Hitzewelle in Europa: Wie gegensteuern?

Europa leidet unter Rekordtemperaturen von teilweise weit über 40 Grad. Waldbrände nehmen zu, Gewässer trocknen aus, Ernten verdorren und insbesondere für ältere und kranke Menschen ist die Hitze extrem belastend. Kommentatoren stellen essenzielle Fragen.

Alle Zitate öffnen/schließen
Irish Examiner (IE) /

Alle Einheiten an die Klimafront

Irish Examiner mahnt:

„Während wir uns gegenseitig bekämpfen und uns auf das unnötige Gemetzel fokussieren, das von böswilligen Akteuren auf der ganzen Welt absichtlich verursacht wurde, verlieren wir den Krieg aus den Augen, den wir wirklich gewinnen müssen. ... Während sich Brasilien darauf vorbereitet, im November in Belém die COP30 auszurichten, wird die mangelnde internationale Aufmerksamkeit für Klimafragen zum Problem. Weniger als 30 der 200 teilnehmenden Länder haben überhaupt Pläne ausgearbeitet, um die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erderwärmung zu bekämpfen, wie im Pariser Abkommen von 2015 gefordert.“

Magyar Hang (HU) /

Fataler Fortschrittsglaube

Der Mensch ist auf dem Holzweg, reflektiert Magyar Hang:

„Die Zeichen sind eindeutig: globale Erwärmung, Verwüstung, Umweltverschmutzung und -zerstörung auf allen Ebenen. Doch wir sehen nicht weiter als auf unsere eigene Nasenspitze, weil wir den Fortschritt, die Weiterentwicklung wollen. Noch mehr! Noch größer! Noch moderner, um jeden Preis! Doch wir sollten nicht unsere Umgebung auf absurde Art und Weise weiterentwickeln, sondern uns selbst. Unsere Denke, unsere Einstellung zu unserer kurzen Existenz auf dieser Erde. ... Es ist ein grundlegender Irrtum zu glauben, dass der Weg, auf dem wir gerade stolpern, der Weg des echten Fortschritts ist.“

Le Soir (BE) /

Gemeinsam einen neuen Rahmen setzen

Le Soir appelliert:

„Die Regierungen und Behörden sind mehr damit beschäftigt, sich ihrer Verantwortung zu entziehen als vorausschauend zu handeln und sich für das Gemeinwohl einzusetzen. … Doch auch Einzelpersonen müssen ihr Gewissen ein wenig prüfen. Warum nicht einmal nüchtern und ehrlich diesen alltäglichen Klagen, den Sorgen um die Zukunft und um unsere Angehörigen nachgehen, die auf persönliche Entscheidungen in Sachen Lebensstil, Konsum, Mobilität, Ernährung oder Sparen stoßen, die manchmal im völligen Widerspruch zu den dringenden Anliegen von heute stehen? … Zusammengenommen würde eine Vielzahl kleiner Gesten mehr als jede Umfrage beweisen, dass der kollektive Wille da ist, den Rahmen der Politik, der Wirtschaft und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens neu zu definieren.“

Les Echos (FR) /

Klimaanlagen enttabuisieren

Les Echos bricht in der Diskussion um die richtige Anpassung des Lebens an die Hitze eine Lanze für Kühltechnik:

„Es geht darum, in den Städten Bäume zu pflanzen, Hilfspläne für gefährdete Personen zu erstellen, landwirtschaftliche Anbaumethoden zu verändern, Arbeitsbedingungen zu überdenken usw. … Und ein Tabu gilt es noch zu brechen: Klimaanlagen. … Während sie in den USA weit verbreitet und in China üblich sind, haben sie in Frankreich für privaten und gemeinschaftlichen Wohnraum oder Schulen einen schlechten Ruf. ... Dabei wurden bereits Fortschritte gemacht – und weitere sind möglich –, um die klimaschädlichen Nebenwirkungen zu begrenzen. … Es ist an der Zeit, den Diskurs zu ändern und die Technik anzunehmen, bevor Hitzewellen tödlich werden.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Erderwärmung ist real und bedrohlich

Die Temperaturen sollten mal wieder alle an den Klimawandel erinnern, schreibt die Süddeutsche Zeitung:

„Doch vielerorts ist das Gegenteil der Fall. ... [Frankreichs Staatspräsident] Macron, [Deutschlands Wirtschaftsministerin] Reiche und viele andere in europäischen Regierungen erklären den Menschen gerade, dass Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum wieder Priorität haben. Klimaschutz? Machen wir auch. Darf uns aber nicht am Geldverdienen hindern oder unsere Gewohnheiten stören. Wenn es länger dauert, dauert es halt länger. Doch ausgerechnet jetzt, wie blöd, kommt so eine Hitzewelle daher. ... Diese Woche zeigt wieder, dass die menschengemachte Erderwärmung real und bedrohlich ist. Man muss schon die Augen fest schließen, die Hände auf beide Ohren drücken und die Klimaanlage hochdrehen, um das nicht mitzubekommen.“

Libération (FR) /

Blinder Fleck in der Gesetzgebung

Libération hält ein staatliches Regelwerk für überfällig:

„Die Überhitzung ist total und die Maßnahmen sind unzureichend. ... Unsere Unangepasstheit fordert immer mehr Opfer. Zumal Hitzewellen kein seltenes Phänomen mehr sind, sondern zur Norm geworden sind. Das Alltagsleben kommt zum Stillstand: In mehreren Départements werden Schulen geschlossen, Aktivitäten laufen auf Sparflamme, der Alltag wird nach und nach von einer Hitze aufgefressen, die uns immer mehr belasten wird. ... Das Thema war lange ein blinder Fleck in der öffentlichen Politik, doch in den nächsten Tagen soll der Nationalversammlung ein parteiübergreifender Gesetzentwurf vorgelegt werden. ... Hoffen wir, dass er das Thema voranbringt.“

The Spectator (GB) /

Bevormundung bleibenlassen!

Angesichts von Hitze-Warnungen und Verhaltensappellen sieht sich The Spectator vom Nanny-Staat verfolgt:

„Vielleicht ist all das eine Verschwörung, um die Klimaneutralität zu erreichen. Je mehr wir die Leute angesichts normalen Wetters verunsichern, desto leichter können wir sie dazu bringen, Wärmepumpen und Elektroautos zu kaufen. ... Das größere Problem ist jedoch sicherlich diese schreckliche Abhängigkeit vom Staat, die von der Gesundheits- und Sicherheitsindustrie unterstützt wird. Diese hat sich darauf spezialisiert, uns alle zu infantilisieren. Man fragt sich, was als Nächstes kommt. Der Gesundheitsminister, der uns daran erinnert, bei Regen einen Regenschirm zu benutzen? Uns warm anzuziehen, wenn es schneit? Oder zu trinken, wenn wir durstig sind? Unsere Unterwäsche zu wechseln?“

Trouw (NL) /

Wir brauchen einen grünen Masterplan

Ein gemeinsames Vorgehen für Umweltschutz ist dringend geboten, meint Trouw:

„Eine solide Klimaschutzagenda, auf die die Industrie die nächsten Jahrzehnte bauen kann, ist unverzichtbar. Es darf nicht sein, dass sich die Unternehmenslobby, die sich für die Abschaffung der CO2-Steuer eingesetzt hat, zufrieden zurücklehnen kann. Das können sich die Niederlande weder ökologisch noch wirtschaftlich leisten. ... Ein grüner Masterplan ist notwendig. ... Die EU-Länder müssen ihre industrielle Produktionsstrategie gemeinsam abstimmen, unter Berücksichtigung des Klimas. Dabei müssen Subventionen für fossile Brennstoffe abgeschafft werden.“