EU-Budget: Zumutung für die Mitgliedsstaaten?
Die EU-Kommission hat einen neuen Haushalt für die Jahre 2028 bis 2034 in Höhe von rund zwei Billionen Euro vorgeschlagen. Das wären etwa 700 Milliarden Euro mehr als im aktuellen Haushalt vorgesehen sind. Gleichzeitig soll weniger Geld fest verplant werden, um im Krisenfall schneller und flexibler reagieren zu können. Europas Presse debattiert die Höhe des Haushalts und die Prioritäten bei der Mittelverteilung.
Und die Regionen schauen in die Röhre
Der Nordschleswiger befürchtet:
„Der sogenannte 'Mehrjährige Finanzrahmen' (MFR) für die Jahre 2028 bis 2034 entmachtet die Regionen und die Lokalen Aktionsgruppen und gibt den nationalen Regierungen die Entscheidungshoheit darüber, welche Entwicklungsprojekte gefördert werden sollen. Im Klartext heißt das: Regionen wie Nord- und Südschleswig, die in den Hauptstädten keine starke Lobby haben, gucken im Zweifel in die Röhre. ... Die wirkliche kulturelle Vielfalt Europas zu bewahren anstatt nur national gewünschte Kultur, das geht nur, wenn das Europa der Regionen und der lokalen Entscheidungen gestärkt wird. Ein Europa, in dem gerade Kulturschätze wie Minderheiten, Regionalsprachen und andere kulturelle Besonderheiten gefördert und vor der Willkür nationaler Regierungen geschützt werden.“
Ungarn wird als Kolonie behandelt
Mit drastischen Worten schimpft die regierungsnahe Magyar Nemzet auf Brüssel:
„Es ist die hemmungslose Anmaßung von Ursula von der Leyen und Manfred Weber, die wirklich erschreckend ist, denn das letzte Mal haben sich Hitler und Stalin geleistet, sowas den kleinen Nationen Europas anzutun. ... Hinsichtlich der Fördergelder ist dies ein Budget, das so tut, als ob die Ukraine ein vollwertiges EU-Mitglied wäre und die ukrainische Landwirtschaft der wichtigste Agrarsektor in der Union wäre. ... Er ist ein diktatorischer, imperialistischer und im Grunde genommen kriegerischer Haushaltsentwurf, der Ungarn und die anderen mitteleuropäischen Länder auf spektakuläre Weise als Kolonien behandelt.“
Eine verpasste Chance
El País ist enttäuscht:
„Der neue Haushalt bleibt weit hinter dem Zwei-Prozent-Ziel [des BIP der Mitgliedstaaten] zurück, das viele Beobachter vorausgesagt hatten, als von der Leyen eine Revolution ankündigte. ... Er erfüllt auch Mario Draghis Forderung nicht, das Investitionsdefizit von vier bis fünf Prozent des BIP in der EU anzugehen. Die Kürzungen im Kohäsionsfonds könnten ein entscheidendes Element des EU-Projekts bedrohen. Es besteht die Gefahr, dass die nationalen Interessen mehr Gewicht bekommen als die europäischen. ... Die viel gepriesenen Berichte von Letta und Draghi hatten eine Vertiefung des Binnenmarktes und der wirtschaftlichen Integration empfohlen, um halbwegs solvent auf der globalen Bühne konkurrieren zu können. ... Eine verpasste Chance.“
Landwirte werden im Stich gelassen
Kürzungen bei Agrar-Subventionen sind für Naftemporiki ein völlig falscher Ansatz:
„Zu einer Zeit, in der alle von der Notwendigkeit einer Entwicklungspolitik für den Primärsektor sprechen, wird eine drastische Kürzung der derzeitigen Mittel gefördert, die bereits vor zehn Jahren um 20 Prozent niedriger waren als geplant. Das Ergebnis ist die schlechteste Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)-Reform aller Zeiten. ... Von der Leyen und ihre Kommission schrecken nicht davor zurück, die europäischen Landwirte zu 'jagen'. In einer Zeit, in der die Weltmärkte die Preise diktieren, haben andere Länder der Primärproduktion den Vorrang gegeben und der Wettbewerb wird immer härter.“
Absolut notwendige Milliarden
Angesichts der Krisen der Welt findet es Politiken völlig verständlich, dass die EU-Kommission eine Schippe drauflegen will:
„Es wäre doch seltsam, wenn die Europäische Kommission bei allen aktuellen Herausforderungen und der düsteren Warnungen in den letztjährigen Berichten von Letta und Draghi ihre Ambitionen nicht steigern würde. Und obwohl ein Siebenjahresbudget von 15.000 Milliarden Kronen [rund zwei Billionen Euro] viel klingt, entspricht es lediglich 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens.“
Keine Zeit für Geiz
Kritik aus dem eigenen Land für die hohen Kostenforderungen der EU blockt Sydsvenskan ab:
„Schwedens traditionell geizige Haltung gegenüber allen EU-Angelegenheiten wird immer unpassender, da die Verantwortung und Bedeutung der EU für das Klima, die Sicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt wachsen. ... Die Interessen Schwedens und der schwedischen Steuerzahler müssen in den Verhandlungen, die voraussichtlich bis 2027 dauern werden, geschützt werden. Doch jetzt ist nicht die Zeit, geizig zu sein – denn Schweden profitiert am meisten von einem vereinten und starken Europa.“
Subventionen geben falsche Anreize
Ausgerechnet in der Landwirtschaft, einer der größten Haushaltsposten, bleibt alles beim Alten, beklagt tagesschau.de:
„Das Prinzip lautet: Wer die größten Flächen bewirtschaftet, bekommt auch in Zukunft das meiste Geld aus den EU-Töpfen. Damit werden seit Jahrzehnten falsche Anreize gesetzt. Massenproduktion wird belohnt und den Profit haben nicht die bäuerlichen Familienbetriebe, sondern an erster Stelle die Agrarindustrie. Den größten Gewinn machen Investoren, die mit Landwirtschaft überhaupt nichts zu tun haben. ... Das Mindeste, was die Steuerzahler - also wir alle - erwarten können, ist, dass die Milliarden wenigstens an Bedingungen gekoppelt werden. Wer im Einklang mit der Natur wirtschaftet, verdient unsere Unterstützung. Großanleger und reine Grundbesitzer brauchen sie nicht.“
Mehr Markt, weniger Bürokratie
Die Fortführung der Direktsubventionen an die Landwirtschaft findet auch Postimees bedauernswert:
„Die Kommission versucht laut ihrer Rhetorik, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu erhöhen. Sie sollte bedenken, dass der richtige Weg dorthin nicht über marktverzerrende Direktsubventionen führt, sondern über den Abbau von Bürokratie und Vorschriften und die Beseitigung möglichst vieler Hindernisse für Unternehmen im Binnenmarkt, was ja das ursprüngliche Ziel der EU-Gründung war.“
Grenzenlose Geldgier
Dieser Haushaltsvorschlag ist einfach nur maßlos, wütet De Telegraaf:
„Die Geldgier der Brüsseler Bürokraten kennt keine Grenzen. Die EU-Kommission unter Leitung von Präsidentin von der Leyen scheint nur damit beschäftigt zu sein, sich mehr Macht anzueignen. ... 'Der ehrgeizigste Haushalt aller Zeiten', nennt ihn von der Leyen. Sie meint natürlich den größenwahnsinnigsten Haushalt, den man sich vorstellen kann. ... Die Kommission zeigt erneut keinerlei Verständnis für die wirtschaftliche Lage in den EU-Mitgliedstaaten. Außerdem ist sie taub für die Kritik der Bürger. ... Hier liegt auch eine wichtige Aufgabe für eine neue Regierung: Standhaftigkeit ist notwendig.“
Ein Fall von Hochstapelei
Woher das ganze Geld kommen soll, fragt sich der Tagesspiegel:
„Eigentlich soll die EU sich aus Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren. Konkret: aus einem festen Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieser Nationalstaaten. Bisher waren das 1,1 Prozent; künftig sollen es 1,23 Prozent sein. Dieser Steigerung müssen die nationalen Regierungen aber zustimmen. Wie wahrscheinlich ist das? Die haben selbst Budgetprobleme. ... Das 'Schicksalsbuch Europas', das von der Leyen vorgestellt hat, gleicht Hochstapelei. Einnahmen und Ausgaben passen in mehrfacher Hinsicht nicht zueinander.“
Alle Seiten unzufrieden
Dass der Vorschlag wirklich nirgendwo Anhänger findet, stellt La Repubblica amüsiert fest:
„Unzureichend und überhaupt nicht europäisch, meinen die EU-Parlamentarier. Zu hoch, sagen die sparsamen Niederlande und Deutschland, die sich als erste Länder geäußert haben. Ein Angriff auf die Landwirtschaft, schreien die Landwirte, die bereits auf der Straße sind (vorerst ohne Traktoren und Dünger). Ein Schlag, der der Kohäsionspolitik das Rückgrat bricht, meinen die Regionen. Zu viele Steuern, finden die souveränistischen Rechten. Dass der neue Haushaltsplan der Kommission bereits vielen – fast allen – missfällt, könnte auch ein positives Zeichen sein. Auf jeden Fall ist es das Vorspiel für einen erbitterten Kampf der Macht, der Interessen, der Lobbys und des Konsenses.“
Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten
Es ist kein Wunder, dass einige Länder bei solch kostenträchtigen Vorschlägen vorsichtig sind, meint Jutarnji list:
„In manchen Mitgliedsstaaten wie den Niederlanden, Schweden, Deutschland und Österreich schaffte es die extreme Rechte Wählerstimmen zu gewinnen mit der Rhetorik, ihr Land würde 'immer zu viel an die EU zahlen'. Die Regierungen dieser Länder sind deshalb vorsichtig und möchten diesen radikalen politischen Kräften nicht noch zusätzliche Argumente geben, weshalb man sich gegen die Erhöhung der Beiträge an den EU-Haushalt sträubt. Doch wird ohne eine Beitragserhöhung die Finanzierung der von der EU geplanten Prioritäten nicht machbar sein.“
Bauernproteste garantiert
Mit jeweils mehr als 400 Milliarden Euro fließt derzeit das mit Abstand meiste Geld in Europas Landwirtschaft und die sogenannte Kohäsionspolitik, mit der schwach entwickelte Regionen unterstützt werden. Das könnte sich laut dem neuen EU-Haushalt ändern. Der EU-Korrespondent László Arató sieht erheblichen Zündstoff in Magyar Hang:
„Die ungarische Regierung – aber auch andere in Europa – werfen der Europäischen Kommission vor, die Mittel für die gemeinsame Agrarpolitik um 20 Prozent kürzen zu wollen. Darüber ist eine heftige Debatte im Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments entstanden. ... Mit Sicherheit muss man davon ausgehen, dass es in den größeren Städten Europas erneut zu Bauernprotesten kommen wird.“