Eskaliert der Streit um Transit nach Kaliningrad?

Litauen hat den Transit von Gütern in die russische Exklave Kaliningrad beschränkt. Grundlage dafür seien die von der EU beschlossenen Sanktionen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte dies eine "offen feindselige" Blockade und das russische Außenministerium drohte mit Konsequenzen. Welche dies sein könnten, beschäftigt Europas Presse.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Westen ist längst Partei im Ukraine-Krieg

Russland nutzt die Blockade aus blankem Kalkül zur Eskalation, meint der Tages-Anzeiger:

„Die Drohungen sollen Litauen einschüchtern und ein Loch in den EU-Sanktionszaun reißen … Russland war in den vergangenen Jahren einfallsreich in seiner asymmetrischen Kriegsführung. Kaliningrad könnte also zum Eröffnungszug in einem Konfliktszenario werden, das die Grenzen der Ukraine überschreitet. … Die Spannungen um Kaliningrad sollten also eine letzte Warnung an die Staaten der EU sein, dass sie keine Zuschauer im Ukraine-Krieg sind, sondern längst Partei. Die schwierige Aufgabe ist es, eine direkte Konfrontation zu vermeiden und gleichzeitig für eine militärische Schwächung Russlands zu sorgen. … Die Staaten Europas und die USA wären gut beraten, ihre Abschreckungssignale zu erhöhen und der Ukraine in ihrem Abwehrkampf entschlossener beizustehen.“

Adevărul (RO) /

Lackmustest für Putin

Da kaum wirtschaftliche Beziehungen zwischen Russland und Litauen bestehen und das Land zusätzlich Nato-Mitglied ist, stellt sich die Frage, welche Sanktionen überhaupt infrage kommen, stellt Adevărul fest:

„Sich mit kleinlichen Maßnahmen, wie dem Verbot der Internetkommunikation zufrieden zu geben, würde Russland lächerlich erscheinen lassen. Deshalb ist die Lösung der Lage ein Lackmustest für Putin. Pech für ihn ist, dass hohe russische Beamte bereits harte Sanktionen gegen Litauen angekündigt haben, ohne zu fragen, wie diese aussehen könnten. Wenn Russland nicht in einigen Tagen sagen wird, welche Maßnahmen das sein sollen, ist die gesamte Glaubwürdigkeit Russlands und Putins hinüber.“

Radio Kommersant FM (RU) /

Konsequenzen sind nicht planbar

Dass die EU-Sanktionen unvorhersehbare Folgen haben und auch Russland härter treffen als vom Kreml zugegeben, befürchtet Radio Kommersant:

„Wir wagen keine Prognose, wie das alles ausgehen wird. Entscheidend ist, dass dies nicht der einzige Skandal ist, sondern nur einer aus einer ganzen Reihe in letzter Zeit. Das jüngste Beispiel war die Geschichte mit den Siemens-Gasturbinen, deren Freigabe aus der Reparatur entweder Kanada blockiert oder die EU nicht erlaubt [was Moskau als Grund für die verringerten Gaslieferungen über Nord Stream I anführt]. .... All das ist äußerst unangenehm und alarmierend. Dies ist die andere Seite der Sanktionen, die uns angeblich ja nicht sehr hart treffen. Aber wie man sieht, haben sie eine Art doppelten Boden und der ist durchaus spürbar. Und vor allem: Das ist alles erst der Anfang.“

Verslo žinios (LT) /

Die große Aufmerksamkeit nutzen

Ohne in Panik zu geraten, sollte man die Zuspitzung der Situation für Verhandlungen nutzen, rät Verslo žinios:

„Die aktuelle Hysterie um den Transit nach Kaliningrad könnten die EU-Diplomaten als gutes Argument in den Verhandlungen mit Russland um die Getreide-Blockadein den ukrainischen Häfen einsetzen. Man kann zeigen, was die Blockade eines souveränen Territoriums bedeutet. ... [Auch] sollten wir die Situation nutzen, um unsere Partner nochmal an die Notwendigkeit einer stärkeren Sicherheit gegen die Bedrohung aus dem Osten zu erinnern.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Vom Glück, Verbündete zu haben

Ein russischer Vorstoß auf Litauen wäre selbstmörderisch, schreibt Der Tagesspiegel:

„Er würde zudem für die russische Führung die Frage aufwerfen, wie sie Kaliningrad verteidigen will. … Deutsche, Litauer und andere Alliierte dürfen dankbar sein, dass sie in der Gefahr Verbündete haben. Russland hat keine. Der Vorteil kommt freilich erst dann voll zum Tragen, wenn auch Putin glaubt, dass Nato-Länder auf die Beistandszusage blind vertrauen dürfen.“

Karar (TR) /

Niemand bleibt hier unbeteiligt

Sanktionen der EU könnten die Türkei in einen Krieg verwickeln, fürchtet Karar:

„Die EU, die der russischen Intervention in der Ukraine hilflos gegenübersteht, sich aber gleichzeitig zum Handeln verpflichtet fühlt, beschloss Wirtschaftssanktionen, die auch ihr schaden. Dies könnte einen großen Krieg auslösen, der auch uns hineinziehen könnte. Die Beschlüsse einer Union, der wir nicht angehören, könnten zur Eskalation einer sehr schweren Krise, zu einer Intervention Russlands und zu unserer Beteiligung an einem unnötigen Krieg gegen Russland gemäß Artikel 5 des Nato-Vertrags führen.“