Nach Alaska und Washington: Auf dem Weg zum Frieden?

Ob die Welt nach den von US-Präsident Donald Trump initiierten Gipfeltreffen in Alaska und Washington einem Frieden in der Ukraine näher gekommen ist, welche Schritte nun nötig sind und welche Rolle dabei einzelne Länder spielen, debattiert Europas Presse.

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Expresso (PT) /

Trump biegt sich die Welt zurecht

Expresso analysiert, von welchem Weltbild sich der US-Präsident leiten lässt:

„Trump scheint entschlossen zu sein, ein aktiver und durchsetzungsstarker Vermittler zu sein. Er hört beiden Seiten zu und glaubt, dass er ihnen letztlich die Friedensbedingungen auferlegen kann. ... Dieses Amerika hat nichts mit dem Amerika der letzten Jahrzehnte zu tun. Es ist weder die Führungsmacht des Westens noch das Zentrum der freien Welt. Es ist eine Macht, die daran interessiert ist, die internationale Ordnung zu überdenken, eine Macht, die sich um den Zugang zu den immer wichtiger werdenden natürlichen Ressourcen kümmert, und eine Macht, die ihre Regeln inklusive ihren Vorstellungen von Frieden und Ordnung Dritten diktieren will.“

Magyar Hang (HU) /

Richtige Worte aus Berlin

Die Position von Bundeskanzler Friedrich Merz lobt Theologe István Zalatnay in Magyar Hang:

„Merz hat klar erkannt, dass der erste logische Schritt zu einer sinnvollen Entwicklung nur ein Waffenstillstand sein kann. ... Lässt sich Trump davon überzeugen, besteht die Chance, dass der Prozess zur Beendigung des Krieges einer logischen Ordnung folgt. Mit einem Waffenstillstand als conditio sine qua non, der von einer Grundsatzerklärung für einen künftigen Friedensvertrag begleitet werden kann. Wesentlich später könnte dann die Unterzeichnung eines Friedensvertrages – nicht eines Friedensdiktats – folgen, wenn auf beiden Seiten die Absicht vorhanden ist und intensive Bemühungen geleistet wurden.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Statt Geisterdebatten lieber den Taurus liefern

Überlegungen zur Stationierung von Soldaten in der Ukraine hält die Frankfurter Allgemeine Zeitung für verfrüht:

„Eher bekommt Trump den Nobelpreis für den klügsten Präsidenten aller Zeiten, als dass Putin die Stationierung von Truppen aus Nato-Staaten an der Grenze zu Russland akzeptieren würde. ... Anstatt sich an jedenfalls derzeit unwahrscheinlichen Szenarien abzuarbeiten, sollte der Westen sich auf das konzentrieren, was jetzt wichtiger und dringender ist: der Ukraine noch engagierter in ihrem Existenzkampf zu helfen, vor allem mit der Lieferung von Waffen. Deutschland sollte Kiew endlich den Taurus liefern, auch der wäre eine deutliche Botschaft an Putin. Aber auch die schwarz-rote Koalition diskutiert im Zweifel lieber über eine Friedensmission, so unrealistisch sie auch sein mag.“

e-vestnik (BG) /

Nordkorea als Muster

Der Konflikt in der Ukraine könnte ähnlich wie der zwischen Nord- und Südkorea enden, meint e-vestnik:

„Teile der Ukraine, die von Russland erobert wurden, könnten dann sozusagen zur 'Nordukraine' werden. In der Praxis ist ganz Russland bereits zu einem größeren Nordkorea geworden, einer militarisierten Diktatur, die mit Atomwaffen droht und vom Rest der Welt isoliert ist, zumindest vom entwickelten Teil der Welt. Das Treffen zwischen Trump und Putin in Alaska lässt sich mit Trumps Treffen mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un während seiner ersten Amtszeit vergleichen. Nur Worte, Lächeln und nichts Konkretes. Damals zollte Trump dem nordkoreanischen Diktator ungerechtfertigten Respekt und stärkte dessen Selbstbewusstsein als globaler Akteur. Das Gleiche ist jetzt mit Putin passiert.“

Helsingin Sanomat (FI) /

Frankreichs Führungsrolle birgt auch Gefahren

Über den wachsenden Einfluss von Paris macht sich Helsingin Sanomat Gedanken:

„Frankreich ist eine europäische Militärmacht, eine Atommacht und ein großer Hersteller von Verteidigungsgütern – und hat Einfluss innerhalb der Union. Daraus ergibt sich eine unbestrittene Führungsrolle in einem von Russland bedrohten Europa. … Die Schattenseite der Medaille ist, dass sich die Machtverhältnisse in Frankreich 2027 ändern könnten. Bis dahin hat Macron seinem Land eine Position verschafft, die für Europa gefährlich sein könnte. Wenn die in Meinungsumfragen erfolgreiche extreme Rechte bei den Wahlen die Macht übernimmt, wird sich die Haltung der europäischen Großmacht gegenüber Russland und der europäischen Zusammenarbeit ändern.“

NV (UA) /

Verfrühter Dreiergipfel wäre gefährlich

Vor einer drohenden Falle warnt Diplomatin Lana Serkal in einem von NV übernommenen Facebook-Post:

„Die schlimmste Option wäre es, in dieser Phase der Verhandlungen ein trilaterales Treffen zwischen Selenskyj, Trump und Putin abzuhalten. Das wäre eine ausweglose Falle, und ich hoffe, dass das inzwischen nicht nur mir klar ist. Ein solches Format kommt nur infrage, wenn bereits alles abgestimmt ist, Vertragstexte vorliegen und unsere Seite zuvor in gemeinsamen Arbeitsgruppen an den Vereinbarungen gearbeitet hat. Verhandlungen mit den Russen muss ein geeintes Europa führen – wobei jeder Verbündete seine eigene Expertise einbringt, wie man die russischen Taktiken am besten kontert.“

Új Szó (SK) /

Die Zeit arbeitet nicht für die Ukraine

Den enormen Druck, der auf der ukrainischen Regierung lastet, beschreibt Politikwissenschaftler und Analyst Balázs Jarábik in Új Szó:

„Nach der Skepsis in Alaska hat das Treffen in Washington Kyjiw etwas beruhigt, aber nur, weil die Messlatte das skandalöse Treffen im Februar war. In Kyjiw, wo ich mich gerade aufhalte, weiß man genau: Der Krieg ist auf längere Sicht nicht tragbar. Personalmangel und fehlende Rotation zermürben die Armee – die Säule, auf der der gesamte Staat ruht. Gleichzeitig kann Kyjiw auch den Rest des Donbass nicht aufgeben, da ein solcher Kompromiss den Zusammenhalt und die innere Sicherheit des Landes auf die Probe stellen würde. Selenskyj versucht, Zeit zu gewinnen – nur steht die Zeit nicht auf der Seite der Ukraine.“

T24 (TR) /

Trump verfolgt seine eigenen Interessen

Bei den von Trump organisierten Gipfeln ist nicht Frieden das eigentliche Ziel, kritisiert T24:

„Nach dem Treffen in Alaska hat Trump seinen Weg des 'schnellen Waffenstillstands' verlassen und sich der vom Kreml gewünschten Idee eines umfassenden Friedens zugewandt. Dieser Kurs scheint jedoch eher eine PR-Kampagne als ein Friedensprozess zu sein. ... Der von Trump versprochene Frieden ist im Grunde genommen auf einen Interessenausgleich zwischen mächtigen Männern reduziert. Seine Vision eines 'großen Friedens' bietet eher eine Belohnung für den Kreml, eine Belastung für Kyjiw und die Gefahr, der Welt einen neuen 'Halbfrieden' zu hinterlassen, statt einer dauerhaften Lösung für die Ukraine.“

Seznam Zprávy (CZ) /

Wenn es richtig schlecht läuft

Seznam Zprávy entwirft eine Art Worst-Case-Szenario:

„Wenn Trumps Gesundheit mitmacht, wird er noch dreieinhalb Jahre an der Macht sein, und in dieser Zeit wird die Welt wahrscheinlich müde werden von Gipfeltreffen. Russland wird unterdessen, unterstützt von Iran, China und Nordkorea, langsam weitere vielleicht Tausende Quadratkilometer [in der Ukraine] erobern. Die abgestumpfte russische Öffentlichkeit, gelähmt von Angst wie unter Stalin, wird sich mit billigem Wodka und staatlicher Propaganda betrinken. Und die fünften Kolonnen in Europa in Form verschiedener EU-feindlicher und vermeintlich antielitärer, in Wirklichkeit aber prorussischer Parteien werden bei den Wahlen punkten und den gesellschaftlichen Konsens untergraben, dass dem Bösen entgegengetreten werden muss.“