Wahlkämpfe: Vom Verschwinden der Inhalte

Europa steht vor einem Super-Wahl-Sonntag: In Rumänien findet die zweite Runde der Präsidentschaftswahl statt, in Polen die erste. Und Portugal wählt ein neues Parlament. Darüber, dass im rumänischen Wahlkampf Tiktok eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte, wurde schon viel geschrieben. Nun klagen auch Kommentatoren aus den anderen beiden Ländern über den Mangel an inhaltlichen Debatten.

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Correio da Manhã (PT) /

Infantilisierung verdrängt Politik

Correio da Manhã macht die sozialen Netzwerke dafür verantwortlich, dass wichtige weltpolitische Themen im portugiesischen Wahlkampf nicht zur Sprache kommen:

„Dies ist der erste Wahlkampf, der von Tiktok dominiert wird, einem sozialen Netzwerk, das die Infantilisierung der Menschen zementiert. Die Notwendigkeit, ein neues Publikum anzusprechen, veranlasst sogar Menschen mit einer gewissen Denkfähigkeit dazu, lächerliche Videos zu veröffentlichen, die einen fortlaufenden Prozess der Verblödung darstellen. ... Von dem Zollkrieg, der unseren Geldbeutel betrifft, dem Völkermord in Gaza, der unsere Seele beunruhigen sollte, dem Wettrüsten oder den Umweltfragen ist hingegen kaum die Rede.“

Visão (PT) /

Bloß nicht anecken!

Nicht Inhalte, sondern Äußerlichkeiten zählten im Wahlkampf in Portugal, schreibt Visão:

„Anstatt Ideen zu verbreiten oder für ihre Vorschläge zu mobilisieren, war man nur darauf bedacht, das Bild der Hauptkandidaten zu prägen. Sie sollten als freundlich, lächelnd, aktiv und fröhlich dargestellt werden. Selbst wenn [der konservative Amtsinhaber] Luís Montenegro und [sein sozialistischer Herausforderer] Pedro Nuno Santos kämpferischer auftreten mussten, hatte man stets den Eindruck, dass ihre entschlossenen Blicke oder aufgeregten Reden gezügelt wurden, um keine Gefühle zu verletzen oder Ablehnung beim Zielpublikum zu erzeugen.“

Rzeczpospolita (PL) /

Persönlichkeiten verdrängen Programme

Rzeczpospolita erkennt eine zunehmende Personalisierung des Politischen:

„Den Menschen fällt es leichter, sich zwischen Spitzenkandidaten der Parteien zu entscheiden als zwischen Parteiprogrammen. Erstere wecken Emotionen und schaffen eine Bindung zwischen den Wählern und den Kandidaten, während letztere schwer zu verstehen sind und keine starken emotionalen Bindungen erzeugen. Das Aufkommen der sozialen Medien hat diesen Trend erheblich verstärkt. Einfach ausgedrückt: Es ist einfacher, Tusk zu hassen und Kaczyński zu lieben (oder umgekehrt), als ein Anhänger des PO-Programms und ein Gegner des PiS-Programms zu sein (oder umgekehrt).“