Hamas-Terror: Wie soll Israel in Gaza vorgehen?

Nach dem brutalen Angriff der Hamas will Israels Regierung entschieden gegen die islamistische Terrororganisation vorgehen. Der Gazastreifen wird bombardiert, das Gebiet ist abgeriegelt, eine Bodenoffensive wird diskutiert. Strom und Wasser wurden ebenfalls abgestellt, was die Uno kritisierte. Die USA forderten, die "Regeln des Krieges" zu achten. Die Frage der Verhältnismäßigkeit beschäftigt auch Europas Presse.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Demokratien halten sich an Recht

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet die Mahnungen von USA und Uno berechtigt:

„Da kommt eine erhebliche Sorge vor einer israelischen Überreaktion zum Ausdruck, die an einer zweiten wichtigen Front, der globalen öffentlichen Meinung, zu Verwerfungen führen könnte ... . ... Der israelische Energieminister verbittet sich in diesem Zusammenhang Moralpredigten. Die sind in der Tat nicht angebracht, denn der Westen hat selbst keine reine Weste, wenn es um die Folgen militärischer Einsätze für Zivilisten geht. Aber es stimmt, was Biden Netanjahu gesagt hat: Demokratien sind stärker und sicherer, wenn sie nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handeln, und genau das unterscheidet sie von Terroristen.“

Libération (FR) /

Nicht in Falle der Hamas tappen

Libération warnt ebenfalls:

„Die Behauptung, Israel in dieser besonders tragischen Lage 'uneingeschränkt zu unterstützen', wie es natürlich die USA und der Westen getan haben, darf nicht dazu führen, dass man die Augen vor dem Gemetzel verschließt, das in Gaza bereits begonnen hat. Das ist auf zynische Weise Teil des Plans der Hamas, um jede Aussicht auf eine friedliche Lösung und jeden Versuch einer Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien zu vernichten. ... Es ist eine Falle, in welche die angeschlagene Demokratie Israels, die aber dennoch eine Demokratie ist, nicht tappen sollte. Das Profil Benjamin Netanjahus, der sein Ansehen als Sicherheitsgarant verloren hat, und die Erinnerung an frühere Militäroperationen in Gaza geben Anlass zu Pessimismus.“

The Times (GB) /

Mit Urteilen zurückhalten

Die Angegriffenen haben das Recht, mit aller Härte vorzugehen, betont The Times:

„Niemand möchte, dass auch nur ein einziges unschuldiges Leben verloren geht. Aus unserer eigenen Geschichte wissen wir aber, dass angesichts einer existenziellen Bedrohung durch Psychopathen, die uns vernichten wollen, leider Unschuldige sterben. ... Während Israel in den kommenden Wochen seiner gerechten Aufgabe nachgeht und die Hamas die zuschauende Welt manipuliert, sollten wir alle die zeitlosen Worte aus dem Buch Kohelet beherzigen: 'Alles hat seine Zeit.' ... Für Israel war diese letzte Woche eine Zeit der Tränen und der Trauer. Nun steht eine Zeit des Kriegs bevor, bis es eines Tages Zeit für den Wiederaufbau ist. ... Für den Rest von uns ist es Zeit, zu schweigen.“

Kristeligt Dagblad (DK) /

Fast unlösbare Aufgabe

Im Gegensatz zur radikal-islamischen Hamas hat Israel viel zu verlieren in diesem Krieg, bemerkt Kristeligt Dagblad:

„Die enorme Herausforderung für Israel in Bezug auf die Weltmeinung besteht darin, dass es als demokratisches Land an einem Maßstab gemessen wird, der Konventionen, den Schutz der Zivilbevölkerung und das Kriegsrecht umfasst. Dem Gegner ist das egal. Für die Hamas ist es im wahrsten Sinne des Wortes ein heiliger Krieg. ... Israel kann nicht sicher sein, den Krieg vor Ort im Gazastreifen zu gewinnen. ... Und aufgrund der asymmetrischen Bedingungen im Konflikt kann Israel noch weniger sicher sein, den Kampf um die öffentliche Meinung im Westen zu gewinnen. Man kann nur hoffen, dass dieser nicht vergisst, dass in diesem Streit die Terrororganisation Hamas der Aggressor ist.“

Leonid Gosman (RU) /

Israelis lassen sich nicht unterkriegen

Der nach Israel emigrierte Oppositionspolitiker Leonid Gosman preist auf Facebook den Kampfgeist der Bevölkerung:

„Innerhalb von 48 Stunden wurden 330.000 Reservisten mobilisiert. ... In einem Land mit einer jüdischen Bevölkerung von etwas mehr als sieben Millionen. Jeder Zwanzigste ging innerhalb von zwei Tagen zur Armee, und wenn man Kinder und Alte nicht mitzählt, mindestens jeder Zehnte. Schüler religiöser Schulen, die per Gesetz vom Militärdienst befreit sind, fordern ihre Einberufung. Die Rabbiner sind einverstanden: Beten reicht nicht, man muss zu den Waffen greifen. Alle spenden Blut. Man bekommt keine Tickets nach Israel: Leute kommen zurück, um das Land zu verteidigen. El Al fliegt erstmals am Sabbat, um sie hinzubringen.“

Berlingske (DK) /

Hilfe aus USA unterstützen

Europa muss nach Ansicht von Berlingske Washington entlasten, damit es Israel helfen kann:

„Mit der gewalttätigen Bedrohung durch die Hamas ist nicht zu leben, und es besteht nicht die geringste Chance, eine vernünftige Einigung mit den Terroristen zu erzielen. Der Iran steht hinter dem kriminellen Regime der Hamas, und das Ziel ist klar: die Vernichtung Israels. Daher müssen wir von europäischer Seite bereit sein, eine israelische Invasion in Gaza zu unterstützen, wenn dies erforderlich ist. Wir können zunächst zum Verteidigungskampf Israels beitragen, indem wir härtere Sanktionen gegen Iran verhängen und uns eine größere Belastung für die Lieferung von Waffensystemen an die Ukraine auferlegen, damit es den USA leichter fällt, Israel zu beliefern.“

Jyllands-Posten (DK) /

Zu lange vor Antisemitismus die Augen verschlossen

Antisemitismus und Hass haben nach Ansicht von Jyllands-Posten die Hamas-Massaker möglich gemacht:

„Der Hass auf Israel und die Juden ist in der gesamten arabischen Welt weit verbreitet. ... Doch wir im Westen haben weggeschaut und die Situation so dargestellt, als wäre Israel selbst schuld. ... Es handelt sich um ein uraltes antisemitisches Klischee, das auch von den Nazis wieder aufgewärmt wurde: Die Juden seien selbst für ihr Unglück verantwortlich. ...Die Massaker in Israel müssen der internationalen Gemeinschaft klar machen, mit welchen Kräften Israel konfrontiert ist. ... Israel ist - mit all seinen Fehlern - immer noch die Konfliktpartei, deren Existenz bedroht ist. Die jüngsten Ereignisse müssen uns daran erinnern, dass Israel in der Verantwortung von uns allen liegt.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Hamas ist eine Terrororganisation

Für die Neue Zürcher Zeitung besteht kein Zweifel darüber, wie die Hamas einzuordnen ist:

„Seit Jahren läuft der Eiertanz in den europäischen Medien und der Politik: Die Hamas als Terrororganisation? ... Seit dem Wochenende ist die Frage endgültig geklärt: Männer, die schwer bewaffnet über ein Musikfestival in der Negev-Wüste herfallen und 260 meist jugendliche Besucher niedermetzeln, aus ihren Autos zerren und erschiessen; Männer, die ... morden, Frauen und Kinder als Geiseln nehmen und tote Körper triumphal in der Stadt Gaza zur Schau stellen, solche Männer sind Terroristen.“

T24 (TR) /

Pro-Palästina-Erklärungen sind kurzsichtig

In der Türkei haben sich fast alle Oppositionsparteien und viele Verbände 'solidarisch mit dem palästinensischen Volk' erklärt. Sie machen es sich zu leicht, findet T24:

„Um an der Seite des palästinensischen Volkes zu stehen, muss man sich sowohl der Hamas als auch der religiös-faschistischen Politik der Netanjahu-Regierung widersetzen. ... Was hat die Hamas während ihrer Kontrolle über Gaza getan, um das Leben der Bewohner des Gazastreifens zu verbessern? Alles was sie taten, machte das Leben der Menschen nur noch schwieriger. Und es scheint, dass die Hilfen für die Menschen in Gaza für die Bewaffnung verwendet wurden. ... Natürlich stehen wir auf der Seite der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber wir stehen auch auf der Seite der israelischen Zivilbevölkerung.“

Le Point (FR) /

Solidarität wie nach 9/11 erforderlich

Le Point prangert das Schweigen der radikalen Linken an:

„Es ist ein ganz einfacher Satz, wie der, den man nach dem 11. September 2001 sagte: 'Wir sind alle Amerikaner'. … Und doch ist die Aussage 'Wir sind alle Israelis' - die natürlich keine Verpflichtung bedeutet, Benjamin Netanjahu oder seine Politik zu unterstützen! - nicht für jeden selbstverständlich. ... In Frankreich war [die linke Partei] La France insoumise nicht in der Lage, die Verbrechen der Hamas klar zu verurteilen. Diese widerliche Haltung ist jedoch nur logisch. Vergessen wir nicht, dass zwei Abgeordnete dieser Partei bei der letzten Parlamentswahl um die Unterstützung von Jeremy Corbyn gebeten hatten und diese auch erhielten. Er ist hierzulande vor allem dafür bekannt, dass er den Antisemitismus in der britischen Labour Party aufblühen ließ.“

Polityka (PL) /

Für einige wohl schon bald wieder der Buhmann

Polityka warnt vor der Außenwirkung einer israelischen Gegenoffensive:

„Israel wird Bilder der Besatzung in den Medien vermeiden müssen. Kämpfe in der Stadt, inmitten von Zivilisten, mit den unvermeidlichen Opfern, könnten nach einigen Tagen die internationale Unterstützung für Israel zum Erliegen bringen. Es ist eine Sache, Opfer eines Hamas-Terroranschlags zu sein, aber eine ganz andere, 'Besatzer' zu sein, 'der palästinensische Frauen und Kinder auf der Straße bekämpft', wie es im arabischen Fernsehen, in pro-palästinensischen westlichen Medien und von Prominenten wie dem Pink-Floyd-Antisemiten Roger Waters dargestellt wird. Die Gewaltspirale endet in der Regel schlecht für das Image der Seite, die militärisch im Vorteil ist.“

Népszava (HU) /

Extremistische Regierung ist ein Risiko

Die Ereignisse sind nicht losgelöst von den Entwicklungen in der israelischen Politik zu sehen, ist Népszava überzeugt:

„Analysten schlugen bereits im Dezember Alarm, dass Israels extrem rechte Regierung ein Risiko für eine Eskalation des palästinensisch-israelischen Konflikts darstelle. Und so kam es auch: Seit Monaten ist es klar, dass das Osloer Abkommen tot ist und eine dritte Intifada in der Luft liegt. ... Die politische Führung [Israels] wird ihre Politik wohl fortsetzen, was bisher zu nichts geführt hat und die Palästinenser noch mehr hinter die Hamas bringt.“

La Repubblica (IT) /

Israel zu sehr mit sich selbst beschäftigt

Warum ein solcher Angriff gerade jetzt möglich war, erörtert La Repubblica:

„Israel hat in den letzten Jahren vergessen, dass es sich in einer Ausnahmesituation befindet, und seine innenpolitische Schwäche hat sich schnell in eine strategische Verwundbarkeit verwandelt. Politische Mehrheiten hängen an wenigen Stimmen extremistischer Kräfte (die Parteien von Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich); grundlegende Reformen, wie die der Justiz, werden von den großen politischen Kräften der Mehrheit und der Opposition nicht geteilt. ... Politische Entscheidungen (etwa die Verlegung von 26 Bataillonen vom Gazastreifen ins Westjordanland) wurden im Hinblick auf einen schnellen Konsens getroffen statt mit strategischem Weitblick. ... Dadurch wurde das Abschreckungspotenzial Israels geschwächt.“

NRC (NL) /

Bürger zahlen Preis für strategisches Versagen

Die Bevölkerung in Israel und Palästina ist Opfer einer gescheiterten Politik, klagt NRC:

„Die Bürger bezahlen den Preis für politischen Unwillen. Meistens mussten die Palästinenser den größten Preis bezahlen. ... Der Unterschied zu früheren Eskalationen ist der Terror gegen die israelische Bevölkerung. ... Dass Israel nach einem solchen Terrorausbruch mit Luftangriffen auf Gaza zurückschlägt, ist verständlich. Aber diese Strategie hat Defizite. ... Weil das Schicksal der palästinensischen Bevölkerung kein Thema mehr ist in Israel, fehlt der Regierung von Netanjahu ein Plan, eine langfristige Vision. Es gibt keine Perspektive für die Menschen im besetzten Westjordanland und in Gaza. Diese Frage zu ignorieren war ein schlimmer Fehler.“

The Irish Times (IE) /

Perspektivlosigkeit ist Zündstoff

The Irish Times verweist auf die hoffnungslose Situation der palästinensischen Bevölkerung:

„Die Statistiken sind so schockierend wie bekannt: Knapp 50 Prozent der palästinensischen Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Im seit 2007 blockierten Gazastreifen sind es sogar 80 Prozent. Arbeitslosigkeit ist weit verbreitet und es gibt keine Bewegungsfreiheit. Israel verbietet den Palästinensern, abgesehen von äußerst seltenen Ausnahmefällen, den Gazastreifen zu verlassen oder zu betreten. Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten, Francesca Albanese, verglich die Situation dort im Juli diesen Jahres mit einem 'Freiluftgefängnis'.“