10 Jahre nach dem Anschlag von Utøya und Oslo

In Norwegen wird heute der Opfer des Anschlags vom 22. Juli 2011 gedacht. Der Rechtsextremist Anders Breivik hatte im Regierungsviertel von Oslo acht Menschen mit einer Autobombe getötet. Anschließend erschoss er auf der Insel Utøya 69 Menschen, die meisten davon Jugendliche in einem Sommercamp der Arbeiterpartei. Breivik wurde 2012 zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

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Krytyka Polityczna (PL) /

Die Wunden bleiben

Norwegen hat den Anschlag bis heute nicht verarbeitet, betont Krytyka Polityczna:

„Am 22. Juli liegt der blutigste Anschlag in Norwegen seit dem Zweiten Weltkrieg zehn Jahre zurück. Seine Spuren sind eine Wunde im Zentrum von Oslo. Und es gibt noch mehr Wunden und Traumata. Norwegen ist ein kleines Land. Jeder kennt jemanden, der jemanden kannte, der an diesem Tag gestorben ist.“

The Guardian (GB) /

Einordnung schadet Kampf gegen rechts

Dem Kampf gegen die Ursachen des Anschlags steht auch das geltende Narrativ im Weg, erklärt der norwegische Autor Sindre Bangstad in The Guardian:

„Die regierende Arbeiterpartei stand damals vor einem moralischen Dilemma: Entweder eine integrative Rhetorik wählen, die den Terroranschlag als Angriff auf alle Norweger interpretiert. Oder die Tatsache betonen, dass mit dem Anschlag die norwegische Linke ins Visier genommen wurde. Der damalige Premier Jens Stoltenberg und sein Büro entschieden sich für erstere Variante. Dies hatte eine Reihe von Konsequenzen. Unter anderem wurde die Erwähnung jeglicher Verbindung zwischen dem konspirativen, antimuslimischen Weltbild Breiviks und der breiteren populistischen Rechten tabu.“

Berlingske (DK) /

Die Angst darf uns niemals überwältigen

Terror existiert in allen möglichen Formen, bemerkt Berlingske:

„Den 'einsamen Wolf' gibt es ebenso wie die straff organisierten Gruppen. ... Damals war der Täter ein Mann mit rechtsradikalen Motiven. Aber auch von islamistischen Gruppierungen geht eine stete Terrorgefahr aus. Bei den meisten extremistischen Gruppen steht Terror auf dem Programm; vor noch gar nicht all zu langer Zeit war Europa linksradikalem Terror ausgesetzt, beispielsweise von der Roten Armee Fraktion. Auf all das gibt es leider keine einfache Antwort - außer der, dass wir uns als freie Menschen nicht von Angst übermannen lassen dürfen. Das Leben soll gelebt und nicht von Wahnsinnigen dirigiert werden.“

Göteborgs-Posten (SE) /

Klare Grenzen gegen Gewalt ziehen

Zum Schutz der Gesellschaft vor Tätern wie Breivik ist jeder einzelne gefragt, betont Göteborgs-Posten:

„Breivik war ein außergewöhnlich kaltblütiger Mörder - aber es gibt noch mehr psychisch gestörte Menschen, die Gefahr laufen, sich zu radikalisieren. Alle Bürger sind daher gefordert, einem Extremismus, der rücksichtslose Handlungen rechtfertigt, entgegenzuwirken. ... Alle sind verantwortlich, wenn es darum geht, eine klare Grenze zu ziehen gegenüber Propaganda, die zu Gewalt aufruft oder diese legitimiert, die entmenschlicht oder anklingen lässt, der Zweck heilige die Mittel.“

Helsingin Sanomat (FI) /

Die Gefahr wächst

Der Anschlag hat den rechtsextremen Terror ins Bewusstsein gerückt, stellt Helsingin Sanomat fest:

„Der von dem Norweger Anders Breivik in seiner Heimatstadt verübte Anschlag hat die Vorstellung von Terrorismus und Radikalisierung verändert. Man hat in Europa realisiert, dass neben islamistischer Gewalt auch die rechtsradikale Bedrohung zunimmt. Dies hat sich auch in den Maßnahmen gegen Terrorismus gezeigt. … Die Opfer des Anschlags und ihre Angehörigen benötigen noch immer Unterstützung. Am Donnerstag sollte vor allem der Opfer gedacht werden. Die Gesellschaft muss weiterhin wachsam bleiben. Auch wenn der Anschlag in Norwegen sehr außergewöhnlich war, hat die rechtsradikale Gewalt in Europa seitdem zugenommen.“

Kristeligt Dagblad (DK) /

Weiter zuhören

Kristeligt Dagblad mahnt, dass die Gesellschaft sich auch die unangenehmen Fragen der Opfer weiterhin gefallen lassen muss:

„Auch wenn die norwegische Gesellschaft die ersten Jahre nach dem Terrorangriff auf vornehmste Weise gehandelt hat, indem man zusammengehalten hat, haben Opfer und Angehörige oft Berührungsängste und Tabuisierung erlebt, wenn sie offen das rechtsextreme Gedankengut angesprochen haben, das der Hintergrund für Breiviks schlimme Tat war. Es verstimmt sehr, wenn man lesen muss, dass Überlebende des Terrorangriffs heute noch Hass ausgesetzt werden.“