Extremtemperaturen: Was hilft wirklich?

Die Hitze in Europa hat vielerorts vorerst nachgelassen, trotzdem ist es weiterhin heiß und trocken. Portugal und Spanien meldeten insgesamt 1.500 Hitzetote, Waldbrände wüten weiter oder entstehen neu, wie derzeit vor allem in Griechenland. Kommentatoren fordern ein radikales Umdenken und wirksame Maßnahmen im Umgang mit der Klimakrise.

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Birgün (TR) /

Atomkraft und Hitze vertragen sich nicht

Dass die Kernenergie zur Emissionsreduktion und wegen der Energiekrise nun wieder Konjunktur hat, findet Birgün geradezu lächerlich:

„Wir müssen Maßnahmen gegen die durch die Klimakrise verursachten Probleme ergreifen, aber das kann uns nicht vollständig vor der Krise schützen. Um aus der Krise herauszukommen, müssen wir in allen Bereichen, von der Energie bis zur Ernährung, vom Verkehr bis zur Produktion, eine andere Welt aufbauen. ... Apropos Kernenergie: Kernkraftwerke, die uns vor der Klimakrise retten sollen, werden in Belgien und Frankreich wegen der Erwärmung des Kühlwassers abgeschaltet oder mit geringer Leistung betrieben. Atomkraftwerke, die in der Hitze nicht funktionieren, sollen uns retten? Was für ein Witz!“

Helsingin Sanomat (FI) /

Früher oder später sind wir auch dran

Finnland ist noch nicht ausreichend auf Hitzeperioden vorbereitet, beklagt Helsingin Sanomat:

„Bisher waren die Hitzewellen in Finnland nicht besonders lang, aber Finnland ist auf der Welt keine abgelegene Insel. … In Finnland sind wir traditionell auf kaltes Wetter vorbereitet, aber wir müssen auch auf heißes Wetter vorbereitet sein. Schon heute kann eine einzige lang anhaltende Hitzewelle zu mehreren hundert vorzeitigen Todesfällen führen. Bislang verlief die Anpassung jedoch nur langsam. Zu den Anpassungsmaßnahmen gehören etwa die Entwicklung von Energiesystemen, die Häuser und andere Räume kühl halten.“

NRC (NL) /

Auf heiße Normalität einstellen

Eine andere strukturelle Gestaltung des Landes ist nötig, meint NRC Handelsblad:

„Da die Hitze nun normaler wird, was in Bezug zur Erwärmung der Erde steht, geht es nicht nur darum, den Gebrauch von fossilen Brennstoffen einzuschränken und den CO2-Ausstoß zu verringern. Es geht auch darum, die Niederlande auf die Hitze einzustellen. Genauso wie auch darüber nachgedacht wurde, welche Folgen der steigende Meeresspiegel und die über die Ufer tretenden Flüsse haben können. Das heißt, dass die bebaute Umgebung angepasst werden muss. ... Es erfordert auch, anders über die eigene Wohnung nachzudenken. ... Und es erfordert eine andere Gestaltung der Stadt.“

eldiario.es (ES) /

Löschflugzeuge statt Jagdbomber

Juan López de Uralde, Ex-Vorsitzender von Greenpeace Spanien und Parlamentarier, kritisiert in eldiario.es die ewigen Bremser effektiver Klimapolitik:

„Wir dürfen nicht zulassen, dass uns die Leugner [des Klimawandels] entmutigen. Aber wir müssen auch die weniger intensive 'Verzögerungstaktik' anprangern, die den politischen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung so viel Schaden zufügt. Die schwerwiegenden Auswirkungen, die wir in diesen Tagen erleben, müssen als Ansporn dienen, auf eine ehrgeizigere Klimapolitik zu drängen, die wieder einmal unter der Priorität des Krieges in der Ukraine begraben worden ist. Wir brauchen mehr Löschflugzeuge zur Bekämpfung von Waldbränden und weniger Jagdbomber.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Es braucht ein Recht auf Hitzefrei

Auch die Arbeitsschutzgesetze müssen an den Klimawandel angepasst werden, fordert die Süddeutsche Zeitung:

„Es muss ordentliche Regeln geben für die neue, heiße Welt. Es braucht ein Recht auf Hitzefrei. ... Arbeiten, während einem der Schweiß in die Augen läuft, ist ... riskant. Wer bei solch einer Hitze weitermacht, macht leichter Fehler, hat leichter einen Unfall. ... Jedes Unternehmen sollte verpflichtet werden, einen Hitzeschutzplan aufzustellen, auf den sich die Mitarbeiter berufen können. Und es sollte seine Leute darüber informieren, wie gefährlich Hitze ist und was sie tun können, um sich zu schützen. Das alles wird Geld kosten. Aber eine Überraschung ist das nicht: Der Klimawandel wird teuer.“

Adevărul (RO) /

Energie und Ernährung hängen zusammen

Andere Ansätze bei der Bewässerung fordert der Journalist Ion M. Ionita in Adevărul:

„In Rumänien sprechen wir, wie schon vor 30 Jahren, über große Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft, die wir nie gebaut haben. Doch unter den Hitzebedingungen, wo der Wasserstand der Donau 2,5 Mal geringer ausfällt als der Juli-Durchschnittswert, wo sollte das Wasser für die Bewässerungskanäle auch herkommen? Ist ein solch gigantisches System überhaupt machbar, wenn die Flüsse fast ausgetrocknet sind? ... Vielleicht müssen wir das Wasser aus dem Meer nehmen und entsalzen. Für das brauchen wir aber wiederum genügend Energie aus erneuerbaren Quellen, um nicht noch mehr CO2 auszustoßen. Wir brauchen also eine Energiestrategie, die eine Antwort auf die Lebensmittelkrise ist.“

Lidové noviny (CZ) /

Ohne Konzept

Die derzeitige Hitze zeigt, dass man es in der Stadt Prag versäumt hat, langfristige Projekte wie das Anlegen von Grünflächen umzusetzen, ärgert sich Lidové noviny:

„Prags Oberbürgermeister betreibt lieber Außenpolitik und würde, wenn er könnte, China den Krieg erklären. ... Fortschritte bei Infrastrukturprojekten gibt es meist nur auf längere Sicht. Also helfen sich die Politiker selbst, zeigen moralische Muskeln, entfernen Statuen, benennen Straßen um - kümmern sich aber nicht um die Bewohner. ... Vor den Herbst-Kommunalwahlen wird es jetzt zwar entsprechende Versprechungen geben. Aber es wird nichts getan werden. Weil dann schon wieder der Streit über die Weihnachtsmärkte ansteht. Dieses Land kennt keine Konzepte. Und das nicht nur in der Kommunalpolitik.“