EU-Budget: Zumutung für die Mitgliedsstaaten?

Die EU-Kommission hat einen neuen Haushalt für die Jahre 2028 bis 2034 in Höhe von rund zwei Billionen Euro vorgeschlagen. Das wären etwa 700 Milliarden Euro mehr als im aktuellen Haushalt vorgesehen sind. Gleichzeitig soll weniger Geld fest verplant werden, um im Krisenfall schneller und flexibler reagieren zu können. Europas Presse zeigt teilweise Verständnis, macht aber auch Verbesserungsvorschläge.

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Politiken (DK) /

Absolut notwendige Milliarden

Angesichts der Krisen der Welt findet es Politiken völlig verständlich, dass die EU-Kommission eine Schippe drauflegen will:

„Es wäre doch seltsam, wenn die Europäische Kommission bei allen aktuellen Herausforderungen und der düsteren Warnungen in den letztjährigen Berichten von Letta und Draghi ihre Ambitionen nicht steigern würde. Und obwohl ein Siebenjahresbudget von 15.000 Milliarden Kronen [rund zwei Billionen Euro] viel klingt, entspricht es lediglich 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens.“

Sydsvenskan (SE) /

Keine Zeit für Geiz

Kritik aus dem eigenen Land für die hohen Kostenforderungen der EU blockt Sydsvenskan ab:

„Schwedens traditionell geizige Haltung gegenüber allen EU-Angelegenheiten wird immer unpassender, da die Verantwortung und Bedeutung der EU für das Klima, die Sicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt wachsen. ... Die Interessen Schwedens und der schwedischen Steuerzahler müssen in den Verhandlungen, die voraussichtlich bis 2027 dauern werden, geschützt werden. Doch jetzt ist nicht die Zeit, geizig zu sein – denn Schweden profitiert am meisten von einem vereinten und starken Europa.“

tagesschau.de (DE) /

Subventionen geben falsche Anreize

Ausgerechnet in der Landwirtschaft, einer der größten Haushaltsposten, bleibt alles beim Alten, beklagt tagesschau.de:

„Das Prinzip lautet: Wer die größten Flächen bewirtschaftet, bekommt auch in Zukunft das meiste Geld aus den EU-Töpfen. Damit werden seit Jahrzehnten falsche Anreize gesetzt. Massenproduktion wird belohnt und den Profit haben nicht die bäuerlichen Familienbetriebe, sondern an erster Stelle die Agrarindustrie. Den größten Gewinn machen Investoren, die mit Landwirtschaft überhaupt nichts zu tun haben. ... Das Mindeste, was die Steuerzahler - also wir alle - erwarten können, ist, dass die Milliarden wenigstens an Bedingungen gekoppelt werden. Wer im Einklang mit der Natur wirtschaftet, verdient unsere Unterstützung. Großanleger und reine Grundbesitzer brauchen sie nicht.“

Postimees (EE) /

Mehr Markt, weniger Bürokratie

Die Fortführung der Direktsubventionen an die Landwirtschaft findet auch Postimees bedauernswert:

„Die Kommission versucht laut ihrer Rhetorik, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu erhöhen. Sie sollte bedenken, dass der richtige Weg dorthin nicht über marktverzerrende Direktsubventionen führt, sondern über den Abbau von Bürokratie und Vorschriften und die Beseitigung möglichst vieler Hindernisse für Unternehmen im Binnenmarkt, was ja das ursprüngliche Ziel der EU-Gründung war.“

De Telegraaf (NL) /

Grenzenlose Geldgier

Dieser Haushaltsvorschlag ist einfach nur maßlos, wütet De Telegraaf:

„Die Geldgier der Brüsseler Bürokraten kennt keine Grenzen. Die EU-Kommission unter Leitung von Präsidentin von der Leyen scheint nur damit beschäftigt zu sein, sich mehr Macht anzueignen. ... 'Der ehrgeizigste Haushalt aller Zeiten', nennt ihn von der Leyen. Sie meint natürlich den größenwahnsinnigsten Haushalt, den man sich vorstellen kann. ... Die Kommission zeigt erneut keinerlei Verständnis für die wirtschaftliche Lage in den EU-Mitgliedstaaten. Außerdem ist sie taub für die Kritik der Bürger. ... Hier liegt auch eine wichtige Aufgabe für eine neue Regierung: Standhaftigkeit ist notwendig.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Ein Fall von Hochstapelei

Woher das ganze Geld kommen soll, fragt sich der Tagesspiegel:

„Eigentlich soll die EU sich aus Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren. Konkret: aus einem festen Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieser Nationalstaaten. Bisher waren das 1,1 Prozent; künftig sollen es 1,23 Prozent sein. Dieser Steigerung müssen die nationalen Regierungen aber zustimmen. Wie wahrscheinlich ist das? Die haben selbst Budgetprobleme. ... Das 'Schicksalsbuch Europas', das von der Leyen vorgestellt hat, gleicht Hochstapelei. Einnahmen und Ausgaben passen in mehrfacher Hinsicht nicht zueinander.“

La Repubblica (IT) /

Alle Seiten unzufrieden

Dass der Vorschlag wirklich nirgendwo Anhänger findet, stellt La Repubblica amüsiert fest:

„Unzureichend und überhaupt nicht europäisch, meinen die EU-Parlamentarier. Zu hoch, sagen die sparsamen Niederlande und Deutschland, die sich als erste Länder geäußert haben. Ein Angriff auf die Landwirtschaft, schreien die Landwirte, die bereits auf der Straße sind (vorerst ohne Traktoren und Dünger). Ein Schlag, der der Kohäsionspolitik das Rückgrat bricht, meinen die Regionen. Zu viele Steuern, finden die souveränistischen Rechten. Dass der neue Haushaltsplan der Kommission bereits vielen – fast allen – missfällt, könnte auch ein positives Zeichen sein. Auf jeden Fall ist es das Vorspiel für einen erbitterten Kampf der Macht, der Interessen, der Lobbys und des Konsenses.“

Jutarnji list (HR) /

Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten

Es ist kein Wunder, dass einige Länder bei solch kostenträchtigen Vorschlägen vorsichtig sind, meint Jutarnji list:

„In manchen Mitgliedsstaaten wie den Niederlanden, Schweden, Deutschland und Österreich schaffte es die extreme Rechte Wählerstimmen zu gewinnen mit der Rhetorik, ihr Land würde 'immer zu viel an die EU zahlen'. Die Regierungen dieser Länder sind deshalb vorsichtig und möchten diesen radikalen politischen Kräften nicht noch zusätzliche Argumente geben, weshalb man sich gegen die Erhöhung der Beiträge an den EU-Haushalt sträubt. Doch wird ohne eine Beitragserhöhung die Finanzierung der von der EU geplanten Prioritäten nicht machbar sein.“

Magyar Hang (HU) /

Bauernproteste garantiert

Mit jeweils mehr als 400 Milliarden Euro fließt derzeit das mit Abstand meiste Geld in Europas Landwirtschaft und die sogenannte Kohäsionspolitik, mit der schwach entwickelte Regionen unterstützt werden. Das könnte sich laut dem neuen EU-Haushalt ändern. Der EU-Korrespondent László Arató sieht erheblichen Zündstoff in Magyar Hang:

„Die ungarische Regierung – aber auch andere in Europa – werfen der Europäischen Kommission vor, die Mittel für die gemeinsame Agrarpolitik um 20 Prozent kürzen zu wollen. Darüber ist eine heftige Debatte im Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments entstanden. ... Mit Sicherheit muss man davon ausgehen, dass es in den größeren Städten Europas erneut zu Bauernprotesten kommen wird.“