Was bringt das Superwahljahr 2024?

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung wird dieses Jahr mit ihrem Stimmzettel über ihre politische Zukunft entscheiden. Kommentatoren richten bange Blicke darauf, was die Wahlen von Großbritannien über die USA, Russland und Indien bis hin zu Taiwan für Europa und die Welt bedeuten könnten.

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The Irish Times (IE) /

Wachsame Augen auf KI

Neue Technologien sind immer mehr geeignet, Wahlentscheidungen zu manipulieren, warnt The Irish Times:

„Trotz einiger begrüßenswerter Fortschritte bei der Regulierung – insbesondere in der EU – haben es Regierungen weltweit bislang versäumt, Technologieunternehmen angemessen in die Pflicht zu nehmen. Für das Jahr 2024 steht deshalb zu befürchten, dass eine neue Welle von technologischen Werkzeugen zum Einsatz kommt, die mit künstlicher Intelligenz wie ChatGPT funktioniert, und den Informationsraum mit gefälschten Videos, Bildern, Audios und Texten überschwemmt, welche die Wähler in die Irre führen und den Diskurs vergiften. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Befürchtungen bewahrheiten, aber unablässige Wachsamkeit wird erforderlich sein.“

Pawlo Klimkin (UA) /

Es geht um die Freiheit

Ein globaler Kampf, der auch in der Ukraine geführt wird, zeichnet sich ab, schreibt der Ex-Außenminister der Ukraine, Pawlo Klimkin, auf Facebook:

„'Wer siegt': Die Demokratien, selbst die unvollkommenen, oder die autoritären Regimes? Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass die Demokratien diesen Wettkampf gewinnen, und der Westen ist sich dessen wohl bewusst. Er weiß auch, dass es nach dem Beschluss, Verhandlungen über den EU-Beitritt der Ukraine aufzunehmen, nun darum geht, wer die Grenzen Europas und des Westens tatsächlich festlegt – der Westen oder die Russische Föderation. Die Reaktion auf die russische Rakete im polnischen Luftraum ist ein weiterer Beweis, dass der Westen den Einsatz nicht erhöhen wird, was ich übrigens für einen Fehler halte, da Moskau das als Schwäche empfindet.“

Kathimerini (GR) /

Monate der Unsicherheit

Kathimerini blickt besorgt nach fern und nah:

„Niemand wagt es heute, auszuschließen, dass Trump ins Weiße Haus zurückkehrt (sogar noch mit einer republikanischen Mehrheit im Kongress), mit allem, was dies für die Stabilität des Systems der 'Global Governance' bedeutet. Wenn Taiwan den Kandidaten wählt, der die Insel als de facto unabhängig ansieht, könnte China seinen militärischen Druck in der Region erhöhen, was eine stärkere Intervention der Vereinigten Staaten und Unruhe in der Weltwirtschaft zur Folge hätte. In der Türkei werden die Folgen der Wahlen davon abhängen, ob Erdoğan eine Annäherung an die kurdischen Wähler anstrebt, damit seine Kandidaten eine Chance auf Sieg haben, oder ob er weiterhin auf extrem rechte Parteien angewiesen ist.“

Český rozhlas (CZ) /

Trump könnte Europa im Regen stehen lassen

Český rozhlas sieht in den US-Präsidentschaftswahlen das größte Risiko für 2024:

„Sollte Donald Trump siegen, besteht nicht nur die reale Gefahr einer Schwächung der transatlantischen Zusammenarbeit, sondern auch einer Schwächung der amerikanischen Demokratie. Trump macht auch schon lange keinen Hehl daraus, dass er kein Unterstützer der Ukraine im Krieg mit Russland ist. Er ist bekannt für seine Bewunderung für starke autoritäre Führer wie Russlands Wladimir Putin. Im Extremfall könnte die Wahl Trumps dazu führen, dass die EU nicht nur mit ihrer Unterstützung für die Ukraine allein gelassen wird, sondern auch mit ihren Bemühungen, der russischen Expansion effektiv entgegenzuwirken.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Potenzial nicht verkennen

Trotz aller populistischen Gefahren hofft die Süddeutsche Zeitung auf die positive Kraft von Wahlen:

„Welche befreiende und euphorisierende Wucht Wahlen haben können, zeigen gerade die Polen. Solche Befreiungsmomente sind selten im demokratischen Geschäft, aber von enormer Strahlkraft. Wer weiß, ob nicht auch eine Scheinwahl in Belarus, Iran oder gar Russland jenen Funken schlägt, der die Hoffnung entzündet? Es ist bezeichnend, dass selbst Diktatoren wie Wladimir Putin sich mit dem Mäntelchen einer demokratischen Wahl wärmen wollen. Niemals also waren Wahlen populärer als 2024 - aber auch niemals war die populistische Versuchung so groß.“

Irish Examiner (IE) /

Auf die Jugend kommt es an

Entscheidend für das Superwahljahr 2024 wird sein, wer die jungen Wähler für seine Inhalte mobilisieren kann, prophezeit Irish Examiner:

„Die Jungen sind der politische Goldschatz, der bei vielen Wahlen eine große Rollen spielen könnte, vom Vereinigten Königreich über die USA und Taiwan bis hin zu Indien, Russland und hierzulande. ... Jüngere Wähler sind weniger geneigt, Persönlichkeiten zu unterstützen, sondern werden Kandidaten wählen, die ihre Leben und ihre Grundwerte ansprechen, oder im Idealfall beides. In Amerika ist das Abtreibungsrecht das heiße Thema, in Großbritannien wird es die Krise der Lebenshaltungskosten sein und in Irland wird es in erster Linie um Wohnraum gehen.“

Adevărul (RO) /

EU mit Reformen gegen Populisten wappnen

Adevărul wirft einen Blick auf die Wahl zum Europaparlament am 9. Juni:

„Diese Wahlen werden frei, doch mit Sicherheit vom Aufstieg populistischer Parteien geprägt sein. Sicher, es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die große Koalition zwischen Christdemokraten, Sozialisten und progressiven Liberalen in verschiedenen Formen auch nach 2024 fortgesetzt wird. Aber in vielen Mitgliedsstaaten werden die an die Macht gelangten populistischen Parteien eine weitere europäischen Integration erschweren. ... Die Europäische Union wird wegweisende Entscheidungen treffen müssen, wenn es darum geht, demokratische und menschenrechtliche Standards aufrechtzuerhalten. Denn das derzeitige System ermöglicht es illiberalen Demokratien wie Ungarn, Reformen zu blockieren.“