EU-Abkommen mit Mercosur auf 2026 verschoben

Ursprünglich wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten am Samstag in Brasilien unterzeichnen. Doch im Europäischen Rat in Brüssel formierte sich eine Sperrminorität, angeführt von Frankreich und Italien, die noch Vorbehalte der Landwirtschaft ausräumen möchten. Nun soll das seit 25 Jahren verhandelte Abkommen im Januar geschlossen werden.

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Expresso (PT) /

Auf Gewinne statt Verluste konzentrieren

Die Posse um Mercosur zeigt eine allgemeine Schwäche der EU, schreibt Expresso:

„Das Wesentliche des europäischen 'Problems' liegt in der Unwilligkeit, Verluste hinzunehmen. Jede Transformation im Energie-, Militär-, Handels- oder Produktionsbereich bringt Verluste mit sich. Aber sie bringt auch Gewinne, und auf diese Gewinne müssen wir uns konzentrieren. Ein Handelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay bringt der EU enorme Vorteile. Wie können wir die Nato neu gestalten – oder uns verselbstständigen –, Handelsabkommen überdenken, den Frieden in Europa sichern und unser Energieprofil ändern, ohne bereit zu sein, mehr auszugeben und Verluste hinzunehmen?“

Rzeczpospolita (PL) /

Europäer brauchen neue Freunde

Für Rzeczpospolita ist die Partnerschaft mit Mercosur strategisch bedeutender als die Interessen europäischer Landwirte:

„Die Mercosur-Länder werden EU-Produkte mit hohen Gewinnspannen kaufen. Die Länder des Mercosur sind eine neue Allianz, die Europa dringend braucht, da wir gerade die Vereinigten Staaten verloren haben, auch wenn das so apokalyptisch klingt, dass schon der geschriebene Satz allein unwirklich scheint. Aber leider ist es so. Wir brauchen den Absatzmarkt und die kritischen Rohstoffe des Mercosur, und 450 Millionen Europäer brauchen Freunde auf der internationalen Bühne. Die Bauern dürfen das nicht kaputt machen.“

RFI România (RO) /

Wütende Bauern mit rechten Anführern

Zu den Bauernverbänden, die gegen das Mercosur-Abkommen demonstrieren, gehört die extrem rechte französische Gewerkschaft Coordination Rurale. Der rumänische Dienst von RFI kommentiert dazu:

„Die Coordination Rurale ist vehement Anti-EU, obwohl die meisten Mitglieder der Organisation von europäischen Subventionen abhängig sind. Sie lehnt den freien Handel ab, obwohl Frankreich einer der weltweit führenden Agrarexporteure ist. ... Sie behaupten, dass diese Politik Teil einer Verschwörung ist, die darauf abzielt, die ohnehin schon angeschlagene französische Rindfleisch-Branche zu zerstören, um sie für ihre Ablehnung des Mercosur-Freihandelsabkommen zu 'bestrafen'.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Wo ist eigentlich das Problem?

Die taz hält die Kritik der Landwirte für übertrieben:

„Die EU ist der größte Agrar- und Lebensmittelexporteur der Welt, mit einem kräftigen Handelsbilanzüberschuss in diesem Sektor. Die Europäer sind Weltmeister bei der Ausfuhr von Käse und Schweinefleisch. Zwar stimmt es, dass zum Beispiel die Löhne in Deutschland höher sind als in Brasilien. Aber dafür können südamerikanische Landwirte von Agrarsubventionen auf EU-Niveau nur träumen: Die Europäer päppeln ihre Bauern mit 55 Milliarden Euro pro Jahr. Wer so viel subventioniert und exportiert, sollte sich nicht über ein paar zusätzliche Importe aus Mercosur-Staaten beklagen.“

Libération (FR) /

Verschnaufpause mit langfristigen Folgen

Präsident Macrons Widerstand gegen das Abkommen kritisiert Libération:

„Zwischen Lang- und Kurzfristigkeit hat sich Emmanuel Macron entschieden: Er opfert lieber geopolitische Ziele, um seine politischen Interessen in Frankreich zu wahren, zumindest, was davon noch übrig ist. … Ursula von der Leyen hat am Donnerstag die Verschiebung auf Januar angekündigt. Macron hat also eine kurze Verschnaufpause erreicht. Doch Frankreich beschädigt weiterhin sein Image und geht das Risiko ein, in der EU Unfrieden zu stiften. Welch wunderbares Weihnachtsgeschenk für Wladimir Putin und Donald Trump!“

Ouest-France (FR) /

Großräumig statt kleingeistig denken

Europa darf potenzielle Partner nicht verprellen, warnt Ouest-France:

„Einige in Europa plädieren dafür, dass wir unsere Standards abschwächen. Eine Anpassung nach unten, damit wir nicht überrollt werden. Wenn wir der Welt unsere Standards nicht mehr aufzwingen können, können wir zumindest versuchen, uns Respekt zu verschaffen, indem wir unsere Grenzen sichern. An diesem Punkt sollten die Europäer prioritär arbeiten und nicht an der Neuverhandlung von Gegenseitigkeitsklauseln, welche die Mercosur-Länder ablehnen. Wenn wir sie weiter hinhalten, werden sie uns den Rücken kehren, um mit den Amerikanern oder Chinesen Business zu machen. Und diese warten genau darauf.“