Münchner Sicherheitskonferenz: Was ist das Fazit?

Bei der am Sonntag zu Ende gegangenen dreitägigen Münchner Sicherheitskonferenz haben hochrangige Politiker und Politikerinnen ihren Willen bekräftigt, die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg weiter zu unterstützen. Europäische Kommentatoren sehen neben der Geschlossenheit des Westens aber auch verschärfte Fronten und Ungewissheiten.

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Corriere della Sera (IT) /

Vereint in der Ungewissheit

Russlands Angriff hat wenig Zeit für andere Themen gelassen, bedauert Corriere della Sera:

„Sicher, in München traf der chinesische Außenminister Wang Yi mit US-Außenminister Tony Blinken zusammen. Aber ihr Treffen fand eher am Rande statt und war im Grunde die Ausnahme, die die neue Regel bestätigte: Die Welt da draußen ist zunehmend zersplittert, und es ist notwendig, dass der Westen sich untereinander bespricht. ... Das Treffen hat uns jedoch wenig über das kommende Jahr gesagt. Wie lange der Krieg dauern und wie lange der Westen geeint bleiben wird, wie schnell wir in der Lage sein werden, die Kriegsanstrengungen der Ukraine zu unterstützen, um zu verhindern, dass sie unterliegt, und ob und welchen Platz Russland in Zukunft im europäischen Raum haben wird.“

Polityka (PL) /

Aufs Wesentliche konzentriert

Endlich hat sich die Sicherheitskonferenz mit ihren Kernaufgaben befasst, freut sich Polityka:

„Bezeichnend für die neue Rolle, in der sich der Westen nur langsam wiederfindet, war das Ausklammern von Trendthemen und Herausforderungen, die die vorangegangenen unerquicklichen Münchner Konferenzen dominierten. Nicht viel über Klima, die Rolle der Medien, Bigtech und künstliche Intelligenz. Auch Diskussionen über Länder außerhalb der aktuellen Konfrontation des Westens mit Russland fanden nicht statt: Es gab nichts über Indien, Brasilien, Afrika oder die Probleme des globalen Südens. Der Westen hat sich auf sich selbst konzentriert und auf seine Staaten und Institutionen, die EU nicht ausgenommen, im Bemühen, 'Muskeln aufzubauen'.“

Der Spiegel (DE) /

Kubrakow hat Ukraine Bärendienst erwiesen

Die Äußerungen des Vizepremiers der Ukraine, Olexander Kubrakow, über einen möglichen Einsatz von Phosphor-Brandwaffen und Streumunition, findet der Spiegel unklug:

„Der Einsatz, Transport, die Produktion und Lagerung von Streubomben ist durch das Oslo-Übereinkommen untersagt. Deutschland und die meisten anderen europäischen Länder gehören zu den rund 110 Unterzeichnerstaaten – Russland und die Ukraine, aber auch die USA und Länder des westlichen Balkan haben das Abkommen hingegen bisher nicht ratifiziert. Kubrakow wusste also, dass der Einsatz solcher Waffen zwar möglich, aber auch maximal umstritten ist – und in keiner Weise geeignet, die westlichen Verbündeten hinter Kiew zu vereinen. ... [D]as ist ehrliche Verzweiflung, die da aus Kubrakow sprach. Aber das ist auch: ein Bärendienst für die Ukraine.“

Strana (UA) /

China könnte sich mit Russland absprechen

Strana sieht eine zunehmende Kluft zu China, was den Krieg gegen die Ukraine angeht:

„Die Münchner Konferenz hat deutlich gemacht, dass es in dieser Frage ernsthafte Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Westen und China gibt. Und China hat verlauten lassen, westliche Länder hätten zu einem früheren Zeitpunkt Friedensgespräche zum Scheitern gebracht. So ist es möglich, dass China zeitnah einen alternativen Friedensentwurf vorstellt. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Plan im Vorfeld mit Russland abgestimmt werden wird. Gleichzeitig kann es aber auch sein, dass China bei den Verhandlungen mit dem Westen als eine Art Vertreter Russlands auftreten wird.“

Financial Times (GB) /

Berlin muss Worten Taten folgen lassen

Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist zu unentschlossen, beklagt Financial Times:

„Die Verteidigungsausgaben bleiben deutlich unter dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato, wie es seit dem Ende des Kalten Krieges der Fall ist. Rangeleien zwischen Kanzleramt und Ministerien haben die formelle Verkündung einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie verzögert. ... Nicht nur wegen des russischen Angriffs braucht es eine energischere, gut finanzierte deutsche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. So können Politiker in Washington davon überzeugt werden, dass die europäischen Nato-Mitglieder nicht einfach Trittbrettfahrer der US-Sicherheitsgarantie für den Kontinent sind.“

Delfi (LT) /

Die Welt spaltet sich

Von einer globalen Isolierung Russlands ist man weit entfernt, stellt Politologe Linas Kojala auf Delfi fest:

„Die Daten zeigen, dass sich die Meinung über Russland in den Entwicklungsländern (über sechs Milliarden Menschen) nicht verschlechtert hat, auch nicht vor dem Hintergrund brutaler Aggressionen. Im Gegenteil, mehr Menschen als früher haben ein positives Bild vom Kreml. In Südostasien zum Beispiel sind sechs von zehn Menschen dieser Meinung. Die Welt spaltet sich also zunehmend in eine demokratische Welt, die die geopolitischen Herausforderungen aus einer bestimmten Sicht betrachtet, und den Rest, der die gegenteilige Meinung vertritt. ... Das erschwert die Bemühungen des Westens, Russland zu isolieren und die Wirtschaftssanktionen in vollem Umfang durchzusetzen.“

Handelsblatt (DE) /

Gästeliste ist bezeichnend

Die Einladungspolitik der Konferenz spiegelt die erneute Blockkonfrontation wider, meint das Handelsblatt:

„Russische Regierungsvertreter wurden bewusst nicht eingeladen. Auch dem iranischen Mullah-Regime, welches das Freiheitsstreben seiner Bevölkerung brutal unterdrückt, wollen die Organisatoren kein Forum im Bayerischen Hof bieten. Die chinesische Regierung allerdings wird hochrangig vertreten sein, um für ihr Modell der sozialistischen Marktwirtschaft zu werben. Und der 'globale Süden' kann entscheiden, auf welche Seite der neuen Weltordnung er sich schlägt.“

La Vanguardia (ES) /

Wachsender Unmut über die Weltordnung

Die Interessen nicht westlicher Länder sollten auf der Konferenz mehr Gehör finden, fordert La Vanguardia:

„Die Münchner Sicherheitskonferenz war schon immer ein äußerst interessantes Forum für die Erörterung der politischen und sicherheitspolitischen Dynamik in der Welt. Doch nach der ungerechtfertigten Aggression Russlands in der Ukraine gewinnt ihre Rolle bei der Analyse der nicht nur europäischen, sondern weltweiten Veränderungen eine noch größere Bedeutung. ... Es muss ein Kompromiss gesucht werden, um eine weniger europäische, westliche Sichtweise zu ermöglichen. Die Forderungen der Länder in anderen Teilen der Welt müssen berücksichtigt werden, denn es macht sich Unzufriedenheit breit über eine internationale Ordnung, die deren Bedürfnissen nicht gerecht wird.“

Delo (SI) /

Stoppt diesen Krieg!

Delo veröffentlicht einen Aufruf, den neben dem ehemaligen Präsidenten Milan Kučan weitere slowenische Politiker und Gelehrte unterzeichnet haben:

„Das politische Gerede von Verlierern und Gewinnern steht im Widerspruch zum Frieden. Keine Seite kann diesen Krieg gewinnen. Frieden kann nur am Verhandlungstisch geschlossen werden. … Wir erwarten daher von Ihnen, den Regierungen der Länder der EU, der Nato, der USA und Russland, dass Sie ein Bündnis schließen, um die Kämpfe einzustellen, weitere Aufrüstung zu stoppen und Verhandlungen aufzunehmen. Ihre Verantwortung ist die Welt der Zukunft, des Friedens, der Sicherheit und des Kampfes gegen den Klimawandel! Ihre Verantwortung ist das Leben unserer Kinder und ihrer Nachkommen in einer Welt ohne Angst, die die Existenz der Menschheit sichert.“

e-vestnik (BG) /

Ein derzeit unlösbarer Konflikt

E-vestnik vergleicht den Krieg in der Ukraine mit dem Nahost-Konflikt:

„Netanjahu sagte über den Nahost-Konflikt: 'Wenn die Palästinenser ihre Waffen niederlegen, wird es Frieden geben. Wenn Israel abrüstet, wird es kein Israel geben.' So ist es auch in diesem Konflikt: Wenn Russland die Waffen niederlegt, wird es Frieden geben, wenn die Ukraine die Waffen niederlegt, wird es keine Ukraine geben. Putin und die aggressive russische Gesellschaft haben die Welt in den schlimmsten Konflikt der Geschichte gestürzt. ... Wir können nur hoffen, dass sich dieser Krieg, während er weiter schwelt, nicht in einen nuklearen Konflikt verwandelt. Bald enden wird er nicht, die Situation ist in naher Zukunft irreparabel.“