20-Punkte-Plan für Gaza: Chance auf Frieden?
US-Präsident Trump hat einen 20 Punkte umfassenden Plan zur Beendigung des Gaza-Krieges vorgelegt – und Israels Premierminister Netanjahu hat ihn akzeptiert. Die Zustimmung der an der Ausarbeitung des Plans nicht beteiligten Hamas steht jedoch aus. Die Terrororganisation soll dem Plan zufolge alle Geiseln freilassen und die Waffen niederlegen. Im Gegenzug soll sich Israels Armee zurückziehen. Die Medien erörtern, ob sich so der Krieg beenden lässt.
Ein Funke Hoffnung
De Morgen macht einen Lichtstreif aus:
„Am Horizont zeichnet sich in weiter Ferne das Recht auf Selbstbestimmung und sogar einen eigenen Staat ab. ... Realismus, ja Skepsis sind nach wie vor sehr angebracht. ... Doch vielleicht hat sich etwas geändert. Auch die arabische Welt sehnt sich nach einem mehr oder weniger friedlichen Ausweg für die Palästinenser und ist sich darüber im Klaren, dass der nicht über die Hamas führt. Auch Netanjahu sieht ein, dass eine neue geopolitische Täuschung sein Land in die Isolation stürzen wird, wie man letzte Woche auf dem UN-Gipfel gesehen hat.“
Palästinenser werden außen vor gelassen
Politiken begrüßt den Plan, beklagt aber dessen mangelnde Fairness:
„Positiv ist vor allem die Erkenntnis, dass der Krieg beendet werden und dass Israel sich aus dem Gazastreifen zurückziehen muss. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die USA und die arabischen Länder einen Teil der Verantwortung für den Wiederaufbau übernehmen und dass alle Diskussionen darüber, dass die Palästinenser aus dem Gazastreifen vertrieben werden sollen, eingestellt werden. Durch die Amnestie für die Hamas-Kämpfer und die Androhung, Israel völlig freie Hand zu lassen, ist der Plan in Wirklichkeit ein Ultimatum an die Hamas. Negativ ist, dass der Plan völlig einseitig ist und darin weder die Hamas noch eine palästinensische Selbstverwaltung einbezogen werden.“
Machtlos und verletzlich
Das Schicksal der Palästinenser bleibt im Plan eine Leerstelle, bedauert auch der Irish Examiner:
„Hätten die USA angesichts ihrer Macht und ihres Einflusses in der Region nicht schon früher ihre Muskeln spielen lassen können, um Israel und die Hamas an den Verhandlungstisch zu bringen? ... Tausende palästinensische Leben hätten verschont bleiben können, wenn ein solcher Plan früher umgesetzt worden wäre. Aufmerksamen Lesern wird auch eine bedeutende Lücke im Friedensplan auffallen – die Einbeziehung der Bevölkerung von Gaza. Nach Monaten bewaffneter Angriffe und einer von Menschen verursachten Hungersnot hängt ihre Zukunft nun von den Erwägungen anderer ab. Dies ist der ultimative Ausdruck ihrer Machtlosigkeit und Verletzlichkeit.“
Mehr Freibrief als Friedensplan
Il Manifesto hält das Vorhaben für eine Finte:
„Die wichtigste Frage ist, ob Trumps Plan ein Friedensplan ist oder ein Plan zur Fortsetzung des Krieges. Diese Zweifel werden durch einen beunruhigenden Satz des US-Präsidenten noch verstärkt: Sollte die Hamas den Plan ablehnen, hat Trump versprochen, dass Israel 'die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten' erhalten werde, um seinen Krieg fortzusetzen. Das bedeutet, dass Netanjahu jederzeit die Möglichkeit hat, den Plan zu torpedieren. ... Zwar musste Israel einige Zugeständnisse machen. ... Doch ist offensichtlich, dass der Plan kein Datum für den Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen enthält.“
Mit Blair käme die Rohstofflobby ans Ruder
Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair soll bei der Umsetzung des Friedensplans vor Ort eine wichtige Rolle spielen. Naftemporiki hält das für eine unpassende Wahl:
„Er ist ein Politiker, den viele Araber im ganzen Nahen Osten hassen, weil er mit unwahren Argumenten die amerikanische Invasion im Irak 2003 vorangetrieben hat. Zudem gilt Blair heute als Symbol für eine eng mit der Wirtschaft verflochtene westliche Politik. Außerdem hat er ein Auge auf die Erdgasvorkommen vor der Küste Gazas geworfen ... Gaza wird vielleicht nicht die 'Riviera' werden, die sich Präsident Trump und die Immobilienmakler vorgestellt haben, sondern eher das neue 'Eldorado' der Ölkonzerne im Nahen Osten.“
Keine langfristige Lösung ohne Vertrauensbildung
Auch wenn der Gazakrieg tatsächlich enden sollte – echter Frieden wird noch lange auf sich warten lassen, betonen die Salzburger Nachrichten:
„Die vergangenen zwei Jahre haben die Menschen auf beiden Seiten radikalisiert, erneut wächst da wie dort eine traumatisierte Generation heran, die von der jeweils anderen Seite nur Hass kennt und jene politischen Kräfte auf den Schild hebt, die ihn am Lodern halten. Sollte der Friedensplan umgesetzt werden, so ist es ein Plan – Frieden ist da noch keiner. Wie auch? Es bräuchte eine Phase der Abkühlung und der Vertrauensbildung. Der sogenannte Friedensrat müsste dafür sorgen, dass moderate Kräfte Aufwind bekommen – und auf Bildung setzen. Denn zwei traumatisierte Völker kämpfen darum, dass ihre Traumata gesehen werden.“
Schwer umzusetzen
Der Vorstoß stößt auf Schwierigkeiten und könnte dennoch ein vielversprechender Beginn sein, schreibt Visão:
„Er umfasst zwei oder drei schwer umsetzbare Details: In Gaza muss eine Regierungsbehörde aus palästinensischen Technokraten mit internationaler Unterstützung eingerichtet werden, und die israelischen Streitkräfte müssen sich schrittweise zurückziehen. ... Um die Hamas in die Enge zu treiben, soll dieser Plan in Gebieten realisiert werden, die bereits frei von ihrer Präsenz sind, um sicherzustellen, dass die palästinensische Bevölkerung den Unterschied spürt. ... Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich um einen schwer umzusetzenden Plan handelt, der jedoch Anzeichen dafür zeigt, dass es zu gegebener Zeit Frieden und Wohlstand im Gazastreifen geben könnte.“
Voller Hoffnung auf ein Wunder
Das Projekt ist zu vage, um zu funktionieren, urteilt Le Soir:
„Einer der offensichtlichen Schwachpunkte ist, dass der Plan zwar einzelne Schritte vorsieht, wie etwa den schrittweisen Abzug der israelischen Streitkräfte, er aber keinen Zeitplan hat. Vor Ort auftretende Zwischenfälle könnten für Israel schnell als Vorwand dienen, um alles zu stoppen. … Die Hamas hingegen muss auf eine seltsame Anordnung reagieren: Selbstmord oder der tödliche Zorn Israels. … Und sie muss alle Geiseln innerhalb von drei Tagen freilassen, die sie bisher als letzte Trumpfkarten betrachtete, und hoffen, dass Israel sein Wort hält und nicht zögert oder gar das Abkommen sabotiert. … Dieser viel zu vage formulierte Plan birgt bereits die Voraussetzungen für sein Scheitern. Es sei denn, man hofft auf ein echtes Wunder.“
Die Israelis haben genug vom Krieg
Netanjahu hatte keine andere Wahl, meint La Repubblica:
„Mehrere Faktoren haben Netanjahu zu diesem Kompromiss bewogen. Der erste ist die Erschöpfung eines Landes, das nach zwei Jahren voller Proteste und Spannungen keinen Krieg mehr ertragen kann. Und das betrifft nicht nur die Familien der Geiseln, sondern auch die Familien der Hunderttausenden Reservisten, die unter Waffen stehen. Und dazu eine Wirtschaft, die, so stark sie auch sein mag, einen hohen Preis für die Krise zahlt: Rückgang der Auslandsinvestitionen, ausbleibendes Wachstum und Chaos auf dem Arbeitsmarkt – die israelische Zentralbank schätzt die Kosten der Kriege 2023-2025 auf 55,6 Milliarden Dollar [rund 47 Milliarden Euro].“
Cleverer Ansatz mit bewährter Vorlage
The Daily Telegraph sieht Parallelen zum Ende des Nordirlandkonfliktes:
„Der Plan verdankt viel dem Karfreitagsabkommen, das Nordirland Frieden gebracht hat und die größte Errungenschaft in der britischen Politik der letzten 30 Jahre war. 'Dynamik' steht im Mittelpunkt beider Pläne. Anstatt rigide 'Ganz-oder-gar-nicht'-Vorschläge zu machen, bieten sie Belohnungen, die sich über Jahre hinweg steigern. Durch diesen Mechanismus wird Vertrauen – und hoffentlich auch Frieden – gefördert, nicht durch Worte, sondern durch Taten im Laufe der Zeit. Sogar die Sprache ist ähnlich. Die IRA wurde nicht aufgefordert, ihre Waffen abzugeben, sondern sie 'unbrauchbar zu machen', das Gleiche gilt für den Gaza-Plan. Ein weiteres gemeinsames Merkmal mit dem Nordirland-Plan ist die Idee einer Amnestie für Terroristen.“
Ein ehrgeiziges Vorhaben
Der Nahostexperte Igor Semywolos analysiert auf Facebook:
„Die Einbindung einer arabisch-internationalen Koalition in die Bereiche Sicherheit, Verwaltung und Wiederaufbau ist ein ehrgeiziges Vorhaben, stößt jedoch auf Schwierigkeiten. Arabische Staatschefs verlangen Garantien, insbesondere in Bezug auf das Westjordanland und den Status Jerusalems, was den Interessen Israels entgegensteht. ... Der Erfolg des Plans hängt vom Einfluss der USA auf Israel ab, der angesichts der harten Haltung Netanjahus begrenzt sein könnte. Dennoch scheint der Handlungsspielraum der heutigen israelischen Regierung deutlich zu schrumpfen.“
Katastrophe für Netanjahu
Für Israels Premier könnte der Plan das Ende seiner Karriere bedeuten, glaubt La Stampa:
„Der Einzige, der Benjamin Netanjahu dazu bewegen kann, den von Trump vorgeschlagenen 21-Punkte-Plan zu unterzeichnen, ist Trump selbst. Nur eine harte und unmittelbare Drohung könnte den israelischen Ministerpräsidenten zu einem Abkommen zwingen, das für ihn das Ende bedeutet. ... Das Ende des Krieges vielleicht, aber mit Sicherheit das Ende seiner politischen Karriere. ... Für Bibi Netanjahu stellen diese 21 Punkte auf dem Tisch eine potenzielle Katastrophe dar. Der israelische Premierminister weiß, dass seine Minister ihn sofort im Stich lassen würden, wenn er diesen Verhandlungen, die unter anderem vorsehen, dass die Palästinenser in Gaza bleiben, auch nur den geringsten Raum geben würde.“
Details sind noch offen
Der Standard sieht auf grundlegende Fragen vorerst keine Antworten:
„Die 21 Punkte, mit denen Trump im Nahen Osten das Ruder herumreißen will, sind indes im Detail noch unbekannt, vor allem, wie gelingen soll, was trotz monatelanger US-moderierter Verhandlungen zwischen Hamas und Israel, in die auch Ägypten und Jordanien eingeschaltet waren, bisher gescheitert ist: dass die israelischen Geiseln, die sich noch in den Händen der Hamas befinden, freikommen, und ein Waffenstillstand in Kraft tritt. Israel führt derzeit eine erneute Bodenoffensive in Gaza-Stadt durch, ein Albtraum für die Bevölkerung, für die es keine sicheren Orte mehr gibt und die von Hunger und Krankheiten existenziell bedroht ist.“