Proteste in Los Angeles: Trump setzt Nationalgarde ein
Nach der Mobilisierung von Nationalgarde und Marine-Infanteristen in Los Angeles gehen die Proteste gegen die rigorose Einwanderungspolitik der US-Regierung weiter. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom bezeichnete den Einsatz der Streitkräfte durch US-Präsident Donald Trump als "Provokation", die den Kern der Demokratie bedrohe. Europas Presse ordnet ein.
Passende Gelegenheit zur Ablenkung
Die Ausschreitungen in Los Angeles und die Aufregung um die Entsendung der Nationalgarde kommen Trump gerade gelegen, meint news.bg:
„Trump wusste, dass er neue Schlagzeilen braucht, die den Informationsfluss verändern würden, der in den letzten Tagen vom flammenden Streit zwischen ihm und seinem – bis vor Kurzem – Sponsor und Berater Elon Musk dominiert war. Trump musste einfach das öffentliche Narrativ ändern. Dafür hat er ein Gespür, denn er ist eher Medienmann als Politiker. ... Die Reaktion der US-Medien war vorhersehbar: Die Zusammenstöße in Kalifornien haben in der Berichterstattung Musks Tweets und die Kontroverse um das Weiße Haus verdrängt.“
Auch Kalifornien muss für Ruhe sorgen
Die Verantwortlichen der Demokraten können ihren Teil beitragen, die Lage zu beruhigen, findet Berlingske:
„Nichts deutet darauf hin, dass Gavin Newsom oder die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, den Wettstreit mit Trump gewinnen können, indem sie sich empören und wütend sind. Man muss sich auch fragen, ob es klug ist, dass Los Angeles die öffentliche Meinung provoziert, indem es sich zu einer Zufluchtsstadt für illegale Einwanderer macht. Wenn Newsom und Bass sich gegen Trump durchsetzen wollen, müssen sie die Unruhen sehr schnell unter Kontrolle bringen, indem sie die Polizei ihre Arbeit machen lassen. Gleichzeitig müssen sie natürlich auf dem Recht auf friedlichen Protest beharren.“
Ein Test der Dialogfähigkeit
Der Streit zwischen Trump und Newsom könnte auch eine positive Entwicklung in Gang setzen, schreibt Diário de Notícias:
„Die Auseinandersetzung zwischen der Bundeshauptstadt Washington und Kalifornien ist ein guter Test für die Fähigkeit der amerikanischen politischen Klasse, im Namen des nationalen Interesses Kompromisse zu schließen. Die Trump-Administration hat es mit dem Gouverneur eines Staates zu tun, der nicht nur der bevölkerungsreichste des Landes ist, sondern, wäre er unabhängig, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt wäre. Trump und Newsom sollten ungeachtet ihrer Ambitionen, ein Vermächtnis schaffen zu wollen oder Höhenflüge zu versuchen, erkennen, dass sie einen Dialog führen müssen, um Lösungen zu finden.“
Imageschaden für die Werte des Westens
Was in den USA geschieht, kann die Strahlkraft der liberalen Demokratien beeinträchtigen, schreibt Expresso:
„Dieses Amerika ist nicht nur nicht ideal, sondern im Vergleich zu den sich abzeichnenden Alternativen – China und die 'illiberalen Demokratien' – in den Augen vieler sogar noch schlimmer. Es ist ungeordneter, unsicherer, unberechenbarer und moralisch verloren. Und dieser Imageschaden endet nicht in Washington. Wenn die Welt davon überzeugt ist, dass die amerikanische Dekadenz unvermeidlich ist und ihre Hauptursache im politischen und wirtschaftlichen Modell liegt, werden der Ruf der liberalen Demokratien und die internationale Ordnung der Nachkriegszeit sowie der Zeit nach dem Kalten Krieg nicht überleben. Und dann ist es nicht nur Amerika, das untergeht, sondern wir alle, der Westen.“
Veritable Verfassungskrise voraus?
Das Handelsblatt analysiert:
„[H]ier geht es um die letzte Bastion der amerikanischen Demokratie, die der Präsident sich jetzt vornimmt: den Föderalismus. ... Trump ist dabei, hier seine machtpolitischen Grenzen auszutesten. Und es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die westliche Führungsmacht vor einer veritablen Verfassungskrise stehen könnte. ... Das alles fügt sich zu einem antidemokratischen Bild, das alarmierender kaum sein könnte. Für einen Tag werde er 'Diktator' sein, hatte Trump im Wahlkampf halb scherzhaft gesagt. Gut, es hat eben doch etwas länger gedauert, das politische System allein am Präsidenten auszurichten, denkt er sich wahrscheinlich heute.“
Ultimative Kraftprobe
Die Proteste sind eine ernstzunehmende Herausforderung für den US-Präsidenten, betont Irish Independent:
„Die Frauenmärsche und Black-Lives-Matter-Proteste während seiner ersten Amtszeit mögen manchmal lautstark und chaotisch gewesen sein, doch richtete sich deren Gewalt nie gegen das Weiße Haus. ... Die Situation ist derzeit anders. Ganz anders. ... Die Demonstranten in Kalifornien könnten sich als ultimative und höchst unerwartete Gegenspieler von Trump erweisen, dessen fast unangefochtene Erfolgssträhne nun offenbar zu Ende geht. ... Für viele illegale Migranten, denen die Abschiebung droht, ist die Aussicht auf Verhaftung oder sogar Tod nicht schlimmer als die potenzielle Gewalt, die sie in ihren Heimatländern erwartet. Es sind Menschen, die nichts zu verlieren haben.“
Spiel mit vermeintlichen Notständen
Hinter der gewaltsamen Vorgehensweise gegen die Demonstranten in Kalifornien ortet der Kurier Kalkül:
„Im Grunde ist es überall das gleiche Drehbuch: Ob es die Zölle sind, der Kreuzzug gegen die Elite-Universität Harvard oder der Kampf gegen die illegale Immigration – immer sieht die Trump-Administration Notstände und Bedrohungen der nationalen Sicherheit, mit denen der US-Präsident Maßnahmen rechtfertigt, die Grenzen seiner präsidialen Befugnisse zu überschreiten.“
Drohende Spirale der Gewalt
Göteborgs-Posten befürchtet, dass migrationsbedingte Probleme auf diese Weise eskalieren und außer Kontrolle geraten:
„Die USA befinden sich in einem Dilemma. Die massenhafte illegale Einwanderung aus dem Süden hat zu sozialen Problemen wie Kriminalität geführt und drückt die Löhne in einigen Wirtschaftszweigen. In einigen Gebieten wird Englisch durch Spanisch ersetzt. Die Integration wird durch die schiere Menge der Menschen erschwert. Die Spaltung des Landes nimmt daher zu. Die meisten Amerikaner sind gegen diese Entwicklung. ... Untätigkeit wird von der amerikanischen Bevölkerung kaum akzeptiert. Trumps Methoden könnten indes zu einer Spirale der Gewalt führen, die weder er noch irgendjemand sonst vollständig unter Kontrolle hat.“
Auf dem Weg zur Autokratie
Trump überschreitet eklatant seine Befugnisse, prangert Dnevnik an:
„Sowohl der Widerstand gegen seine Zölle als auch der Widerstand gegen seine Einwanderungspolitik lassen Zweifel am Kern seiner Maga-Politik aufkommen. Um diesen zu schützen, ist er bereit, über die in der Verfassung verankerten Befugnisse hinaus zu handeln, wodurch er die bestehende amerikanische Rechtsordnung relativiert, Macht auf gefährliche Weise personalisiert und die amerikanische Demokratie immer weiter in autokratische Gewässer drängt. Wenn er, politisch machtbesessen, erklärt, die Grundlage für die Entsendung von Marines nach Kalifornien sei seine eigene Meinung, ist es Zeit für eine Verfassungsbeschwerde. Dies sollte auch in der Republikanischen Partei erkannt werden.“