100 Tage Trump II: Alles auf den Kopf gestellt?

Seit 100 Tagen ist Donald Trump zum zweiten Mal Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Für die Presse ist es der Zeitpunkt für eine erste Bilanz. Angesichts von Trumps Aktionismus in Innen- und Außenpolitik haben die Kommentatoren reichlich Stoff dafür.

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Iefimerida (GR) /

Demagogie hat kurze Beine

Falls es ein Kalkül gab, ist es nicht aufgegangen, so Iefimerida:

„Mit nur 41 Prozent hat der US-Präsident derzeit die niedrigste Zustimmungsrate aller neu gewählten Präsidenten in den ersten 100 Tagen im Weißen Haus. ... Trump ging wohl davon aus, dass er durch das Verursachen von Chaos das amerikanische Volk begeistern und gleichzeitig die tatsächlichen beziehungsweise die in seiner Phantasie gebildeten 'Gegner' der USA verwirren könnte – und Washingtons traditionelle Verbündete wollte er wohl schocken und zum Schulterschluss zwingen. Nichts von alledem ist bisher geschehen. Es hat sich nur erneut bestätigt, was wir aus der Vergangenheit wissen: Populismus und Demagogie haben kurze Beine und machen die Dinge nur schlimmer.“

Expressen (SE) /

Unzufriedenheit mit beiden Lagern

Selbst wenn Umfragen Skepsis gegenüber Trump anzeigen, ist das kaum ein Trost für die Opposition, betont Expressen:

„Die Demokraten reiben sich angesichts dieser 100-Tage-Umfragen vielleicht die Hände, doch sie enthalten auch ernste Warnungen für sie. Denn ganz gleich, wie schlecht Trumps Werte sind, stehen die Demokraten nicht besser da. In Umfragen von ABC/Washington Post sagen beispielsweise 37 Prozent, dass sie darauf vertrauen, dass Trump die größten Probleme des Landes lösen wird. 30 Prozent sagen das Gleiche über die Demokraten im Kongress. Und während 60 Prozent glauben, dass Trump nicht versteht, was den Durchschnittsamerikaner beschäftigt, sagen 69 Prozent ebendies über die Demokraten.“

Igor Eidman (RU) /

Altes zerstören, aber nichts Neues schaffen

Soziologe Igor Eidman erkennt auf Facebook ein trumpsches Handlungsschema:

„Trump setzt sich unrealistische Ziele: Frieden in 24 Stunden, Grönland kaufen, alle müssen den USA enorme Zölle zahlen und so weiter. Seine servile Entourage salutiert und startet chaotische, unreflektierte und widersprüchliche Aktionen mit keinen oder gar kontraproduktiven Ergebnissen. Dann macht Trump einen Rückzieher. ... Er ist jedoch nicht in der Lage, etwas zum Ersatz des Zerstörten zu schaffen, nicht einmal eine Art neuen Faschismus zu organisieren, wie ihn viele in seinem Umfeld gerne sehen würden. ... Nach 100 Tagen Trump gibt es also eine gute und eine schlechte Nachricht: Es wird keine Diktatur in den USA geben, aber bis zum Ende der Trump-Regierung wird Chaos herrschen.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Das Chaos könnte System haben

Ilta-Sanomat reflektiert:

„Manchmal hat es den Anschein, als wolle Trump bewusst Krisen heraufbeschwören und die USA politisch und wirtschaftlich an die Wand fahren. In Trumps innerem Kreis glauben manche, dass nur eine Katastrophe etwas Neues schaffen kann, das die nächste Regierung nicht wieder rückgängig machen kann. ... Eine tiefgreifende Krise könnte Trump sogar nützen. Er soll schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben, das ganze Land unter Kriegsrecht zu stellen. Dann könnte der Präsident die Streitkräfte einsetzen, um zum Beispiel Proteste zu unterdrücken und Gegner zu verhaften.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Der Populist ist schnell unpopulär geworden

Ziemlich verheerend fällt die Bilanz aus Sicht von Hospodářské noviny aus:

„Donald Trump wird während seiner zweiten Amtszeit zweifellos eine Reihe von Rekorden aufstellen. Einer ist schon nach 100 Tagen gefallen: Er ist der unbeliebteste Präsident in dieser Phase einer Amtszeit seit Jahrzehnten. Und das, obwohl für ihn nur die Popularität bei den Wählern zählt. ... Das wichtigste Publikum, für das Trump seine unberechenbare Polit-Show inszeniert, sind die Amerikaner. ... Aber auch die Amerikaner sind frustriert. Einer Umfrage der New York Times zufolge würden 66 Prozent der Befragten Trumps zweite Amtszeit am ehesten als 'chaotisch' beschreiben, gefolgt von 'beängstigend' und 'nervig'.“

NRC (NL) /

Ein Blender, wie er im Buche steht

Trumps Inszenierungen sollte man nicht für bare Münze nehmen, schreibt NRC:

„Er schwingt den schwarzen Marker, mit dem er Dekrete zeichnet, wie einen Zauberstab. Für einen Mann, der die Nation über die Boulevardpresse und Reality-TV in den Glauben versetzte, er sei ein Wirtschaftsgenie, passt dies ins Bild. Trump täuscht Macht vor, so wie ein Influencer auf Instagram Erfolg oder Reichtum 'manifestiert'. Aber Dekrete sind kein Allheilmittel. Politisch gesehen sind sie sogar ein Zeichen von Schwäche. ... Solange die USA freie Wahlen haben, ist das Land (noch) nicht die Diktatur, die Trump anstrebt. Dass er sich als Potentat aufspielt, sollte demokratische Gegenkräfte nicht einschüchtern oder entmutigen.“

La Stampa (IT) /

Frontalangriff auf den Rechtsstaat

US-Kolumnist Alan Friedman wettert in La Stampa:

„In nur 100 Tagen hat Donald Trump geschafft, was Pessimisten zwar befürchtet hatten, sich aber kaum vorzustellen wagten: Einen systematischen Angriff auf die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die grundlegenden Bürgerrechte, die unsere Nation seit über zwei Jahrhunderten ausmachen. Sofort nach seinem Amtsantritt hat Trump damit begonnen, die Grundlagen des demokratischen Staates zu demontieren. ... Seine erste Amtshandlung war die Begnadigung von 1.600 Aufrührern, die für den Aufstand vom 6. Januar 2021 verantwortlich waren: seine Gefolgsleute. Seitdem hat Trump Urteile des Obersten Gerichtshofs ignoriert, führende Anwaltskanzleien eingeschüchtert und den Justizminister angewiesen, seine politischen Gegner zu verfolgen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist nun direkt bedroht.“

Berlingske (DK) /

Den Konservativen einen Bärendienst erwiesen

Verpasste Chancen bedauert Berlingske-Chefredakteur Tom Jensen:

„Teile der Analysen des Trumpismus waren richtig: Es brauchte einen Showdown mit der erstickenden Identitätspolitik, es war nötig, die illegale Einwanderung einzudämmen, sich mit Chinas Missbrauch des internationalen Handelssystems auseinanderzusetzen. ... Aber Donald Trump ist dabei, die konservative Strömung zu zerstören, deren Fackelträger er hätte werden können. ... Trumps problematische Persönlichkeit zeigt sich wohl am deutlichsten in der Handelspolitik. ... Wirtschaftliche Unsicherheit und Inflation könnten innerhalb kurzer Zeit zum Waterloo des Trumpismus werden. Dann könnte es lange dauern, bis in den USA wieder ein Konservativer an die Macht kommt.“