Inflation: Warum steigen die Preise in Europa?

Die Inflationsrate hat im Juli in der Eurozone mit 8,9 Prozent erneut einen Rekordwert erreicht. Vom Krieg gegen die Ukraine über die EZB-Geldpolitik bis hin zur Börsenspekulation - Kommentatoren machen ganz unterschiedliche Ursachen für die Schieflage aus.

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De Tijd (BE) /

Putin-Faktor unterscheidet Eurozone von den USA

In den USA sinkt die Inflationsrate, doch Europa sollte sich nicht vorschnell freuen, warnt De Tijd:

„Es ist eine gute Nachricht, dass die Inflation nicht nur steigen, sondern auch sinken kann. Auch in Europa warten darauf ungeduldig Familien, Unternehmen und Regierungen. Doch aus dem, was nun in den USA geschieht, darf Europa nicht zu viele Schlussfolgerungen ziehen. Die Inflationsdynamik ist hier anders. In Europa wird die Inflation viel mehr als in den USA durch höhere Energie- und Nahrungsmittelpreise befeuert, zum großen Teil eine direkte Folge des Kriegs in der Ukraine. Es hängt daher auch in hohem Maße vom russischen Präsidenten Wladimir Putin ab, ob der Inflationsdrache in Europa weiterhin Feuer spucken wird.“

Observador (PT) /

Ein Jahrzehnt falscher Währungspolitik

Der Krieg ist nur Auslöser und nicht die Ursache, argumentieren der Unternehmer André Alvim und der Finanzprofessor José Miguel Pinto dos Santos in Observador:

„Die Hauptursache für die nun in Europa stattfindende Inflation ist die Geldpolitik der EZB im letzten Jahrzehnt. Der Auslöser dafür mögen die kriegsbedingten Probleme gewesen sein, aber selbst wenn die russische Invasion nicht stattgefunden hätte, hätte eine andere Ursache früher oder später die sich anbahnende Inflationskrise ausgelöst. Und wenn die Geldpolitik in der Vergangenheit nicht so aktiv lax gewesen wäre, wären die Preissteigerungen, die durch die derzeitigen Probleme mit den Lieferketten und Rohstoffmärkten verursacht werden, einmalig und reversibel, also keine Inflation.“

Le Courrier (CH) /

Spekulation treibt Preise für Lebensmittel hoch

Verantwortlich für die steigenden Lebensmittelpreise ist nicht die Knappheit im Angebot, sondern Spekulationen an der Börse, analysiert die NGO Grain in Le Courrier:

„Investoren kaufen Aktien von Fonds, mit denen sie auf die künftigen Preise von Grundnahrungsmitteln wetten können. Das wirkt sich auf die aktuellen Preise aus. Diese Situation ist gut dokumentiert und den Regierungen bekannt. Sie ist ähnlich wie während der Nahrungsmittel- und Finanzkrise von 2007/2008. Das Problem ist, dass der Finanzsektor selbst die Bemühungen, diese Fonds zu regulieren, in einflussreichen Märkten wie den USA und Europa sabotiert. Diese Art der Lebensmittelspekulation sieht man heute an den chinesischen Börsen.“

Documento (GR) /

Fehlendes Wachstum ist größtes Problem

Die griechischen Einnahmen aus dem Tourismus werden in diesem Jahr zwar beträchtlich sein, aber dennoch macht die Lage dem Land schwer zu schaffen, beobachtet Documento:

„Gleichzeitig leidet die Wirtschaft unter höherer Inflation, höheren Defiziten, höherer Staatsverschuldung, niedriger Produktivität und einem stärkeren Rückgang der Kaufkraft der Bürger als im Durchschnitt des Euroraums. Das größte Problem ist das niedrige Wachstumspotenzial, das auf das Fehlen echter produktiver Investitionen in Hochtechnologie und eine alternde Bevölkerung zurückzuführen ist. Ein weiteres wichtiges Problem ist die zunehmende Ungleichheit bei der Einkommensverteilung, die sowohl durch die Entscheidungen der Regierung als auch durch die steigende Inflation bestimmt wird.“

Times of Malta (MT) /

Subventionen sind keine Wunderwaffe

Maltas Inflationsrate ist mit 6,5 Prozent im Juli die niedrigste in der EU. Dennoch sollte die Regierung ihre Strategie nun ändern, rät The Times of Malta:

„Die Regierung hat richtig gehandelt, indem sie Familien und Unternehmen vor den unmittelbaren Auswirkungen der steigenden Kraftstoff-, Energie- und Lebensmittelpreise dadurch schützt, dass sie die Importe dieser lebenswichtigen Produkte subventioniert. Aber Subventionen sind keine Wunderwaffe. Es ist nun an der Zeit, die Inflation durch gezielte Taktiken in den Griff zu bekommen. Beispielsweise, indem man hilfsbedürftige Haushalte unterstützt, ohne dabei zu lange die steuerliche Disziplin zu gefährden.“