Wie wird 2023?

Krieg, Klimawandel, Wirtschaftskrise - die Aussichten für 2023 scheinen nicht rosig. Europas Presse benennt, worauf es jetzt ankommt.

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Jurnalul National (RO) /

Wachstum und Konsum drohen einzubrechen

2023 könnte die Weltwirtschaft ins Stocken bringen, fürchtet Jurnalul National:

„Der IWF prognostiziert für 2023 ein weltweit schwaches Wachstum, wobei die Ursachen in den anhaltenden Auswirkungen von Covid, dem Krieg in der Ukraine und der anhaltend hohen Inflation liegen (sowie einer strengeren Politik der Zentralbanken). Der Realwirtschaft steht ein schwieriges Jahr bevor, und wir werden beobachten müssen, inwieweit es dem produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor gelingen wird, Jobs zu erhalten und die Einkommen ihrer Beschäftigten zu sichern. ... Angesichts der Verteuerung von Krediten, der sinkenden Kaufkraft und der Tendenz der Haushalte und Unternehmen, ihre Ausgaben zurückzufahren, könnten wir auch einen deutlichen Rückgang des Konsums erleben.“

De Tijd (BE) /

Realistischere Zinsen – und hoffentlich Frieden

2022 war finanziell gesehen ein Katastrophenjahr, das lange Schatten auf das kommende vorauswirft, resümiert De Tijd:

„Die Geopolitik als Risiko bleibt. Wer investiert, sollte überlegen, ob er sich gegen das Risiko absichert, dass der Krieg in der Ukraine eskaliert. ... Oder gegen das Risiko, dass die Europäische Union die Energie-Waffe nicht schnell genug aus den Händen Moskaus schlagen kann. ... Der Rückblick lehrt uns, dass die Welt zu lange durch die rosarote Brille des Gratisgeldes geschaut hat. Es ist gut, dass ein normalerer Zinssatz uns wieder lehrt, realistischer zu entscheiden und zu investieren, wie schmerzhaft das auch ist. Mit der Friedensdividende ist es allerdings umgekehrt: Je schneller sie zurückkommt, desto besser.“

El País (ES) /

Soziale Unruhen verhindern

El País erwartet große Herausforderungen für Europa:

„Das größte interne Risiko in der EU im neuen Jahr sind soziale Unruhen. ... Nationaler Populismus wird oft von Grundaffekten und falschen Lösungen angeheizt. ... Wenn die Inflation die Kaufkraft der Bevölkerung weiter untergräbt, könnte ein neues Instrument ähnlich dem Next-Generation-Paket möglich sein. ... Die schwierigste Aufgabe des neuen Jahres wird darin bestehen, den materiellen Preis zu rechtfertigen, den die westlichen Gesellschaften weiterhin zahlen müssen, solange Putin seine neoimperialen Ansprüche, ukrainisches Territorium zu annektieren, nicht aufgibt.“

Sabah (TR) /

Globale Organisationen ringen um Einigkeit

2023 wird ein wichtiges Testjahr für das multilaterale System, meint Sabah:

„Der eskalierende Wettbewerb zwischen dem atlantischen und dem asiatisch-pazifischen Raum spiegelt sich auch in der Agenda globaler multilateraler Organisationen wider. Sowohl im Rahmen der Uno als auch der WTO und der G20 ist es sehr schwierig geworden, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. ... In dieser Lage wächst die Verantwortung der OECD, einer Eliteorganisation mit 38 Mitgliedern, darunter die G7-Staaten, die meisten EU-Staaten, vier lateinamerikanische, drei asiatisch-pazifische Staaten sowie die Türkei und Israel.“

T24 (TR) /

Der Liberalismus hat ausgedient

Kolumnist Akdoğan Özkan stellt auf T24 die Systemfrage:

„Die Hauptfrage, die unter den zunehmend chaotischen Bedingungen 2023 immer wichtiger wird: Kann man sich eine ideologische Alternative vorstellen, die es Menschen ermöglicht, sich selbst zu verwirklichen und ihnen ihre produktiven und kreativen Qualitäten in einer würdevollen Zukunftsperspektive zurückgibt, ohne dass sie sich dem Markt ausliefern müssen, und kann diese Vision eines Tages Realität werden? ... Auch die letzten Überreste der 'liberalen Demokratie', die Francis Fukuyama als ultimative Regierungsform in der ideologischen Evolution der Menschheit ansah, wurden im vergangenen Jahr zerstört. Vermutlich werden wir noch nicht 2023 erkennen, was wir an ihre Stelle setzen werden. Aber ich denke, wir müssen uns diese Frage stellen und beantworten.“

De Standaard (BE) /

Es brechen magere Jahre an

Im kommenden Jahr wird es uns teuer zu stehen kommen, dass die Ära des billigen Geldes ungenutzt verstrichen ist, klagt De Standaard:

„Vor uns liegt eine Periode von tiefem Bedauern. Bedauern, dass wir den einmaligen Glücksfall nicht besser genutzt haben, um Schulden abzubauen und in großem Stil zu investieren in Innovation, Nachhaltigkeit und Klimawende. ... Alles, was während der nun abgelaufenen Periode leichter gewesen wäre, wird jetzt zwingender, aber auch schwieriger. Wir geben noch immer Geld aus, um die Erschütterungen abzufedern, aber das geliehene Geld kostet künftig auch wieder Geld. Es brechen magere Jahre an.“

Ta Nea (GR) /

Umweltpolitik kein Luxus mehr

Im kommenden Jahr wird es endgültig Zeit, in Sachen Klimapolitik aufs Tempo zu drücken, mahnt Ta Nea:

„Der europäische Kontinent erwärmt sich schneller als jeder andere und seine Bewohner können die Folgen mit eigenen Augen sehen: Es ist Teil ihres täglichen Lebens und nicht nur eine Theorie, die einen kleinen Kreis von Akademikern betrifft. Als Wähler müssen die Bürger Druck auf die politische Klasse und die Wirtschaftseliten ausüben, damit sie Initiativen zur Rettung des Planeten ergreifen, die sie bisher aufgeschoben haben, weil sie die politischen Kosten für untragbar hielten. Umweltpolitik ist kein Luxus mehr, der nur diejenigen betrifft, deren finanzielle Bedürfnisse erfüllt sind, sondern eine Notwendigkeit für das Überleben jedes Einzelnen.“

Les Echos (FR) /

Worauf es sich zu hoffen lohnt

2023 könnte uns mit positiven Entwicklungen überraschen, glaubt der Wirtschaftswissenschaftler Jacques Attali in Les Echos:

„Es ist nicht auszuschließen, dass die Ukraine die russische Armee besiegt, der Tyrann in Moskau abdankt und die Inflation stark zurückgeht. ... Auch ist nicht auszuschließen, dass den Deutschen bewusst wird, dass sie von den amerikanischen Lehnsherren nicht mehr zu erwarten haben als von russischen Lieferanten und chinesischen Kunden; und dass sie einen großen Plan für den Wiederaufbau von Osteuropa und der Ukraine durch die Europäer vorschlagen, der sich bis auf Russland erstrecken könnte, sobald das Land demokratisch wird. Diesen Plan könnten die Franzosen und die anderen Europäer absegnen und in einen Wachstumskurs für ihre eigenen Unternehmen verwandeln.“