Alle Kommunen müssen beginnen, Verantwortung für die soziale Wohnungspolitik zu übernehmen. ... Es geht nicht an, dass beispielsweise Stockholm große Summen darauf verwendet, Neuankömmlinge in Wohnungen in anderen Kommunen abzuschieben. Sie landen dann oft in ärmeren Gemeinden mit einem schlechteren Arbeitsmarkt, bisweilen gegen ihren Willen - es handelt sich also um Sozialdumping. Passieren muss aber das Gegenteil: Jene, die vom Arbeitsmarkt am weitesten entfernt sind, müssen dort wohnen können, wo der Arbeitsmarkt am stärksten ist. Schließlich verläuft der Weg zu einer stabilen Wohnsituation in der Regel über einen Job.“

Zeit Online (DE) /

Gegen hohe Mieten hilft nur ein Deckel

Einer am 12. Januar vom Verbändebündnis Soziales Wohnen vorgestellten Studie zufolge fehlen in Deutschland derzeit 700.000 Wohnungen. Intensiver Neubau allein löst das Problem hoher Mieten aber nicht, betont Zeit Online:

„Man kann in deutschen Städten kurzfristig gar nicht so viele neue Wohnungen schaffen, wie notwendig wären, um damit die Mietpreise zu senken. ... Solange es mehrere Bewerber auf eine Wohnung gibt, und seien es auch nur fünf oder zehn, solange sind die Eigentümer im Vorteil, wenn es um die Verhandlung des Mietpreises geht. Und solange werden sie das in einer Marktwirtschaft auch nutzen. ... Die Mieten werden immer steigen ..., wenn man sie nicht von staatlicher Seite stärker beschränkt, beispielsweise durch einen Mietendeckel.“